Fortschreibung Klimaschutzprogramm Chemnitz: Jetzt ins Handeln und Umsetzen kommen

Redebeitrag zum Beschluss “Integriertes Klimaschutzprogramm für die Stadt Chemnitz, Fortschreibung 2023” in der Stadtratssitzung am 28.06.2023:

Klimakatastrophe ist unübersehbare Realität

Als unsere Fraktion im Jahr 2008 hier im Stadtrat ein Klimaschutzprogramm für Chemnitz beantragt hat, haben wir uns von dem Gedanken der Vorsorge leiten lassen. Wir wollten mehr lokale Aktivität und Verbindlichkeit bei den Maßnahmen zur Reduktion klimaschädlicher Gase. Wir haben damals bewusst vermieden, von einer Klimakatastrophe zu reden. Solche Begriffe helfen nicht unbedingt bei der Akzeptanz der erforderlichen Maßnahmen.

Heute, 15 Jahre und zwei IPPC-Berichte später, müssen wir feststellen, dass sich die Annahmen und Prognosen, auf die der Beschluss von 2008 basiert, dramatisch verschärft haben. Wir können rhetorisch nicht mehr ausweichen und müssen die Klimakatastrophe beim Namen nennen, denn sie ist inzwischen unübersehbare Realität. Auch in Europa. Wir sind mit Dürren in nie erlebtem Ausmaß konfrontiert, mit gestörter Grundwasserneubildung, mit Waldbränden, mit Wasserrationierungen. Ich will hier keine Klimadystopie beschwören. Viele Kinder und Jugendliche haben schon genug Angst vor dieser Entwicklung. Aber es verbietet sich, die Augen vor der Realität zu verschließen, nicht zu handeln oder mit dem Finger auf andere zu zeigen. Auch wenn der Chemnitzer Beitrag im globalen Maßstab klein ist, sind wir in der Pflicht zu handeln.

Sinnvolle Maßnahmen, aber unzureichend

Das vorliegende Programm enthält viele sinnvolle und konkrete Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen. Deshalb ist es unterstützenswert. Trotzdem bleibt es unzureichend. Es kann nur Maßnahmen beschreiben und deren Beitrag zu den Reduktionszielen bewerten. Was es nicht leistet und auch nicht leisten kann, ist die verbindliche Umsetzung der Maßnahmen – in den Feldern Energie, Verkehr, Stadtplanung, Beschaffungswesen, Haushalte, Industrie, Handel und Gewerbe.

Mit unserer Zustimmung zum Programm heute sind wir nicht aus der Verantwortung. Wir bleiben als Stadtrat in der Pflicht, die Umsetzung zu sichern. Wenn mit den Maßnahmen die Reduktionsziele nicht erreicht werden, sind wir in der Pflicht, nachzusteuern. Das geschieht leider nur unzureichend. Wir bleiben auch bei der Mittelbereitstellung in der Pflicht. Dass Chemnitz aktuell über den Landeshaushalt eine jährliche Klimamillion erhält, ist hart erkämpft und kein Selbstläufer. Ein festes Klimaschutzbudget muss – so wie vom Stadtrat beschlossen – kontinuierlich und verbindlich in den kommenden Haushalten aufgebaut werden – unabhängig von der Frage, ob dafür künftig Landesmittel fließen.

Wir müssen auch den 6. IPCC-Bericht stärker berücksichtigen. Das geschieht mit der aktuellen Fortschreibung nicht ausreichend. Vor allem müssen Verweigerungs- und Blockadehaltungen beim Ausbau der Wind- oder Sonnenenergie überwunden werden. In Verantwortung für die heutigen und künftigen Generationen sind wir genauso in der Pflicht, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, wie die Bundes- und Landesebene. Das Grundgesetz gilt auch für Chemnitz.

Holzheizkraftwerk und Müllverbrennung

Das Klimaschutzprogramm Chemnitz ist in Bezug auf die unmittelbar städtischen Maßnahmen der Stadt schon recht ambitioniert. Aber es benennt auch Maßnahmen von Dritten, die zumindest hinterfragt werden müssen. Ich möchte daher etwas zum Heizen mit Holz sagen. Holzheizungen eröffnen in eher ländlicheren Gebieten die Chance, die „Energieträgerlücke“ gerade in der kalten Jahreszeit zu schließen. Deswegen hat Sachsen Anträge zur Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes im Bundesrat eingebracht, u.a. um ergänzende Holzheizungen auch im Neubau zu ermöglichen.

Dennoch bleibt Holz ein wichtiger nachwachsender Rohstoff. Es muss immer die höchstwertig mögliche stoffliche Nutzung angestrebt werden: Möbel, Bauholz, später Recycling oder Upcycling. Erst ganz am Ende der Nutzungskaskade macht energetische Nutzung überhaupt Sinn. Das gilt auch für Totholz im Wald. Dieses ist wichtig für Humusaufbau, Bodenfruchtbarkeit und Kohlenstoffspeicherung. Es wäre fahrlässig, diese Ziele durch ausufernde Nutzung von Holz und Restholz in großen Holzkraftwerken zu gefährden, wenn es alternative Lösungen für eine klimaneutrale Wärmeversorgung in der Stadt gibt.

Auch die klassische Müllverbrennung hat künftig wenig Sinn. Entsprechende Verbrennungsanlagen müssen kontinuierlich mit Müll gefüttert werden und werden über kurz oder lang die Gebühren belasten. Mehr Sinn ergibt es, die im Stadtgebiet anfallenden Restabfälle zu sortieren, aufzubereiten und die nicht verwertbaren Reste zu trocknen und lagerfähige Brennstoffe zu produzieren, um diese dann zum Beispiel in der kalten Jahreszeit einsetzen zu können. Auch wenn die Resftabfallbehandlungsanlage am Weißen Weg ihr Ende erreicht, darf eine solche Option nicht verbaut werden.

Deswegen widerspreche ich hier ausdrücklich im Namen meiner Fraktion, dass gemäß Änderung der Verwaltung „für den Zeitraum ab 06/2025 unvorbehandelter Restabfall zur thermischen Verwertung ausgeschrieben werden“ soll. Da haben wir hier mehrfach unsere andere Meinung deutlich gemacht. Wir wissen, dass über diese Ausschreibung nicht der Stadtrat, sondern die Verbandsgremien des Abfallwirtschaftszweckverbandes Chemnitz entscheiden. Wir wollen hier aber deutlich machen, dass wir mit der Zustimmung zum Klimaschutzkonzept keine Prokura erteilen für diesen – aus unserer Sicht – nicht nachhaltigen Weg.

Am Schluss unser Dank an das Umweltamt für die inzwischen jahrzehntelange engagierte Arbeit am kommunalen Klimaschutz. In Bezug auf Konzept und Klimaschutzberichterstattung muss Chemnitz sich nicht verstecken. Jetzt müssen wir ins Handeln und Umsetzen kommen.

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