Bericht von der letzten Sitzung des Stadtrates im Jahr 2022

In der letzten Sitzung vor Weihnachten hatte der Chemnitzer Stadtrat noch einmal ein umfangreiches Arbeitsprogramm zu absolvieren: neuer Tourismusverband, Wirtschaftsstrategie, Gewerbeflächenkonzept, Marktgebühren, Sportstättensanierung, Küchwaldspielplatz, Pleißenpark, Schwammstadtkonzept für Wohngebiete, Winterhilfen und Einiges mehr. Über zwei Themen will ich ausführlicher berichten:

Erstellung eines Konzeptes zum autonomen ÖPNV in Chemnitz

Diesen Antrag der FDP-Fraktion haben wir unterstützt. Wir wollen das ÖPNV-Angebot attraktiver machen, das Verkehrsaufkommen reduzieren, die Verkehrssicherheit erhöhen und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Das Konzept kann zu diesen Zielen einen Beitrag leisten. Ziel sollte es sein, automatisierte Verkehrsangebote künftig in den regulären Linienverkehr der Stadt zu integrieren und die Angebote zu erweitern. Ein solches Konzept passt aber auch hervorragend zum Forschungs- und Entwicklungsstandort Chemnitz. Gleichzeitig sollten wir von Beginn an ein kluges Erwartungsmanagement betreiben. Denn die berühmte eierlegende Wollmilchsau gibt es auch hier nicht. Unsere Fraktionsgemeinschaft hatte sich im November letzten Jahres intensiv mit dem Thema befasst. Wir hatten verschiedene Vertreter:innen aus Unternehmen und Herrn Meiwald von der CVAG zu einer Veranstaltung in den Moritzhof eingeladen, um Chancen und Perspektiven von automatisiertem Fahren für unsere Stadt zu diskutieren.

Was vielen gar nicht bewusst ist: Chemnitz ist einer der führenden Standorte zur Forschung und Entwicklung für das autonome und automatisierte Fahren. Das Potential dieser Branche ist enorm und die Bedeutung für Chemnitz hoch. Das technologische Know-How für die Erstellung eines solchen Konzeptes ist in unserer Stadt auf jeden Fall vorhanden. In der Veranstaltung wurden auch Pilotprojekte für autonomen ÖPNV aus der Hamburger Hafencity, dem Landkreis Nordsachsen oder das digitale Testfeld Bahn im Erzgebirge vorgestellt. Es ergibt viel Sinn, bei der Erstellung des Chemnitzer Konzeptes solche Erfahrungen mit einzubeziehen. Denn die reale Praxis im dichten Stadtverkehr ist schon sehr herausfordernd. Es ist gut, dass die CVAG sich dem Thema stellt und gemeinsam mit Hörmann Vehicle Engineering ein Forschungsprojekt zu autonom fahrenden Schienenfahrzeugen gestartet hat. Bis 2025 soll der Prototyp auf einer Strecke im CVAG Betriebshof in den Testbetrieb gehen. Dort können dann auch Begegnungen mit zu Fuß Gehenden und Radfahrenden real simuliert werden.

Wichtig ist eine gute Kommunikation zum Thema Fahrpersonal ist. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass hier Menschen komplett mit Technik ersetzt werden sollen. Die Vorstellung, dass kein Personal mehr an Bord ist, löst auch bei manchen Fahrgästen Vorbehalte und Ängste aus. Natürlich kann die Technologie helfen, das ÖPNV-Angebot stabiler zu betreiben. Aber qualifiziertes Begleitpersonal bleibt erforderlich – gerade mit Blick auf die Fahrgastbetreuung. Insbesondere ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen können davon profitieren. Das Thema autonomes Fahren war auch schon im Mobilitätsplan enthalten, den die FDP-Fraktion in der letzten Ratssitzung abgelehnt hatte. Ja, wir hätten gerne eine Gesamtkonzeption beschlossen. Das ist aber leider gescheitert. Und trotzdem bleiben wir in der Pflicht, die Themen einer zukunftsfähigen Mobilität weiter voranzutreiben.

Restmüllverwertung

Zu diesem Thema hatte meine Fraktionsgemeinschaft einen Antrag eingereicht, der nicht zur Abstimmung kommen konnte. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begleiten dieses Thema seit den Neunziger Jahren. Damals fand ein erfolgreiches Bürgerbegehren gegen Müllverbrennung statt. Die Chemnitzerinnen und Chemnitzer wollten keine Müllverbrennung in der Stadt. Schon damals gab es Streit im Abfallwirtschaftszweckverband Chemnitz (AWVC). Die anderen Verbandsmitglieder sahen sich nicht an das Chemnitzer Bürgerbegehren gebunden. Doch zumindest für die Restabfallmengen aus der Stadt Chemnitz sollte eine thermische Restabfallbehandlung ohne vorherige mechanische und biologische Behandlung zur Gewinnung von Wertstoffen ausgeschlossen bleiben. Das hatte der Chemnitzer Stadtrat am 4.10.2000 ohne Gegenstimmen beschlossen. Im Ergebnis der Kompromisssuche entstand die Restabfallbehandlungsanlage (RABA) am Weißen Weg, die den Restabfall aus dem Verbandsgebiet für die Methanol-Herstellung aufbereitete.

Das alles ist über 20 Jahre her. Die Methanol-Erzeugung in Spremberg ist lange eingestellt. Die Sortierreste aus der RABA wurden mehrfach optimiert – für die Zementherstellung oder die Mitverbrennung in der Braunkohle. Inzwischen landet Chemnitzer Restabfall in der Müllverbrennung in Sachsen-Anhalt. Mit der anstehenden Neuvergabe der Entsorgungsleistung für die Restabfälle des AWVC stellt sich nun die Frage, welche Auswirkung die alte Beschlusslage des Chemnitzer Stadtrates auf die Entscheidung des Verbandes hat. Gemäß Stellungnahme der Verwaltung kommt unser Beschlussantrag zu spät. Die Messen im Verband sind längst gelesen. Die Ausschreibungsmodalitäten für den Restabfall wurden vor über einem Jahr vereinbart. Das ohne Vorbehandlung ausgeschrieben wird, ist faktisch beschlossene Sache.

Wir sind als Fraktion nicht im Verband vertreten. Auf der Internetseite vom AWVC gibt es zur Ausschreibung keine öffentlichen Informationen. Die Infos zur Ausschreibung haben unsere Fraktionsgemeinschaft, aber auch die Öffentlichkeit erst mit der jetzt vorliegenden Stellungnahme erreicht. Nun steht in der Stellungnahme, dass es Verhandlungsversuche der Chemnitzer Verbandsräte gegeben habe. Das stellen wir nicht in Frage. Was unsere Fraktionsgemeinschaft aber in Frage stellt ist, dass diese Verhandlungsversuche am Argument der fast doppelt so hohen Entsorgungskosten mit vorbehandelten Abfällen gescheitert sind. Wir können das nicht nachvollziehen. So eine Aussage kann doch erst im Ergebnis einer Ausschreibung getroffen werden? Wenn man den Markt gar nicht erst befragt, kann man das Ergebnis doch nicht vorwegnehmen! Seit den Entscheidungen zur Ausschreibung im Verband haben sich die Rahmenbedingungen für diese Ausschreibung dramatisch verändert. Die Rohstoffpreise sind weiter gestiegen. Die Rückgewinnung von Wertstoffen wird dadurch wirtschaftlicher. Inzwischen ist auch die Müllverbrennung nicht mehr vom Emissionshandel befreit. Das hat Einfluss auf die Höhe der Abfallgebühren. Und auch bei der Energiewende entstehen neue Fragen: Gas ist seit diesem Jahr noch einmal extrem teuer geworden. Aber solange Sonne und Wind den Energiebedarf noch nicht decken, braucht es natürlich für eine Übergangszeit lagerfähige Brennstoffe. Die Ersatzbrennstoffe aus der Restabfallbehandlung sind lagerfähig, unbehandelter Restabfall hingegen lässt sich nicht dauerhaft lagern.

Es hatte keinen Sinn, unseren Antrag zur Abstimmung zu stellen. Denn er zielte ja auf eine Verhandlung im AWVC, die bereits stattgefunden hat. Der Antrag ist entstanden, weil der ehemalige Verbandsvorsitzende Miko Runkel weder den Ausschuss noch den Stadtrat von den Entscheidungen im AWVC informiert hat. Wir haben den Antrag daher zurückgezogen und dies mit einer Bitte an den neuen Verbandsvorsitzenden verbunden: Es wäre sehr wichtig, über Verhandlungen und Entscheidungen im AWVC in geeigneter und zulässiger Form den Fachausschuss zu informieren. Dazu ist der neue Fachbürgermeister Knut Kunze zwar nicht verpflichtet, aber es geht ja um die Zukunft der Restabfallbehandlung und die Chemnitzer Abfallgebühren. Es macht Sinn, hier noch mal gemeinsam darüber zu beraten. Vielleicht findet sich ein Weg, die Ausschreibung zumindest teilweise um die Möglichkeit eines Nebenangebotes mit Vorbehandlung zu ergänzen. Dann läge ein konkretes Angebot auf den Tisch. Die Menschen im Chemnitzer Norden wollen keine Müllverbrennung vor der Nase, die Chemnitzerinnen und Chemnitzer wollen bezahlbare Abfallgebühren. Auf der Grundlage eines konkreten Angebotes würden eventuelle Zusatzkosten für eine Vorbehandlung des Abfalls zur Wertstoffgewinnung oder Ersatzbrennstoffherstellung darstellbar. Und dann könnte plausibel und transparent erklärt werden, warum man sie sich dafür oder auch dagegen entscheidet.

Jahresrückblick

Der Tagesordnungspunkt zur Restabfallbehandlung war zugleich der letzte der Sitzung. Damit ging ein arbeitsintensives Jahr zu Ende. Insgesamt 44 Stunden haben allein die Ratssitzungen im Jahr 2022 gedauert. Fast 300 Vorlagen wurden im Stadtrat behandelt – ganz abgesehen von den weiteren unzähligen Vorlagen und Stunden in den Fachausschüssen und Fraktionssitzungen. Bei der öffentlichen Wertschätzung dafür gibt es in Chemnitz Luft nach oben. Fakt ist: Ohne dieses arbeitsintensive Ehrenamt funktioniert die kommunale Demokratie nicht.

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