Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen − Zschocke: Diskriminierung durch Wahlrechtsausschlüsse noch in dieser Legislatur beenden!

“Gesetz zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht”

Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE, 2. Lesung, 30. Januar, Drs 6/15216, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Wahl-Recht ist ein Menschen-Recht.

Im Sommer sind in Sachsen Wahlen zum Land- Tag.

Bei der Wahl entscheiden die Menschen,

welche Partei unser Land regieren soll.

Und welche Menschen das Land regieren sollen.

Meine Partei heißt Die GRÜNEN.

Wir haben neue Regeln für die Wahl aufgeschrieben.

Diese Regeln stehen in einem Gesetz.

Das Gesetz heißt ‘Gesetz zur Umsetzung der UN- Behinderten- Rechts- Konvention im Wahl- Recht’

Die Regeln sollen die Wahl einfacher machen.

Es gibt für manche Menschen Hindernisse bei der Wahl.

Deshalb gehen sie nicht hin.

Wir wollen die Hindernisse abschaffen.

Wir wollen, dass Menschen ohne Hindernisse wählen können.

Und ohne Hindernisse in den Wahl-Raum gehen können.

Und Hilfe bekommen, wenn sie die brauchen.

Damit wollen wir verhindern,

dass manche Menschen nicht an der Wahl teilnehmen können.

Meine Damen und Herren,

es ist schwer, etwas in leichter Sprache zu sagen. Aber für viele Menschen ist Politiker-Sprache oder die Sprache der Gesetzestexte schwer oder gar nicht zu verstehen.

Artikel 29 der UN-Behindertenrechtskonvention sieht vor, dass Menschen mit Behinderungen ihre politischen Rechte, insbesondere das Wahlrecht, gleichberechtigt mit anderen wahrnehmen können. Dennoch schließen die wahlrechtlichen Bestimmungen in Sachsen viele Menschen mit Behinderungen automatisch vom Wahlrecht aus. In Sachsen ist es reichlich 4.000 Menschen mit Behinderungen gesetzlich versagt, zu wählen. Betroffen sind vor allem Menschen, bei denen eine Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet ist. Wir wollen diese Diskriminierung noch in dieser Wahlperiode abschaffen und gleichzeitig den Zugang zu Wahlen für alle Wählerinnen und Wähler erleichtern.

Die Beratungen in den Ausschüssen haben gezeigt: Die Koalition spielt weiter auf Zeit. Sie warten die Beseitigung von Wahlrechtsausschlüssen auf Bundesebene ab und reden sich damit heraus, dass noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage aussteht. Die Hinhalte-Taktik der Regierungsfraktionen führt dazu, dass die betroffenen Personen bei der Europa-, Kommunal- und Landtagswahl in diesem Jahr wieder nicht mitwählen können.

Der Landtag kann aber bereits jetzt verfassungskonforme Änderungen beschließen. Andere Bundesländer machen es vor: In Brandenburg, Bremen, NRW und Schleswig-Holstein sind die Wahlausschlüsse bereits aufgehoben. Auf der Bundesebene besteht ja auch Einigung, den Wahlrechtsausschluss von Menschen mit Vollbetreuung zu beenden. Es ist an der Zeit, endlich gleichberechtigte Teilhabe am Wahlrecht zu ermöglichen. Es kann nicht sein, dass volljährigen Staatsbürgern dieses zentrale Bürgerrecht gerade in einem Wahljahr weiterhin vorenthalten wird. Betreuung bedeutet doch nicht, dass Menschen nicht entscheidungsfähig sind. Betreuung bedeutet vielmehr, dass sie Unterstützung brauchen, um Entscheidungen zu treffen.

Unser Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass ab dem 1. Januar 2023 alle Wahllokale barrierefrei sein müssen. Bis dahin ist eine Übergangsfrist vorgesehen, die es den Kommunen erleichtert, sich vorzubereiten. Dem Gesetz wird in diesem Zeitraum auch entsprochen, wenn mindestens ein barrierefreier Wahlraum pro Wahlkreis in zumutbarer Entfernung zu Fuß oder mit Anbindung an den ÖPNV erreichbar ist. Die geforderte bessere Erreichbarkeit und Barrierefreiheit der Wahlräume kommt am Ende allen zu Gute.

Beim Neujahrsdialog des Landesbehindertenbeauftragten wurde von vielen Teilnehmenden darauf hingewiesen, dass ein zentrales Koalitionsversprechen noch immer nicht umgesetzt ist: Ein Inklusionsgesetz für Sachsen. Vor zwei Jahren hat Herr Pöhler – unter breiter Beteiligung von Betroffenen – Empfehlungen für ein solches Gesetz formuliert. Doch ein Gesetzentwurf der Koalition liegt bis heute nicht vor.

Nun habe ich der Zeitung entnommen, das Ihr Inklusionsgesetz im Juli kommen soll. Entgegen der bisherigen Haltung, erst das BVG-Urteil abzuwarten, wollen Sie die Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse mit dem Gesetz doch noch in dieser Legislatur auf den Weg bringen.

Aber wenn es Ihnen wirklich ernst ist mit der Beseitigung der Wahlrechtsausschlüsse, dann müssen Sie heute zustimmen, denn im Juli wird das dann keinerlei Auswirkungen mehr auf dieses Wahljahr haben.

>> Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ‘Gesetz zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht’ (Drs 6/15216)

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