Wir kämpfen für eine bessere Agrarpolitik in Europa, die faire Wettbewerbsbedingungen bietet

Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD: „Inländischen Getreidemarkt stabilisieren, Verbraucherschutz stärken – Billigimporte spürbar einschränken und regulieren“ (Drs 7/13541)
73. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 05.07.2023, TOP 10

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

der Antrag ist überflüssig, die geforderten Aktivitäten erfolgen bereits oder sind wirkungslos. Harmlos ist der Antrag deshalb aber nicht. Denn im Kern fordert er das Ende der Handelserleichterung und damit eine deutliche Schwächung der von Russland angegriffenen Ukraine. Die gemeinsam in der EU beschlossenen befristeten Handelserleichterungen für die Ukraine wurden aus Solidarität vereinbart. Wenn nun nach Polen und Ungarn weitere EU-Staaten die Getreideimporte aus der Ukraine stoppen würden, würde das nicht nur Zuständigkeiten und Kompetenzen in Europa untergraben, sondern auch die gemeinsam in der EU beschlossene Unterstützung. Von dieser Uneinigkeit würde niemand profitieren außer der Kriegstreiber Putin.

Es ist völlig richtig, dass der Transit von Waren aus der Ukraine nicht zu Verwerfungen in der EU führen darf. Deswegen setzt sich die Bundesregierung bereits dafür ein, dass ukrainische Agrarprodukte so schnell und reibungslos wie möglich aus der EU in andere Märkte ausgeführt werden können, insbesondere in den globalen Süden, wo sie zur Ernährungssicherung dringend benötigt werden. Das brauchen wir nicht beschließen, das passiert bereits.

AfD-Propaganda in Krisenzeiten

Natürlich sind die Folgen der russischen Aggression unmittelbar für die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Betriebe spürbar – vor allem durch Inflation und Energiepreisentwicklung, aber auch durch Lieferengpässe nach Beginn des Krieges. Regelmäßig versucht die AfD-Fraktion aus diesen Folgen politisches Kapital zu schlagen, Staat und Regierung als unfähig zur Bewältigung der Krisen darzustellen oder diese sogar für Kriegsfolgen und Krisen verantwortlich zu machen.

Heute versuchen Sie das anhand der Getreideimporte aus der Ukraine. Diese haben zwar mit unter fünf Prozent Anteil an den Getreideeinfuhren für den deutschen Getreidemarkt kaum eine Bedeutung. Aber das Thema bietet sich an. Es ist aktuell, es polarisiert, es hat Erregungspotenzial: Billigimporte aus der Ukraine, die den hiesigen Bauern die Existenz zerstören und sogar den Verbraucherinnen und Verbrauchern schaden könnten.

Dass wir den Antrag ablehnen werden, haben Sie sicher bereits auch schon einkalkuliert. Damit lassen sich ihre Schuldzuweisungen einfacher adressieren – an die GRÜNEN, die die heimische Landwirtschaft ruinieren würde oder an die CDU, die sich von den GRÜNEN am Nasenring herumführen lassen würde.

Das passt alles sehr gut ins Bild der AfD-Propaganda. Und ja, sie werden einige damit erreichen. Die Ressentiments gegen wirtschaftliche und militärische Unterstützung der angegriffenen Ukraine sind hierzulande groß. Einige stehen Europa insgesamt skeptisch gegenüber. Das Gefühl, die EU würde die Nationalstaaten entmündigen und ihnen schaden, ist auch in Sachsen verbreitet.

Gemeinsames und abgestimmtes Handeln innerhalb der EU ist entscheidend

Doch ich will es deutlich sagen: Gemeinsames und abgestimmtes Handeln innerhalb der EU ist aktuell dringend und zwingend, um der russischen Aggression, aber auch den global wirkenden Marktmächten ein gewisses Gewicht entgegenzusetzen. Es ist nun mal bittere Realität, das auch mit Getreide spekuliert wird – gerade in Krisenzeiten. Dazu kommen globale Marktkonzentrationen großer Agrarkonzerne. Deswegen ist eine gemeinsame und abgestimmte Handelspolitik in Europa wichtiger denn je, weil nur so überhaupt wirksam Einfluss genommen werden kann. In diesem Sinne hat die EU bereits agrarpolitische genauso wie handelspolitische Maßnahmen verabschiedet zur Bewältigung der aktuellen Situation verabschiedet. Abschottung ist keine Lösung.

Der Antrag verspricht zudem scheinheilig, den Hunger in Afrika mildern zu wollen. Als Mittel wird dann aber die Aussetzung steuer- und zollfreier Importe aus der Ukraine vorgeschlagen. Dabei haben gerade die Handelserleichterungen für ukrainische Agrarerzeugnisse einen Beitrag zur Stabilisierung der Weltmärkte geleistet. Die Preisrückgänge kommen sämtlichen Nachfragern weltweit zugute, insbesondere im globalen Süden. Zur globalen Ernährungssicherung wird die ukrainische Ware dringend am Weltmarkt benötigt.

Es braucht aber auch strukturelle Änderungen in der globalen Wirtschafts-, Handels- und Agrarpolitik, um echte Ernährungssouveränität zu erreichen. Deshalb muss die Entwicklungspolitik sich vor allem auf die Stärkung von Agrarökologie und der Umsetzung des Rechts auf Nahrung konzentrieren. Dazu gehören insbesondere die Stärkung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, der freie Zugang zu Saatgut und die Stärkung von Landrechten. Vor allem müssen Nahrungsmittelspekulation und die Spekulation mit Land effektiv eingedämmt werden.

Und nach der gescheiterten Reform der gemeinsamen Agrarpolitik kämpfen wir BÜNDNISGRÜNEN weiter für eine bessere Agrarpolitik in Europa, die den Landwirtschaftsbetrieben faire Wettbewerbsbedingungen bietet. Die Leistungen der Landwirtschaft für Natur-, Umwelt- und Klimaschutz müssen endlich einen Preis bekommen. Landwirtinnen und Landwirte müssen endlich auch betriebswirtschaftlich in die Lage versetzt werden, mit diesen Leistungen zusätzlich zu den landwirtschaftlichen Erzeugnissen ein tragfähiges Einkommen erwirtschaften zu können.

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