Wie Blockadehaltung gegen Windkraft zu unnötigen Baumfällungen führt 

Die Bäume im Neukirchner Wald fallen nicht wegen des Baus von Windrädern, sondern wegen des Widerstands gegen Windräder. Ob sich dieser nur gegen die geplanten Anlagen vor Ort richtet oder einer grundsätzlichen Antiwindkraft-Ideologie folgt, spielt für die zu fällenden Bäume keine Rolle. 

Foto: Windkraftanlagen in Mittelsachsen

Die JUWI GmbH plant in Leukersdorf (Jahnsdorf/Erzgebirge) die Errichtung und den Betrieb von drei großen Windenergieanlagen. Mit einem Rotordurchmesser von 150 und einer Nabenhöhe von 169 Metern werden diese weithin sichtbar sein und einen nicht übersehbaren Eingriff in das gewohnte Landschaftsbild darstellen. Doch unberührte Landschaft gibt es in diesem Bereich schon lange nicht mehr: Die Anlagen entstehen an einer lärmenden, vierspurigen Autobahn neben dem neuen Autobahnparkplatz „Am Neukirchner Wald“. In der Nähe befinden sich auch Siedlungsgebiete von Jahnsdorf und Neukirchen. Diese haben sich in den letzten Jahrzehnten weiter in die Landschaft ausgedehnt. Viele Familien haben sich den Wunsch vom Eigenheim auf der grünen Wiese erfüllt – verbunden mit dafür notwendiger Erschließung, Versiegelung und Straßenneubau. Hier befinden sich aber auch der Steinbruch Leukersdorf, der wegen Staub, Krach und Sprengungen immer wieder Protest hervorruft sowie der Verkehrslandeplatz Chemnitz-Jahnsdorf, der durch Rundflüge weithin hör- und sichtbar ist. Im Neukirchner Wald, der von den Anwohnerinnen und Anwohnern gern zur Naherholung genutzt wird, befinden sich zudem die ausgedehnten Anlagen der Betriebsstätte Neukirchen der Eifrisch – Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG – einer der größten Legehennen-Betriebe in Sachsen.  

Widerstand von Anliegern und Gemeinde

Während in anderen Regionen Sachsens bei der Einweihung neuer Windräder ein Dorffest gefeiert wird, hat sich in Jahnsdorf und Neukirchen ein von den Gemeinderäten und Bürgermeistern getragener Widerstand gebildet – unter anderem auch befeuert von der AfD. Alle erdenklichen Argumente gegen Windkraft wurden vorgetragen, ein Bebauungsplan zur Verhinderung der Anlagen beschlossen und die Befahrung der Grundstücke verweigert. Nach Gerichtsentscheid genehmigte das Landratsamt letztendlich den Bau der Anlagen. 

Es ist in Ordnung, wenn Bürger und Gemeinden alle Mittel des Rechtsstaates nutzen, um ihre Interessen zu vertreten. Nicht in Ordnung ist es, wenn die Ergebnisse rechtsstaatlicher Verfahren negiert und verdreht werden. Das nun über 120 Bäume gefällt werden müssen, um die Zuwegung während der Bauphase zu ermöglichen, ist nicht der Windkraftplanung geschuldet, sondern der Verweigerungshaltung von Anliegern und der Gemeinde.

Zuwegung über vorhandene Wege

Die Fällung von 126 Lärchen, Eichen und Birken im Neukirchener Wald wäre ohne diese – zum Teil auch ideologische – Blockade nicht notwendig. Denn ursprünglich plante das Unternehmen Zuwegungsvarianten über vorhandene Wege im Offenland. Doch die Eigentümer stimmten nicht zu. Bei einer Variante erklärte sich zwar der Privatgrundbesitzer einverstanden, weil aber ein öffentliches Grundstück auf dem Weg liegt, kam es zur Verweigerung dieser Variante durch die Gemeinde Jahnsdorf. Auch eine Kooperation mit Eifrisch zur Nutzung von Wegen im Firmengelände wurde von Eifrisch verweigert. Die einzig verbleibende Variante für die Zuwegung während der Bauphase verläuft durch Staatswaldflächen über einen Forstweg, der dafür verbreitert werden muss. Diese alternativlos gewordene Zuwegung muss für das bereits genehmigte Vorhaben gewährt werden.

Wenn nun wegen der Baumfällungen besorgte Bürgerinnen und Bürger dem Sachsenforst dafür die Verantwortung zuschieben, lenkt dies von den tatsächlichen Ursachen für die entstandene Situation ab. Und diese liegen mehrere Jahre zurück: Bereits im Januar 2021 beschloss der Gemeinderat Jahnsdorf einstimmig, die Windkraftanlagen abzulehnen. Der Jahnsdorfer Bürgermeister begründete die ablehnende Haltung mit einer befürchteten Beeinträchtigung der Lebensqualität der Leukersdorfer. Die Ablehnung sei bezogen auf die vor Ort geplanten Anlagen. Es sei keine grundsätzliche Ablehnung von Windkraft, man sei sich der Notwendigkeit der Nutzung regenerativer Energiequellen bewusst. 

Rechtsstreit und Genehmigung

Um seine Haltung zu zementieren, stellte der Gemeinderat im November 2021 einen Bebauungsplan für das Gebiet auf und beschloss eine sogenannte Veränderungssperre. Das ist im Allgemeinen ein zulässiges Verfahren, um eine unerwünschte Bebauung mit entsprechenden Festsetzungen im Bebauungsplan auszuschließen. Allerdings wurde diese konkrete Verhinderungsplanung von JUWI beklagt. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen bestätigte im Juni 2022 die Klage und das Landratsamt erteilte im März 2023 die Genehmigung.  

Der Bürgermeister von Jahnsdorf verwies nach Urteil und erteilter Genehmigung auf die wahrscheinliche Erfolglosigkeit der Gründung einer Gegenwind-Bürgerinitiative. Während auch der Neukirchner Bürgermeister mit Verweis auf Bundes- sowie Landesgesetzgebung den Rückzug vom Widerstand antrat („dass wir als Rat und Verwaltungsorgan alles in unseren Möglichkeiten stehende getan haben, um diese Situation abzuwenden.“), ging ein AfD-Bundestagsabgeordneter in die Offensive und mobilisierte zu einer nicht angezeigten Versammlung. Zahlreiche Anwohnerinnen und Anwohner folgten am 10.09.23 dem Aufruf der AfD in den Neukirchner Wald (Ergänzung vom 26.10.: Anwohner wiesen mich darauf hin, dass sie nicht dem Aufruf der AfD folgten, sondern an einem Vorort Termin mit der Freien Presse teilnahmen). Auf Bannern und Plakaten ging es um grundsätzliche Ablehnung von Windkraftanlagen. Auf einem Plakat wurden zudem GRÜNE für „Lebensraumvernichtung“ verantwortlich gemacht. 

Wird die Region so zukunftsfähig?

Die Bäume im Neukirchner Wald fallen nicht wegen des Baus von Windrädern, sondern wegen des Widerstands gegen Windräder. Ob sich dieser Widerstand nur gegen die geplanten Anlagen vor Ort richtet oder einer grundsätzlichen Antiwindkraft-Ideologie folgt, spielt für die zu fällenden Bäume keine Rolle. Ohne diesen Widerstand könnten sie erhalten bleiben. Mich macht das traurig und ratlos. Ich frage mich, wie wir bei solcher Kooperationsverweigerung zum Ausbau Erneuerbarer Energien den wirtschaftlichen Anschluss behalten und den Aufholprozess im Wettbewerb der zukunftsfähigen Region schaffen wollen. Beim “Berggeschrey” in Annaberg wird für bezahlbare Energie und gegen Windkraft im Erzgebirge demonstriert. Ich kann diesen Widerspruch nicht nachvollziehen. Denn die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen brauchen dringend bezahlbare Energie. Am besten ist es, diese vor Ort selbst, klimafreundlich und im Einklang mit der Natur zu erzeugen, anstatt fossile Energie immer teurer einkaufen zu müssen. 

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