Die Bauernproteste sind beeindruckend. Das Protestanliegen ist richtig und wird von uns von Anbeginn unterstützt. Nach der CDU-Verfassungsklage entstand im Bund eine haushaltspolitische Notlage. Diese darf nicht einseitig zu Lasten der Bauern gelöst werden. Wie Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir fordern die BÜNDNISGRÜNEN in den Bundesländern die Beibehaltung der Agrardieselsubvention. Der Abbau klimaschädlicher Subventionen ist dann sinnvoll, wenn er zu Einsparungen führt. Aber hier wird kein Tropfen Diesel eingespart. Denn die Bauern müssen die Felder bearbeiten. Und ausreichende Alternativen zu Dieseltraktoren gibt es nicht. In der Bundesregierung gibt es gegensätzliche Vorstellungen zur Agrardieselsubvention. Der Vorschlag einer schrittweisen Streichung ist ein Kompromiss zwischen Beibehaltung und sofortiger Beendigung.
Landwirtschaft in einer strukturellen Krise
Die Diskussion um die Agrardieselsubvention löst aber nicht die Probleme der Bauern. Denn die Landwirtschaft ist in einer strukturellen Krise. Ein “Weiter so” kann in Zeiten abnehmender Artenvielfalt, immer schwieriger werdenden Anbaus auf Grund von klimatischen Veränderungen oder der Zunahme von Extremwetter nicht funktionieren. Wir BÜNDNISGRÜNEN sind die einzigen, die diese strukturellen Krisen ganzheitlich anpacken wollen. Wir wollen die Einkommensperspektive für Landwirte verbessern, beispielsweise durch mehr Direktvermarktung, mehr regionale Absatzmöglichkeiten oder durch eine konsequente Vereinfachung der Agrarförderung. Wir wollen auch dem Ausverkauf der Landwirtschaftsflächen einen gesetzlichen Riegel vorschieben.
Bauernverband im CDU-Wahlkampf
Logisch würde nun erscheinen, dass von den Protestierenden die politischen Kräfte unterstützt werden, die für ihre Interessen kämpfen. Doch genau das Gegenteil geschieht: Die Wut der Bauern wurde vor allem auf uns BÜNDNISGRÜNE gelenkt. So richten sich die Proteste besonders gegen die, die das Anliegen der Protestierenden vertreten.
Bei dieser – scheinbar unlogischen – Vorgehensweise spielt der Bauernverband eine zentrale Rolle: Er hat sich von der parteipolitischen Neutralität verabschiedet und leistet öffentlich Wahlkampfunterstützung für CDU und Ministerpräsident. Der CDU-Parteilinie folgend sind der Hauptfeind die Grünen. Demnach ist es folgerichtig, dass wir in den Fokus der Proteste gestellt werden und dem sächsischen Landwirtschaftsminister das Mikrofon auf der zentralen Kundgebung verweigert wird.
Verteidigungsmistgabeln und Ablenkmanöver
Es verwundert auch nicht, dass die Mistgabel des aggressiven Bauern auf dem umstrittenen Bild vom Instagram-Kanal der CDU-Landtagsfraktion als notwendiges Gerät für die Verteidigung gegen Grüne dargestellt wird. Im aktuellen Podcast der CDU-Landtagsfraktion wird erläutert, dass das Bild keinen Angriff, sondern eine defensive Haltung zeige nach dem Motto, „wie weit soll ich denn noch zurückweichen“ vor Grünen, die die Landwirte “extrem grenzwertig ausgrenzen und diffamieren”. Nach dieser so erzeugten Stimmung dürfen wir dankbar sein, dass die Bauern uns diese Woche nur Mistkübel vor die Büros gestellt haben.
Das wütende Anprangern überzogener Forderungen, mit denen angeblich wir Grünen die Landwirte traktieren, hilft den CDU-Wahlkampfstrategen. So können sie davon ablenken, dass CDU-Landwirtschaftsminister seit Jahrzehnten notwendige Anpassungen in der Landwirtschaft verhindert oder ausgesessen haben: Die Folgen sind mehr Abhängigkeit von schwankenden Weltmarktpreisen, Preisdumping der Handelskonzerne, fehlende regionale Kreisläufe mit fairen Preisen, Probleme bei der Nachwuchsgewinnung, schlechte Resilienz gegen Extremwetterereignisse und eine nicht mehr beherrschbare Agrarbürokratie.
Ein eigenwilliges Ultimatum
Die Protestwoche endet mit einem Ultimatum, welches der Landesbauernverband stellt: Wenn die wegen Softwareproblemen verzögerte Auszahlung der EU-Direktzahlungen nicht bis Ende Januar erfolge, würde der Bauernverband vom Ministerpräsidenten den Rücktritt des Landwirtschaftsministers fordern und einen aus seiner Sicht geeigneten Alternativkandidaten vorschlagen. Begründet wird dies mit der falschen Behauptung, dass es vom aktuellen Minister keine Bemühungen gäbe, die Gelder rechtzeitig auszuzahlen.
Dieses Getöse irritiert die Öffentlichkeit in mehrfacher Hinsicht: An welcher Stelle im Koalitionsvertrag ist geregelt, dass der Landesbauernverband den Landwirtschaftsminister vorschlägt? Und wie würde ein Ministerrücktritt zur Lösung der entstandenen Softwareproblemen beitragen?
Nicht den Demokratiefeinden das Feld bereiten
Der Protest für faire Bedingungen in der Landwirtschaft ist legitim und notwendig. Aber allgemeine Unterstützungsbekenntnisse reichen nicht. Wir Verbraucherinnen und Verbraucher müssen unsere Solidarität mit den einheimischen Bauern auch beim Kauf der Lebensmittel zeigen. Und als Entscheider in Verbänden und Politik müssen wir miteinander reden, statt übereinander. Es ist wirklich schade, dass der Landesbauernverband die Einladung zum Ministerdialog diese Woche ausgeschlagen hat.
Das gesellschaftliche Klima in Deutschland und Sachsen ist extrem aufgeheizt. Nicht gegeneinander, sondern nur gemeinsam schaffen wir es, dass die Landwirtschaft hierzulande Wertschätzung und eine wirtschaftliche Perspektive erhält. Dabei müssen alle konstruktiv, friedlich und auf Augenhöhe agieren. Alles andere bereitet den Demokratiefeinden von AfD und Freien Sachsen das Feld.