Pflanzenschutz in der Landwirtschaft: Pflanzenschutzmittel auf das unverzichtbare Minimum begrenzen

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Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Bedarfsgerechter Pflanzenschutz im Freistaat Sachsen“ (Drs 7/15589)

83. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 01.02.2024, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel muss weltweit drastisch reduziert werden. Sonst droht nichts weniger als der Zusammenbruch ganzer Ökosysteme. Das ist keine angeblich grüne Ideologie. Über diesen Fakt gibt es seit Jahrzehnten in der Wissenschaft eine große Klarheit.

Zwei Drittel aller Arten der Agrarlandschaft stehen mittlerweile auf den roten Listen der bestandsbedrohten Tier- und Pflanzenarten. Pflanzenschutzmittel stellen nicht nur bei Insekten, sondern auch bei Vögeln und Fledermäusen eine große Ursache für beängstigende Bestandsrückgänge dar.

Auch die Lebensmittelkontrollen weisen immer wieder PSM-Rückstände auf. Die bestehenden Regeln führen zumindest dazu, dass Produkte aus der EU deutlich weniger mit Rückständen belastet sind als außereuropäische. Anlass zur Beruhigung ist das aber nicht. Auch die Gesundheit der Beschäftigten in der Landwirtschaft gewinnt bei einer stärkeren Reduktion.

Nun gibt es aber seit Jahrzehnten auch massive Widerstände aus der Industrie und der Landwirtschaft selbst gegen diese Reduktionsbemühungen. Das krebserregende Pflanzengift Glyphosat wurde gerade erst wieder für weitere zehn Jahre zugelassen. Hochgefährliche Pestizide, die in der EU verboten sind, werden trotzdem nach Afrika, Asien und Lateinamerika exportiert.

Dabei gibt es für viele Wirkstoffe inzwischen alternative Mittel und Verfahren. So zeigen zum Beispiel konventionelle Landwirte aus Frankreich, dass es entgegen den Behauptungen aus der Industrie auch funktionierende Alternativen zum umstrittenen Einsatz von Glyphosat gibt. Immer mehr Kommunen verzichten auf den eigenen Grünflächen darauf. Auch meine Stadt Chemnitz. Dort ist seit März 2018 nicht nur die Anwendung von Glyphosat, sondern aller chemischer Herbizide auch auf den landwirtschaftlichen Pachtflächen vertraglich untersagt.

Auch der ökologische Landbau bietet hier enorme Vorteile. Auf langjährig ökologisch bewirtschafteten Flächen, auf denen keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt werden, wachsen 17-mal so viele unterschiedliche Pflanzen wie auf Flächen, die erst wenige Jahre zuvor auf ökologische Landwirtschaft umgestellt wurden.

Wir wollen mit diesem Antrag einen Beitrag leisten, den Systemwechsel hin zu einer größeren Unabhängigkeit von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu befördern. Auch im Koalitionsvertrag haben wir eine sächsische Reduktionsstrategie vereinbart. Wie bei vielen anderen Transformationsthemen braucht es eine klug ausbalancierte Strategie, denn Sachsen ist keine Insel in Europa. Es macht keinen Sinn, wenn zum Beispiel Winzer und Obstbauern hierzulande ihre Betriebe aufgeben aufgrund von Vorgaben, die schon an der Grenze zu Nachbarstaaten nicht mehr gelten.

Der Antrag hat zum Ziel, aufzuzeigen, wie der Einsatz minimiert werden kann, welche Alternativen zur Verfügung stehen, wie der integrierte, ökologische Anbau weiter ausgebaut werden kann und wie die Unternehmen bei der Umstellung unterstützt werden.

Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln werden EU-weit geprüft und dann national genehmigt. Wenn sie auf EU-Ebene verboten werden, können Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen auch auf nationaler Ebene nicht mehr angewendet werden. Auch Wirkstoffe, die bestimmte Kriterien in Hinsicht auf die Gesundheit oder die Umwelt nur bis zu einem bestimmten Maß nicht erfüllen, dürfen nur zugelassen werden, wenn es keine wirtschaftlichen und praktikablen Alternativen gibt, die deutlich sicherer für Mensch oder Umwelt sind.

Das ist die Rechtslage. Die muss am Ende aber auch in der Praxis funktionieren. Es gibt pflanzenschutzintensive Kulturen im Wein-, Obst und Gemüsebau. In Situationen mit erhöhtem Auftreten von Schaderregern sind hier praktikable Möglichkeiten notwendig, diese auch gezielt bekämpfen zu können. Sonst können die Qualitätsstandards nicht gehalten werden. Ertragsunsicherheiten bis hin zu Missernten sind die Folge. Dies betrifft nicht nur den konventionellen Anbau, sondern auch den ökologischen. Wenn gerade im Weinbau die Betriebe aufgeben, hätte das dann auch zum Beispiel dramatische Folgen für die wertvolle Kulturlandschaft an der Elbe.

Bei allen dringend notwendigen Reduktionsstrategien müssen die Rahmenbedingungen so gestaltet sein, dass die Betriebe weiter in Sachsen produzieren können. Hierfür hat sich zum Beispiel der weinbaupolitische Sprecher meiner Fraktion, Valentin Lippmann, stark gemacht. Die spezifischen territorialen Bedingungen in den sächsischen Weinbaugebieten lassen sich nun mal nicht einfach ändern. Es gab im Herbst vergangenen Jahres dazu einen sehr konstruktiven Austausch von Bundesminister Özdemir mit den sächsischen Weinbauverbänden im Weingut Hoflößnitz. Die Unternehmen stehen im europäischen Wettbewerb und das Bundeslandwirtschaftsministerium hat solche Zielkonflikte bei den Verhandlungen auf EU-Ebene im Blick.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Pflanzenschutzmittel bergen enorme Risiken für die Umwelt sowie für die Gesundheit von Menschen und Tier. Sie müssen auf das unverzichtbare Minimum begrenzt werden. Einträge in die Umwelt und Auswirkungen auf Nichtzielorganismen müssen weitgehend ausgeschlossen sein. Gleichzeitig muss aber die regionale Produktion von hochwertigen Lebensmitteln weiter gewährleistet bleiben. Wir fordern die Landesregierung auf, sich für eine noch konsequentere Umsetzung des Integrierten Pflanzenschutzes einzusetzen und die Betriebe dabei zu unterstützen. Mit den Kompetenzzentren beim Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie stehen starke Partner bei der betriebsspezifischen Entwicklung von wirtschaftlichen Alternativen zur Verfügung.

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