Ein Besuch in Scheibenberg ist wie eine Reise in meine Kindheit. Viele schöne Ferientage habe ich hier verbracht – vor allem in der Natur und im Wald. Und auch der Holzgeruch in der Werkstatt von Zimmerermeister Ralf Kretschmar in der Silberstraße 1 ist verknüpft mit vielen positiven Assoziationen beim Umgang mit dem Bau- und Werkstoff Holz. Wald und Holz sind essentiell für unser Wohlbefinden und gutes Leben. Die heimischen Wälder mit allen Sinnen aufzusuchen und wieder mehr Holz in unserem Lebensumfeld einzusetzen, hilft uns, die wachsende Entfremdung von der Natur zu überwinden.
Dass Holz ein Baustoff mit hervorragenden Eigenschaften ist, zeigt uns Ralf Kretschmar an der Baustelle an einer der ältesten Bergmeisterkapellen des Erzgebirges. Die Rekonstruktion der aufwendigen Dachkonstruktion gelingt mit erfahrener Handwerkskunst und einheimischem Holz. Dass solche Konstruktionen Jahrhunderte überdauern, können wir direkt nebenan in St. Johannis bestaunen. Und alte Balken und Bohlen können wiederverwendet werden – wie bei den von 2009-2012 durch die Firma Holzbau Kretschmar erfolgten Sanierungsarbeiten am Kirchturm. Natürlich belassenes, unhandeltes Holz ist ein zu 100 Prozent kreislauffähiger Wertstoff, also Cradle to Cradle im besten Sinne.
Holzbau Kretschmar ist einer der Netzwerkbetriebe im Pilotprojekt zum „Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten für den Rohstoff Holz in der Region Südwestsachsen/Chemnitz“. Ziel dieses Projektes ist es, Wege aufzuzeigen, wie nachhaltige Holzbewirtschaftung in regionalen Wertschöpfungsketten funktioniert – beginnend beim Holzeinschlag über die Verarbeitung und Produktion bis zur Vermarktung. Das Zertifizierungsverfahren „Holz von Hier®“ bildet eine gute Grundlage, die Lieferketten und Transportentfernungen zu prüfen und als Vermarktungsvorteil zu nutzen. Weitere Netzwerkbetriebe sind neben Sägewerken und Händlern einige Zimmereien oder auch das Holzkombinat in Chemnitz oder die Tischlerei von Olaf Horlbeck.
Das bei der Kapellensanierung eingesetzte Holz kommt aus dem Forstbezirk Neudorf. Somit werden allein durch die Transportvermeidung mindestens 0,6 Tonnen CO2 gegenüber Holz unbekannter Herkunft oder 1,5 Tonnen CO2 gegenüber Holz aus Russland eingespart. Ähnliche Vorteile ergeben sich bei einem weiteren mit „Holz von Hier®“ zertifizierten Projekt, welches Ralf Kretschmar umsetzt: Den Lokschuppen der Deutschen Bahn in Schlettau.
Wir sprechen auch über Holz100, ein von der Firma Thoma entwickeltes massives Holzhaus-Bausystem und besichtigen einen Altbau mit H100 Elementen. Bei diesen Konzepten geht es nicht allein um kleine Einfamilienhäuschen – im Gegenteil: Holzbau ist auch ein Thema für große Stadthäuser, Verwaltungsgebäude bis hin zu Gewerbebauten. Holzbau Kretschmer ist ein Partnerbetrieb von Thoma.
Mich hat der Besuch ermutigt, unsere Holzbauoffensive weiter voranzutreiben und dabei das Thema Regionalität noch stärker in Sachsen zu verankern. Gerade jetzt, wo Wald in Sachsen brennt und stirbt sowie enorme Herausforderungen beim klimaangepassten Waldumbau anstehen, ist es wichtig, die großen Chancen regionaler Wertschöpfungsketten für den wertvollen, nachwachsenden Rohstoff Holz zu erschließen. Denn dies hat ganz klar auch positive Rückwirkungen auf eine nachhaltige, integrative und naturgemäße Waldbewirtschaftung.
Vielen Dank an Ralf Kretschmar für den inhaltsreichen Vormittag zu einem Baustoff, der der Umwelt, der Gesundheit und auch unserer Seele einfach gut tut.