Die Stadt Chemnitz hatte im europaweiten Vergleich von 60 Städten im Jahr 2017 die größten Methamphetamin-Rückstände im Abwasser.
Das geht aus der aktuellen Veröffentlichung (07.03.18) des ‚European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction‘ hervor. Die Studie erforscht die Drogenkonsumgewohnheiten der Bewohnerinnen und Bewohner anhand der Abwasseranalysen. 2017 wurden dabei 60 europäische Städten berücksichtigt, erstmals auch die Stadt Chemnitz.
„Die Zahlen sind im hohen Maß besorgniserregend“, kommentiert der Chemnitzer Landtagsabgeordnete Volkmar Zschocke, Fraktionsvorsitzender der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dieses Ergebnis. Er fordert die weitere Förderung von Crystal-Suchthilfeprojekten durch die Staatsregierung.
„In Chemnitz sind seit dem Jahr 2015 drei Crystal-Suchthilfeprojekte neu entstanden: Das Projekt PICKNICK und das Projekt „Plan B“ zur Unterstützung suchtbelasteter Familien (Diakonie – Stadtmission Chemnitz e.V.). Zudem das Jugendprojekt „Return to base“ als Anlaufpunkt für junge psychisch kranke Menschen mit Drogen- bzw. Suchterfahrung (VIP Chemnitz e.V.). Diese Angebote müssen durch das Sozialministerium auch im Doppelhaushalt 2019/20 weiter gefördert werden.“
Die GRÜNE-Fraktion hatte eine Große Anfrage an die Staatsregierung gestellt, die Anfang Februar ausführlich beantwortet wurde.
„In Chemnitz haben im Jahr 2016 insgesamt 292 Personen wegen Crystal Hilfe bei einer Suchtberatung gesucht. Nötig ist eine bedarfsgerechte und dauerhafte Förderung einer leistungsfähigen und differenzierten Versorgungsstruktur der Suchtkrankenhilfe durch den Freistaat“, fordert Zschocke. “ Die Suchthilfe darf nicht nach der durchschnittlichen Einwohnerzahl pro Stadt bzw. Landkreis bemessen werden. Eine pauschale Mittelverteilung, wie in der neuen Förderrichtlinie Psychiatrie und Sucht festgeschrieben, lehnen wir GRÜNEN deshalb ab. Die Stadt Chemnitz muss auf die hohe Zahl der Hilfesuchenden reagieren können ohne drauf zu zahlen.“
Die polizeiliche Kriminalstatistik für 2016 zeigt eine deutliche Konzentration von Rauschgiftdelikten im Zusammenhang mit Methamphetamin in kristalliner Form (Crystal) in Chemnitz (Polizeiliche Kriminalstatistik- Jahresüberblick 2016, Seite 39). „Wir brauchen zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Handels und Schmuggels von Crystal ausreichend Personal bei der Polizei“, fordert der Abgeordnete. „Auch die technische Ausstattung der sächsischen Polizei im Kampf gegen Crystal ist mangelhaft. In ganz Sachsen gibt es nur drei mobile Analysegeräte zur Chemikalienidentifizierung und zum schnellen Drogen-Screening. Die geringen Zahlen aufgedeckter Drogenlabore, Quellen und Verbringungswege und die rückläufige Anzahl der Ermittlungsverfahren stehen im Widerspruch zu dem hohen Bedarf in der Suchthilfe. Im Jahr 2013 wurde die Einrichtung einer Sonderkommission (SOKO) Crystal öffentlich angekündigt, doch bis heute ist sie nicht eingerichtet.“
„In allen Regionen Sachsens sollten in den Justizvollzugsanstalten stationäre Suchtherapiestationen eingerichtet werden, insb. in der Frauenjustizvollzugsanstalt Chemnitz.“
„Der 10-Punkte-Plan der Staatsregierung zur Prävention und Bekämpfung des Crystal-Konsums in Sachsen ist bisher keine Erfolgsgeschichte. Die Verstetigung der in den kreisfreien Städten und Landkreisen entwickelten Crystal-Suchthilfeprojekte steht in Frage. Es fehlen stationäre Therapieplätze, insbesondere für Eltern mit Kind.“ Während seit dem Jahr 2014 jährlich über 4.800 Crystal-Abhängige in den Suchtberatungsstellen in Sachsen beraten wurden, ist die Zahl der festgestellten Crystal-Delikte deutlich rückläufig. Konnte im Jahr 2014 in 1.623 Fällen Crystal sichergestellt werden, gelang dies 2016 nur noch in 966 Fällen (2015: 1.326 Fälle). Hinzu kommen neue Problemstellungen wie der Anstieg der Fälle von Crystal-geschädigten Neugeborenen“, erläutert der Landtagsabgeordnete.
European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction
Hintergrund:
Crystal ist in Sachsen aufgrund der Grenznähe zu Tschechien billiger und leichter zu haben als jede andere illegale Substanz. Die Droge wird in allen gesellschaftlichen Schichten konsumiert und stellt ein gesamtgesellschaftliches Problem dar.Die GRÜNE-Fraktion hatte bereits im Jahr 2011 auf die Gefahren der Droge hingewiesen und ein Sofortprogramm zur Stärkung der Suchthilfe gefordert. Im Jahr 2014 wurde daraufhin vom Innenminister ein 10-Punkte-Plan zur Prävention und Bekämpfung des Crystal-Konsums vorgelegt.
Neben dem 10-Punkte-Plan der Staatsregierung hat die GRÜNE-Fraktion mit ihrer Großen Anfrage auch neue Herausforderungen, die im 10-Punkte-Plan noch nicht erwähnt sind, in den Blick genommen: Jugendhilfe und Jugendarbeit, Hilfen für von Crystal abhängigen Eltern und Kinderschutz, Suchtherapieangebote in den Justizvollzugsanstalten und Maßnahmen zur Schadensreduzierung.Die weit über 100 Fragen der Großen Anfrage der GRÜNEN-Landtagsfraktion sind durch die Staatsregierung auf 143 Seiten umfassend beantwortet worden.