Anlässlich der Anhörung des Gesetzentwurfes der Staatsregierung „Gesetz zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Sozialgesetzbuch und zur Zuständigkeit des Kommunalen Sozialverbands Sachsen“ (Drs 6/12419), mit dem das Bundesteilhabegesetz im Freistaat Sachsen umgesetzt werden soll, erklärt Volkmar Zschocke, behindertenpolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
Während behinderte Menschen große Hoffnungen in die mit dem Bundesteilhabegesetz verbundenen Änderungen bei der Leistungsgewährung und -erbringung verbinden, sorgt die Staatsregierung mit dem vorliegenden Entwurf für den weitgehenden Erhalt des bisherigen Systems. Die Lebens- und Teilhabesituation behinderter Menschen wird sich durch den vorgelegten Gesetzentwurf kaum ändern.
Damit auch in Sachsen der mit dem Bundesteilhabegesetz verfolgte Paradigmenwechsel vollzogen werden kann, darf die Staatsregierung nicht alles so weiterlaufen lassen wie bisher. Sie muss selbst Verantwortung übernehmen und darf die zentralen Steuerungs- und Koordinierungsaufgaben nicht dem Kommunalen Sozialverband (KSV) übertragen. Wir werden uns im Gesetzgebungsverfahren dafür einsetzen, dass die geplante Clearingstelle so aufgestellt wird, dass deren Einschaltung für behinderte Menschen tatsächlich Vorteile bringt. Ebenso werden wir uns für eine Verpflichtung zur Qualitätskontrolle der Aufgabenerfüllung durch den KSV, die beim Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz angesiedelt sein muss, stark machen. Damit behinderte Menschen vor Ort ihre Anträge auf Unterstützung stellen können, muss der KSV Zweigstellen im ganzen Land eröffnen. Auch das steht auf unserer Agenda für das Gesetzgebungsverfahren.
Die von den Sachverständigen des Sächsischen Landkreistages e.V. und des Sächsischen Städte- und Gemeindetag e.V. dargestellte Kostenbelastung der Träger der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz darf kein Argument sein, kostenintensive Hilfen eher restriktiv zu prüfen. Dass der Freistaat Sachsen im Vergleich zu den übrigen Bundesländern die geringsten Kosten für Menschen mit Behinderungen aufweist, ist aus unser Sicht kein Ruhmesblatt.
Dem mit dem Bundesteilhabegesetz verfolgten Ziel, behinderten Menschen die Unterstützungsleistungen zu gewähren, die sich am tatsächlichen persönlichen Bedarf orientiert und Hürden bei der Beantragung und Bewilligung abzubauen, wird der Gesetzentwurf nicht gerecht. Das bestätigten vor allem die Sachverständigen, die selbst solche Leistungen in Anspruch nehmen:
Annett Heinich, Inklusionsbotschafterin, wies darauf hin, dass die mit dem Bundesteilhabegesetz verbundenen Erwartungen behinderter Menschen durch das sächsische Umsetzungsgesetz nicht erfüllt werden. Vor allem Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf mussten häufig erst den Klageweg beschreiten, bevor sie die Leistungen erhielten, die sie tatsächlich benötigten. Daran wird sich wohl auch zukünftig nichts ändern.
Auch Horst Frehe vom Forum behinderter Juristinnen und Juristen bescheinigte dem Gesetzentwurf die unzureichende Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Das vorgelegte Gesetz führe zwar nicht zu Verschlechterungen, Verbesserungen würden damit jedoch auch nicht einhergehen. Die Anbindung der geplanten Clearingstelle an den Kommunalen Sozialverband Sachsen (KSV), bezeichnete Frehe als absurd.
Leistungserbringer wie Beate Kursitza-Graf vom Lebenshilfe e.V. und Kerstin Jahn und Gudrun Braun als Vertreterinnen der LIGA der Freien Wohlfahrtsverbände fragten danach, wer denn über den KSV, dem per Gesetz weitreichende Aufgaben zur Unterstützung behinderter Menschen zugewiesen werden, die Fach- und Rechtsaufsicht ausübe. Eine Regelung dazu lässt sich im Gesetzentwurf der Staatsregierung nicht finden. Auch Roland Frickenhaus vom Landesverband Sachsen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes verwies darauf, dass dem KSV eine starke Kontrollinstanz gegenübergestellt werden müsse und sah dabei das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz in der Pflicht.