Wenn Hass auf Fremde in Gewalt umschlägt – Rückblick auf das Jahr nach Heidenau

Vor einem Jahr entlud sich der Hass auf Flüchtlinge in Heidenau. Doch viele Heidenauer zeigten sich solidarisch mit den Flüchtlingen und trugen dazu bei, eine negative Verurteilung ihrer Stadt abzuwenden.

Ich war bei den Ausschreitungen im August 2015 vor Ort und schockiert über diesen völlig entgrenzten Hass und die Gewalt, die sich dort Bann brach. Auch die Bürgerschaft in Heidenau war in einer Art Schockstarre. Positiv in Erinnerung bleibt, wie Bürgermeister Opitz das Schweigen brach und sich gegen die rassistischen Hasstiraden stellte. Das hatte Wirkung: Viele Heidenauer zeigten sich solidarisch mit den Flüchtlingen und trugen dazu bei, eine negative Verurteilung ihrer Stadt abzuwenden – ohne zu beschönigen, dass auch einige ihrer Nachbarn zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen Beifall klatschten. Die Arbeit vielfältiger Unterstützungsinitiativen für Geflüchtete zeigen ein anderes Bild von Sachsen, als es durch die Ausschreitungen geprägt wurde.

Heidenau war allerdings nicht das Ende der Gewaltspirale. Sachsen ist ein Jahr später leider noch immer Hochburg rechtsextremer Gewalt. Nach wie vor suchen alte und neue rechte Gruppierungen den Schulterschluss mit sogenannten besorgten Bürgern. Praktisch wöchentlich finden irgendwo in Sachsen fremdenfeindliche „Spaziergänge“ statt.  Angriffe auf Polizei und Hass auf Politiker haben nicht abgenommen. Pegida-Anhänger schrecken selbst vor Gewalt gegen Kinder nicht zurück.

Die Koalition versuchte im Jahr nach Heidenau, die Situation in Sachsen zu beruhigen. Fremdenfeindliche Straftaten kamen zur Verurteilung, darunter auch Straftäter ohne vorher bekannte Bindung an Rechtsextreme. Mehr Fördermittel für politische Bildung wurden in Aussicht gestellt. Eine staatliche Demokratiekonferenz wurde durchgeführt. Zu wenig ernst nimmt die Koalition meiner Meinung nach, dass die Voreingenommenheit gegenüber fremden Kulturen, Lebensweisen oder Religionen bis weit in die Mitte der sächsischen Gesellschaft reicht. Diese Voreingenommenheit bildet oft erst den Nährboden für Nationalismus und Rassismus. Bei der Bewältigung dieses Problem ist es wenig hilfreich, wenn Protagonisten der sächsischen CDU gerade in dem Jahr nach Heidenau ihre alte Nationalstolzdebatte aufwärmen und der Bundesinnenminister (CDU) erneut verbalen Brennstoff für Ressentiment gegen Flüchtlinge liefert.

Dank engagierter Helferinnen und Helfer wurden im letzten Jahr Erstaufnahme und Notversorgung der Flüchtlinge bewältigt. Dies geschah oft unbürokratisch, mit viel Einfallsreichtum und Empathie. Viele Asylsuchende haben Sachsen aber längst wieder verlassen. Die Betreuung der noch hier Gebliebenen steht nun am Übergang zum schwierigen Alltagsgeschäft. Integration ist ein langwieriger Prozess, der nur im engagierten Zusammenwirken von Geflüchteten, Bürgerschaft und Behörden gelingen kann. Integration braucht Offenheit – von allen Seiten.

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