Warum es notwendig wird, über die Verkleinerung des geplanten Pereser Sees nachzudenken

Die Hitze macht Leipzig besonders zu schaffen. Zum Glück gibt es die vielen alten und neuen Seen in ehemaligen Braunkohletagebauen. Sie versprechen uns Abkühlung. Alle erdenklichen Wassersportarten sind dort möglich. Sie sind beliebt bei Menschen aus nah und fern. Für Naherholung, Tourismus und attraktive Wohnlagen wird der weitere Ausbau des Leipziger Neuseenlandes mit den allerschönsten Perspektiven beworben. Doch die Klimaentwicklung stellt diese ehrgeizigen Pläne in Frage. 

Beispiel Pereser See: Mit der Flutung des Abbaufelds Peres des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain soll ab 2038 ein See entstehen, der mit 430 Millionen Kubikmetern Wasser der größte See der Region sein wird. Bei Niederschlagsveränderungen und höherer Verdunstung wird ein derart gigantisches Projekt erheblichen Einfluss auf den gesamten Wasserhaushalt in Mitteldeutschland und besonders auf den Gewässerknoten Leipzig haben. Auf Grundlage der Klimaprognosen muss mit extremem Niedrigwasser in den Flüssen bis zum Trockenfallen gerechnet werden. In der Lausitz findet diese Entwicklung bereits statt.

Wie kann also die Flutung unter diesen sich schnell verschärfenden Bedingungen überhaupt noch gelingen? Wie realistisch sind die Pläne noch? Woher soll das Wasser kommen? Und wie entwickelt sich das Verhältnis von Verdunstung und Zufluss bei steigenden Durchschnittstemperaturen? Um diese Fragen beantworten zu können, müssen verschiedene Rahmenbedingungen genauer betrachtet werden:

1. Beendigung der bergbaubedingten Wasserhebung durch vorgezogenen Kohleausstieg: Solange noch Braunkohle gefördert wird, kann das abgepumpte Grundwasser zur Flutung genutzt und die Wasserentnahme aus den Flüssen minimiert werden. Doch mit einem vorzeitigen Ende der Kohleförderung endet auch die bergbaubedingte Wasserhebung. Dies wird sich aller Voraussicht nach mit der Flutung der noch herzustellenden Tagebaurestseen zeitlich überschneiden. Die dann noch planmäßig zu flutenden Tagebaurestlöcher wie zum Beispiel der Groitzscher See oder Schwerzauer See werden dann Wasser aus der Weißen Elster, der Mulde und möglicherweise auch aus der Saale brauchen. Mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung wird allerdings auch der Bedarf an Kühlwasser – welches momentan zu großen Teilen verdunstet – reduziert. Um den für die zunehmende Austrocknung verantwortlichen Klimawandel zu begrenzen, haben die Koalitionsparteien auf Bundesebene einen Kohleausstieg “idealerweise zum Jahr 2030” vereinbart. Doch je eher die Kohleförderung endet, desto schneller entsteht Handlungsbedarf in Bezug auf die zur Füllung der Seen notwendigen Wasserbedarfe.

2. Notwendigkeit zur Gewährleistung der Sicherheit der Ufer: Nun einfach auf die Flutung zu verzichten oder weniger Wasser in die Gruben zu pumpen, ist so ohne Weiteres nicht möglich. Werden und bleiben die bisher zur Flutung vorgesehenen Restlöcher nicht oder nicht vollständig mit Wasser gefüllt, entstehen statische Probleme im Bereich der Standsicherheit von Ufer und Böschungen – es kann zu Rutschungen kommen. Um die Tagebaurestseen zu stützen, die angrenzenden Uferbereiche vor Gefahren zu schützen, die Wasserqualität zu sichern und die Verdunstung auszugleichen, wird also künftig dauerhaft Wasser zugeleitet werden müssen. Je länger die Ufer, je größer die Wasseroberflächen, desto höher der dauerhafte Wasserbedarf aus den Flusssystemen Mulde, Weiße Elster und Saale.

Die geplante Flutung – auch mit Flusswasser – ist für die Betreiber die kostengünstigste Lösung. Sie können so hohe Kosten für Standsicherheit und Melioration von Landflächen und Transportkosten von Abraum minimieren. Die Langfristkosten zu großer Seen sind dabei allerdings nicht eingerechnet. Ein zentraler Schlüssel, um Verdunstung und Stabilisierung der Restlöcher langfristig auszubalancieren, wird daher sein, die Größe der Seen auf ein notwendiges Minimum zu begrenzen, so wie es die GRÜNE LIGA Umweltgruppe Cottbus e.V. bereits für die geplanten Seen in der Lausitz herausgearbeitet hat. Auch wenn dadurch am Beginn höhere Kosten für die Betreiber entstehen, sind kleinere Seen langfristig die günstigere Option.

3. Zunahme der Wasser-Konkurrenzen durch klimatische Veränderungen: Die Klimaprognosen für Mitteldeutschland lassen weitere Beeinträchtigungen des Wasserhaushaltes befürchten. Einerseits werden Extremereignisse wie Starkregen zunehmen. Andererseits werden wir uns künftig auf lang andauernde Hitze- und Dürreperioden wie in diesem Sommer einstellen müssen. Während in diesen Phasen die Verdunstung über die Wasseroberflächen erheblich zunimmt, sinkt das Grundwasser weiter ab und die Fließgewässer führen weniger Wasser. Bereits jetzt sinkt der Wasserpegel im Zwenkauer See nach aktuellen Aussagen von Axel Bobbe, Chef des Röthaer Betriebes der Landestalsperrenverwaltung Sachsen durch Verdunstung um cirka 1 Meter pro Jahr, wird aber nur im Umfang von 60 Zentimetern durch Niederschläge wieder aufgefüllt. Der Ausgleich des verbleibenden Defizites muss aus der Weißen Elster kommen.

Doch auch bereits heute ist ein Rückgang der Abflüsse in Mulde oder Weißer Elster im mehrjährigen Mittel sichtbar. Während durch die beschriebenen klimatischen Veränderungen das Wasserangebot zurückgeht, wächst der Wasserbedarf durch Bevölkerung und Wirtschaft. Klimabedingt wird auch der Bedarf für Bewässerungen in der Landwirtschaft vor allem in Nordsachsen und im nordöstlichen Bereich vom Landkreis Leipzig zunehmen. Dazu kommen die steigenden Wasserbedarfe zur Erreichung der ökologisch dringend notwendigen Wiedervernässung des gefährdeten Leipziger Auwaldes. Wenn es nicht gelingt, diese zunehmenden Konkurrenzen zu lösen, wird die nachhaltige Entwicklung und Funktionsfähigkeit der gesamten Region infrage gestellt.

4. Zeitliche Rahmenbedingungen für die Anpassung der Planungen: Mit dem Braunkohleausstieg müssen die oben beschriebenen wasserwirtschaftlichen Herausforderungen alle geklärt sein. Das bedarf normalerweise eines zeitlichen Vorlaufes für Planungen und Genehmigungen von ungefähr 2 Jahrzehnten. Aber es steht nur wesentlich weniger Zeit zur Verfügung. Die begonnenen Planungen müssen nun in einem sehr kurzen Zeitraum umgesteuert und an die vorzeitige Beendigung der Kohleförderungen und die sich verschärfenden Folgen des Klimawandels angepasst werden. Dazu kommt, dass die Betreiber bei einem früheren als ursprünglich geplanten Ende des Braunkohlenabbaus die verursachten Folgekosten nicht mehr vollständig erwirtschaften können. 

Was ist nun zu tun?

Die Planungen und Zeitabläufe der Rekultivierung müssen gestrafft und beschleunigt werden. Die enormen Herausforderungen lassen sich nur bewältigen, wenn der gesamte Prozess breiten Rückhalt aller Beteiligten und der Öffentlichkeit hat. Als erstes erscheint daher eine zeitnahe Analyse und überblicksartige Einschätzung der Veränderungen des zukünftigen Wasserangebotes sowie des Wasserbedarfs für die Bereiche Trink- und Brauchwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Landwirtschaft und Industrie, Ökologie und Naturschutz sowie den Tourismus im Neuseenland notwendig. Diese Analyse sollte idealerweise im Rahmen einer “Leipziger Wasserkonferenz” vorgestellt und diskutiert werden, um die Brisanz des Themas über die Fachöffentlichkeit hinaus öffentlich zu machen.

Die anstehende Erarbeitung eines Wasserwirtschaftlichen Gesamtkonzepts für den Westsächsischen Raum und insbesondere für das Gebiet der Weißen Elster und Leipzig erfordert dann die konkrete Beschreibung der einzelnen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen in einem zwischen Politik, Behörden und Gesellschaft abgestimmten Konzept. Dabei müssen auch die Zuständigkeiten und die finanzielle Verantwortung für die jeweiligen Aufgaben im Hinblick auf die Bergbauunternehmen, Land und Bund geklärt werden.

Laut den aktuellen Planungen für den Pereser See soll dessen Flutung bis ca. 2065 dauern. Dieser Zeithorizont muss bei der Wasserverfügbarkeit für Flutungen unter Berücksichtigung des Ausgleichs der Verdunstungsraten bestehender Seen betrachtet werden. Darüber hinaus ist der Ausgleich des Verdunstungsverlustes aller Seen im Leipziger Neuseenland eine Ewigkeitsaufgabe. Dafür müssen belastbare Prognosen zur Verdunstungsmenge und damit zu benötigten Wassermengen über viel größere Zeiträume herausgearbeitet werden.

Es gilt zu überprüfen, ob die Rekultivierungsverpflichtungen der Bergbauunternehmen ausreichen, die Tagebaulandschaft so zu sanieren, dass tatsächlich ein sich wieder selbstregulierender Wasserhaushalt entsteht. Gegebenenfalls müssen Konzepte auf den Prüfstand mit dem Ziel der Verkleinerung der Seen – insbesondere des Pereser Sees. Zu prüfen wären auch die Potenziale der vorhandenen Bergbaufolgeseen zur Nutzung als Speicher für Niedrigwasseraufhöhung in Trockenphasen, um den ökologisch notwendigen Mindestabfluss für die Gewässer im Südraum Leipzig und insbesondere für den Auwald zu gewährleisten.

Künftig wird ein leistungsfähiges Modell zur Simulation und Steuerung des gesamten Gewässerverbundes im Raum Leipzig notwendig werden, welches entsprechend der zu erwartenden und sich tatsächlich einstellenden klimatischen Veränderungen ausgesteuert werden kann. Von Beginn an müssen Möglichkeiten zu Anpassung der Maßnahmen mitgedacht werden, sollten sich die klimatischen Rahmenbedingungen weiter verschärfen.

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