Die Terrorangriffe auf Freiheit, Frieden und Humanität dürfen nicht dadurch abgewehrt werden, dass wir Freiheit, Frieden und Humanität dafür opfern

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

diese barbarischen Anschläge erschüttern jeden von uns bis ins Innerste. Die Anschläge in Paris folgen auf den Angriff auf ein russisches Passagierflugzeug über Ägypten mit über 220 Toten. Und erst wenige Tage vor dem Schrecken in Paris wurden bei einem IS-Doppelanschlag in Beirut über 40 Menschen getötet.

All die Toten dieser Anschläge hinterlassen verzweifelte Familien und Freunde. Für viele Verletzte wird das Leben nie mehr so sein, wie es war. Und auch die, die mit dem Schrecken davon kamen, bleiben für lange traumatisiert.

Das Ziel der Terroristen ist klar: Furcht, Schrecken und Hass zu verbreiten. Egal ob im Cafe, beim Konzert oder in der Einkaufspassage: Niemand soll sich mehr sicher fühlen. Dieser Terror zielt direkt auf den Zusammenhalt und das friedliche Zusammenleben. Er treibt Spaltung und Radikalisierung voran. Er greift unsere Lebensart, unsere Lebensvorstellungen direkt und brutal an.

Um so mehr beeindrucken mich die Menschen in Paris, die trotz aller Trauer und Schmerzen weiter aufrecht durch ihre Stadt gehen und sich eben nicht von Terroristen diktieren lassen, wie sie leben wollen.

Und das ist der Kern, um den es in dieser Auseinandersetzung geht: In einer offenen und freien Gesellschaft zu leben, in der vielfältige Formen und unterschiedliche Vorstellungen vom Leben respektiert werden, in der verschiedene Menschen ohne Angst verschieden sein können – auf der Basis gemeinsamer Grundwerte -, diese Freiheit gilt es zu verteidigen. Gegen die Terroristen, aber auch gegen jene, welche die jetzige Situation für ihre Ziele missbrauchen,
sei es, um Angst vor Fremden oder anderen Religionen zu schüren, sei es, um die Freiheit falschen Vorstellungen von Sicherheit zu opfern. Die verständlichen Sicherheitsbedürfnisse und Ängste der Menschen anzuerkennen heißt eben gerade nicht, auf Ausgrenzung, Abschreckung oder Panikmache zu setzen. Diese Terrorangriffe auf Freiheit, Frieden und Humanität dürfen eben nicht dadurch abgewehrt werden, dass wir  Freiheit, Frieden und Humanität dafür opfern.

Der Ruf nach einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze ist die erwartbare, aber falsche Schlussfolgerung aus solchen Ereignissen. Schnell werden dann gesetzliche Maßnahmen durchgesetzt, die mehr Sicherheit nur vorgaukeln, Freiheit und Bürgerrechte jedoch massiv einschränken. Hier müssen wir alle sehr wachsam sein. Die Sicherheit im Inneren ist vor allem Aufgabe der Polizei. Sie braucht keine schärferen Gesetze, sondern ausreichend gut ausgebildete und ausgestattete Beamte. Hier hat die sächsische Sparpolitik in den vergangenen Jahren zu sträflichen Sicherheitsrisiken geführt, was den Schutz der Bevölkerung aber auch die Eigensicherung der Beamten betrifft. Ich hoffe inständig, dass dieser Kurs jetzt beendet wird. Sachsen braucht endlich wieder mehr Polizistinnen und Polizisten. Und wer für die Sicherheit Leib und Leben riskiert, hat auch einen Anspruch auf moderne, ordentliche Ausstattung. Ich möchte, dass wir dafür hier nicht immer und immer wieder streiten müssen!

Sicherheit für die Bevölkerung heißt Sicherheit für Flüchtlinge. Denn viele von ihnen flüchten genau vor solchen Terroristen und vor solchen Terrorakten. Sie sind hier bei uns in Sachsen, weil sie dem täglichen Terror in ihrer Heimat entkommen wollen. Und da ist es regelrecht infam und verantwortungslos, die Themen Terror, Religion und Flucht unzulässig zu vermischen und so die Debatte um Begrenzung der Zuwanderung zu befeuern. Schlagbäume und die Verweigerung von Solidarität schützen kein bisschen vor Terror. Wir können den Terror nicht aussperren, in dem wir Flüchtlinge aussperren.

Die stärkste Waffe gegen den IS-Terror ist eine großzügige Willkommenskultur für die Menschen aus Syrien. Denn wenn diese sich vor den IS-Banden nicht in Sicherheit bringen können, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich zu unterwerfen. Eine Politik der Abschottung stärkt den IS und damit den Terror. Aber wenn sich Flüchtlinge hier bei uns aufgenommen fühlen, eine Perspektive für sich und ihre nachziehenden Familien finden, können sie Teil unserer Gesellschaft werden. Ablehnung und soziale Ausgrenzung hingegen fördern die Entstehung von Parallelgesellschaften. Dies ist in einigen Regionen Europas leider geschehen. Wenn wir diese Entwicklung in Sachsen von Anfang an verhindern, entziehen wir den religiösen Fanatikern hier ihre Rekrutierungsgrundlage. Gute Integration von Anfang an ist eben auch Sicherheitspolitik.

Danke!

Rede | 19.11.15
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