Vergabegesetz: Wie geht Fairgabe?

Beim Thema nachhaltige und ökologische Beschaffung fühle ich mich wie bei einem Langstreckenlauf. Es gab in den letzten Jahrzehnten Phasen, in denen ich voller Schwung war und mich über erreichte Fortschritte freuen konnte – zum Beispiel über den von uns Bündnisgrünen erreichten Tropenholzverzicht bei städtischen Baumaßnahmen, über die von uns vorangetriebene Verwendung von Recyclingpapier oder mineralölfreien Farben, über den Beschluss, keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu verwenden oder über unsere erfolgreiche Initiative für “Fairtrade-Town Chemnitz”.

Es gab aber auch Phasen, wo ich das Gefühl hatte, gegen eine Wand anzulaufen und einfach nicht vorwärtszukommen. Die gestrige Veranstaltung der Bündnisgrünen Landtagsfraktion im Umweltzentrum Chemnitz hat mir wieder Schwung gegeben. Es ging um die anstehende Novellierung des Sächsischen Vergabegesetzes. Dadurch kann sich wirklich viel verändern, denn dreizehn Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts werden auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene für öffentliche Beschaffung ausgegeben. Das ist ein sehr großer Hebel für die Durchsetzung ökologischer, nachhaltiger und sozialer Standards.

Was kann der Freistaat, was können die Kommunen tun, um die öffentliche Vergabepraxis künftig stärker an ökologischen und sozialen Kriterien auszurichten? Zunächst haben im Podium Anna Cavazzini (Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Europaparlament), Markus Schlimbach (Vorsitzender DGB Bezirk Sachsen), Peter Gerlach (Geschäftsführer Auftragsberatungsstelle Sachsen e.V.) und Ralf Kretschmer (Holzbau Kretschmer Scheibenberg) über diese Fragen gestritten. Dann haben wir gemeinsam unter anderem darüber diskutiert, wie groß der Einfluss von Gemeinderät:innen auf eine nachhaltige Vergabepraxis ist und wie eine Gesetzesnovelle hier unterstützen kann. Gerhard Liebscher (wirtschaftspolitischer Sprecher der Bündnisgrünen Landtagsfraktion) hat die engagierte Kontroverse sehr gut moderiert.

Im Ergebnis bleibt für mich die Erkenntnis, dass selbst die fortschrittlichste Gesetzesnovelle sich nicht von selbst umsetzt. Es braucht dafür immer engagierte Bürgermeister:innen, Rektor:innen, Vergabestellen oder Gemeinderät:innen. Das ist auch eine Frage der Haltung: Mit Steuergeldern dürfen nicht länger ausbeuterische Produktionsverhältnisse oder Umweltzerstörung unterstützt werden. Wenn staatliche Stellen einkaufen, wenn Universitäten beschaffen, wenn Kommunen ihre Leistungen ausschreiben, entscheiden sie über würdevolle Arbeitsbedingungen, Umwelt- und Klimaschutz oder Enkeltauglichkeit maßgeblich mit. Dies muss einfach stärker berücksichtigt werden – wie Ralf Kretschmer eindrücklich betonte.

Eine Möglichkeit ist die Orientierung an Gütezeichen oder vergabefähigen Umweltlabel wie zum Beispiel “Holz von Hier”. Generell ist es notwendig, die Kompetenz beim komplexen Thema nachhaltige Beschaffung zu erhöhen. Eine Hilfe kann das zentrale Portal für nachhaltige Beschaffung öffentlicher Auftraggeber sein. Aber auch die kommunalpolitischen Bildungswerke in Sachsen sind hier in Bezug auf die Schulung der ehrenamtlichen Gemeinderäte gefragt.

Bereits in der letzten Landtags-Legislatur hatten wir einen Vergabegesetz-Entwurf in den Landtag eingebracht. Ob alle Forderungen der Initiative Sachsen kauft fair mit unseren Koalitionspartnern erreichbar sind, bleibt gegenwärtig offen. Da mache ich mir keine falschen Hoffnungen. Aber wir werden weiter mit dem Rückenwind aus der Zivilgesellschaft für Fortschritte bei der öffentlichen Vergabe kämpfen.

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