Unterhaltsvorschuss − Zschocke: Auf den CDU und SPD gefeierten großen Erfolg folgte große Ernüchterung

Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Thema: “Gesetz zur Änderung des Sächsischen Aufgabenübertragungsgesetzes zum Unterhaltsvorschussgesetz” (Drs 6/14654), 11. Dezember, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses wurde von CDU und SPD als Erfolg gefeiert, als wirkliche Entlastung für Alleinerziehende und letztlich als Anerkennung für ihre oftmals sehr herausfordernde Lebenssituation. Besonders stolz war Alexander Krauß als er im Februar 2017 hier im Plenum verkündete: >>Dieses Jahr, das Jahr 2017, wird ein gutes Jahr für alleinerziehende Väter und Mütter und ihre Kinder im Freistaat.<< Und Henning Homann war hier des Lobes voll: >>Gut für die Kinder, gut für die Familien, gut gegen Armut<< hieß es damals von ihm. Wie so oft folgt nach großen Worten große Ernüchterung. Dafür gibt es drei Gründe.

1. Die Unterhaltsreform bietet vielen Alleinerziehenden keine spürbare Entlastung. Die Kinderarmut in Deutschland ist weiterhin erschreckend hoch. Alleinerziehende und ihre Kinder sind – auch in Sachsen – am stärksten von Armut betroffen. Sie finden nur schwer einen Job, der mit der alleinigen Erziehungsverantwortung vereinbar ist. Viele sind gezwungen in Teilzeit zu arbeiten und somit trotz Arbeit arm und auf Sozialhilfe angewiesen. Wenn ein Lebenspartner – aus welchen Gründen auch immer – keinen Unterhalt zahlt, dann soll dieser Vorschuss Armut verhindern helfen. Doch noch immer wird der Unterhaltsvorschuss mit anderen Sozialleistungen verrechnet, zum Beispiel mit dem Kindergeld. Besonders fatal: Kinder ab dem zwölften Lebensjahr bekommen gar keinen Unterhaltsvorschuss, wenn die oder der Alleinerziehende nicht arbeitet und mindestens 600 Euro verdient. Der Landesverband der Alleinerziehenden hat diesen Missstand in der Anhörung zurecht scharf kritisiert und davon gesprochen, dass die neue Regelung den Alleinerziehendenfamilien in keiner Weise einen Cent bringt. Hier werden  wieder einmal Sozialleistungen nach dem Prinzip ‘Linke Tasche, rechte Tasche’ hin und her geschoben. Das Dresdner Jugendamt bestätigte das in der Anhörung. Der erweiterte Unterhaltsvorschuss kommt in Dresden bei dreiviertel aller Kinder nicht an! Wir GRÜNEN haben die Reform aus diesem Grund von Beginn an kritisiert. Das erklärte Ziel, die Kinderarmut zu bekämpfen und Alleinerziehende zu stärken, wird damit nicht erreicht!

2. Die Kommunen bleiben auf Mehrkosten in Millionenhöhe sitzen. Der Bund hat den Kommunen zugesagt, dass Mehrbelastungen, die durch die Reform entstehen, ausgeglichen werden. Das Gesetz, das wir heute beschließen, sieht vor, dass der Bund statt 33 Prozent zukünftig 40 Prozent der Kosten trägt, die Kommunen nur noch 30 Prozent, ebenso der Freistaat. Doch diese Entlastungen reichen bei weitem nicht aus. Die Kostensteigerungen sind weit größer als angenommen. Die Kommunen müssen in Vorkasse gehen und drängen deshalb auf eine Evaluation, d.h. auf eine genaue Betrachtung der Kostensteigerung, noch in diesem Jahr. Das Ministerium hat das zugesagt, aber ohne verbindliche Regelung im Gesetz. Ich habe das bereits im Ausschuss kritisiert. Eine mündliche Zusage reicht hier nicht. Sachsen braucht eine verbindliche Regelung im Gesetz, doch das lehnen Staatsregierung und Koalition ab.

3. Es gibt kaum Kapazitäten für Prüfung von Unterhaltsschuldnern. In den letzten zwei Jahren hat vor allem die CDU beim Thema Unterhalt immer wieder markige Sprüche gebracht. Alexander Krauß forderte gebetsmühlenartig, Unterhaltsschuldner mehr in die Pflicht zu nehmen. Die Kommunen müssten hier mehr Druck machen. Wenn Sie das ernsthaft wollen, dann müssten Sie die Kommunen gerade jetzt mehr unterstützen. Aktuell sieht es nämlich so aus, dass die Jugendämter vor Ort mangels Personal und aufgrund der Antragsflut weniger Kapazitäten für den sogenannten Rückgriff haben. Sie kommen kaum dazu, zu prüfen, ob der Unterhalt tatsächlich nicht gezahlt werden kann. Das Gesetz sieht allerdings nicht vor, den Kommunen mit zusätzlichem Geld für Personal unter die Arme zu greifen.

Die GRÜNE-Fraktion kann daher diesem Gesetz nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten.

Zum Änderungsantrag der LINKEN: Es ist gut, dass es diesen Änderungsantrag gibt. Nach der Anhörung bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass die Koalition die Forderung der kommunalen Spitzenverbände nach einer Regelung zur Evalution aufnimmt.  Es wurde in der Anhörung von allen Sachsverständigen sehr klar formuliert, woran es dem Gesetzentwurf hier mangelt. Die Kommunen wollen eben nicht auf den Kosten für ein Gesetz sitzen bleiben, was sie nicht beschlossen haben. Bereits die Prognosen zu den Kostenentwicklungen Ende 2017 lassen aufschrecken:

  • Landkreis Bautzen: 100-prozentige Kostensteigerung
  • Landkreis Görlitz: 1 Mio. mehr in 2018
  • Landkreis Mittelsachsen und Zwickau: Verdopplung der Kosten
  • Landkreis Leipziger Land: Verdopplung der Verwaltungs- und Personalkosten, Verdreifachung der Ausgaben für den Unterhalt
  • Landkreis Sächsische Schweiz: Ausgabensteigerung je Fall bis zu 308 Prozent

In der Anhörung lagen doch auch die konkreten Zahlen auf den Tisch. In Dresden gab es 2016 insgesamt cirka 3.600 aktive Zahlfälle nach dem alten Unterhaltsvorschussgesetz. Zum 30. Juni 2018 waren es schon knapp 6.900 Zahlfälle, Tendenz immer noch steigend. Diese Verdopplung der Anspruchsberechtigten erfordert deutlich mehr Personal. Dresden braucht 15 Vollzeitkräfte zusätzlich – für die Sachbearbeitung, für den Rückgriff, für den städtischen Haushalt, und für die EDV. Alles in allem zahlt Dresden nach eigenen Berechnungen 3 Millionen Euro mehr im Jahr als vorher. Und es ist nicht klar, wie sich das im nächsten Jahr weiter entwickeln wird. Deswegen brauchen wir eine verbindliche Regelung im Gesetz. Ich kann hier nur an die Koalition appellieren, diese Forderung der kommunalen Spitzenverbände nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, nur weil sie jetzt in einem Antrag der LINKEN steht. Eigentlich hätten sie diesen Antrag heute bringen müssen.

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