Viele Menschen putzen Stolpersteine. Für mich ist es immer wieder ein tief bewegendes und aufwühlendes Ritual. Beim Putzen erschließen sich die Einzelschicksale und Familienbeziehungen. Das Zählen der Jahreszahlen von Geburt bis Tod treibt die Tränen in die Augen.
Heute haben wir Stolpersteine der Familien Nussberg, Kamnitzer und der Brüder Berger vor dem Wohnhaus Barbarossastraße 55 auf dem Chemnitzer Kaßberg geputzt.
Die fünfköpfige Familie Nussberg gehörte zu den polnisch-jüdischen Familien aus Chemnitz, die im Rahmen der »Polen-Aktion« (1938) verhaftet und in ihr vermeintliches Heimatland deportiert und dort nach 1941 in einem der zahlreichen Ghettos oder Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ermordet wurden.
Harry, Bernhard und Rosalie Kamnitzer wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert. Johanna Kamnitzer war bereits am 10. Mai 1942 verschleppt worden. Rosalie Kamnitzer kam am 7. Oktober 1942, Bernhard Kamnitzer am 12. Oktober 1942 in Theresienstadt ums Leben. Harry Kamnitzer wurde 29. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Benno Berger wuchs in der Familie Nussberg und Egon Emanuel Berger in der Familie Avramovici auf. Die Geschichte der beiden Waisen-Brüder sowie aller 259 Menschen, für die in Chemnitz Stolpersteine verlegt wurden, ist ist hier aufgeschrieben: https://www.chemnitz.de/chemnitz/de/unsere-stadt/geschichte/stolpersteine/index.html
Stolperstein-Gruppen wie diese vor der Barbarossastraße 55 verdeutlichen mir, wie unmittelbar in meinem geliebten schönen Stadtteil, in dem meine Kinder glücklich und in Frieden aufwachsen durften, Jahrzehnte zuvor ganz Familien ausgelöscht wurden. Es begann mit Rassenhass und Hetze gegen Mitmenschen in der Nachbarschaft und endete in millionenfachem Mord. NIE WIEDER!