Sind anderthalb Minuten Zeit pro Kind und Tag eine Qualitätsverbesserung?

20. Sitzung des Sächsischen Landtags, 17. September 2015

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

ja, die Betreuung in den sächsischen Kitas ist gut – Dank der engagierten Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher. Aber der Betreuungsschlüssel ist nicht gut.

Nachdem wir 2014 nach erfolgloser Sondierung mit der CDU das Feld räumten, haben wir der SPD ein hohes Druckpotential übergeben. Die CDU konnte uns nicht gegeneinander ausspielen, stand mit dem Rücken an der Wand. Mit wem hätte sie sonst noch eine Regierung bilden sollen? Wie die Genossen dieses große Druckpotential nutzten, steht im Koalitionsvertrag. Das kann jeder nachlesen.
Da gibt es echte Verhandlungserfolge, aber auch massenhaft Prüfzusagen und ein paar Minimalbewegungen. Dass Sie Ihre Verhandlungserfolge stolz verkaufen wollen, verstehe ich ja. Wenn Sie aber nun ausgerechnet die winzige Verbesserung der Betreuer-Kind-Relation in Kitas zum Thema eine AD machen, muss das nach hinten losgehen.

Sie haben beim Personalschlüssel – entgegen den Ankündigungen – fast nichts erreicht. Immerhin etwas, denn wir hatten hier ja von der CDU eine komplette Absage erhalten. Aber warum zelebrieren Sie dieses Scheitern jetzt auch noch hier? Es reicht doch schon, dass die Erzieherinnen und Erzieher den Koalitionsvertrag hier als völlig ernüchternd, wenig zielführend und unzureichend empfinden. Nehmen Sie eine Kita mit 90 Kindern: Die jetzt erfolgte Schlüsselverbesserung führt rechnerisch zu anderthalb Minuten mehr Zeit pro Kind und Tag. Die Erzieherinnen kommen sich veralbert vor, wenn sie das jetzt als Qualitätsverbesserung verkaufen. Bei anderthalb Minuten pro Kind kann man ja noch nicht mal von einer zeitlichen Entlastung sprechen.

Darüber hinaus werden die Ausfalltage wie gehabt nicht in der Personalrechnung eingepreist. Fehlzeiten durch Urlaub, Krankheit, Weiterbildung summieren sich schnell auf hunderte Ausfalltage. Zwischen dem berechneten und dem tatsächlich anwesenden Personal klafft da schnell eine Lücke von drei Mitarbeiterinnen pro Tag. Solche Fehlzeiten berücksichtigt der Landeszuschuss genauso wenig wie Vor- und Nachbereitung, Elternarbeit, Beobachtung und Dokumentation.
Das zögerliche Agieren beim Personalschlüssel geht zu Lasten von Qualität, Bildung, Erziehung und der Gesundheit des Personals.

Die Koalition hat auch nicht vor, die Qualität der Kinderbetreuung in den kommenden Jahren zu verbessern. Dann hätten Sie eine andere Vereinbarung treffen und den Doppelhaushalt anders ausstatten müssen. Das ist aber nicht passiert. Und insofern ist diese Debatte hier völlig überflüssig.

Sie wollen ja noch nicht mal ernsthaft über Qualitätsverbesserung diskutieren. Kollegin Zais hat bei der Staatsregierung angefragt, ob sich der Freistaat am „Qualitätsdialog“ des Bundesfamilienministeriums zur Verbesserung der Kita-Betreuung einbringt. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe arbeitet da an Qualitätsaspekten und Finanzierungsfragen. Sachsen ist da noch nicht mal vertreten! Mein Eindruck: Sie wollen ja auch nichts ändern.

Jetzt werde ich mir natürlich gleich anhören müssen, wie viel Geld selbst die sächsischen Minischritte kosten. Ja, aber Sie haben es aber auch schlichtweg über Jahre versäumt, den guten sächsischen Bildungsplan finanziell zu untersetzen. Und selbst die jetzigen minimalen Schlüsselverbesserung werden noch nicht mal durch den Landeszuschuss gedeckt. Die Kommunen müssen draufzahlen, vielerorts liegt deren Anteil bei über 40 Prozent.

Mein Vorschlag: Vereinbaren Sie echte Schritte zur Schlüsselverbesserung. Fassen Sie alle vier in Aussicht gestellten Schritte zu einem echten Schritt zusammen. Und stellen Sie dafür das Geld im Haushalt bereit. Und dann reden wir wieder über die Qualität frühkindlicher Bildung.

 

Nach oben
Skip to content