>> Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke zum Gesetzentwurf der Staatsregierung:
“Gesetz zur Änderung des Sächsischen Abfall- und Bodenschutzrechtes”, Zweite Beratung, Drs 6/14477, 30. Januar, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
im vorliegenden Gesetzentwurf werden Anpassungen an EU- und Bundesrecht vorgenommen. Aber wohin die Abfallwirtschaft entwickelt werden soll, darauf erhalten wir keine befriedigende Antwort.
Wir schlagen ein klares Ziel für die sächsische Abfallpolitik vor, was sich aus den Grundsätzen einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft ableitet. Dieses Ziel habe ich ausführlich im Septemberplenum letzten Jahres erläutert und bereits damals unsere Anforderung an die Gesetzesnovelle formuliert. Das Ziel muss heißen: Schluss mit verbrennen! Schluss mit deponieren!
Genau das steht hinter ‘Zero Waste’. Weltweit haben sich Kommunen und Regionen auf den Weg gemacht, eine echte Kreislaufwirtschaft aufzubauen. Alle natürlichen und technischen Stoffe, die wir nutzen, sollten im Kreislauf genutzt werden. Alle Prozesse sind so zu entwickeln, dass es Schritt für Schritt keinen Restabfall mehr gibt. Das ist ambitioniert und nicht über Nacht zu erreichen. Und gerade am Ende wird es immer schwieriger, weil es eben Prozesse gibt, bei denen Rückstände nach heutigem Stand nicht verwertet werden können. Auf diesen verbleibenden schwierigen Rest muss man sich dann eben konzentrieren. Das setzt Kräfte frei für Innovationen und neue Geschäftsmodelle – entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Es gibt zahlreiche Ansätze, dass die Recyclingfähigkeit bereits bei der Gestaltung von Produkten und Verpackungen und bei der Materialauswahl berücksichtigt wird. Sachsen kann hier Vorreiter sein, Technologie und Expertise beitragen. Das ist nachhaltige Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Das ist auch wesentlich arbeitsplatzintensiver, als Deponien oder Müllverbrennungsanlagen zu betreiben. Solch eine Entwicklung braucht aber einen gesetzlichen Anreiz.
Nun haben Sie im Paragraf 10 den Vorschlag vom Landesverband Recyclingwirtschaft zum Vorrang von Recyclingprodukten aufgenommen. Das ist gut. Aber leider nicht hinreichend. In der Anhörung wurde das von den Sachverständigen ausführlich dargelegt: Wer setzt das denn durch? Wer überwacht es? Und Sie haben eine Sollbruchstelle eingebaut. In der Begründung schreiben Sie – Zitat >>Nicht hinzunehmen ist hingegen, wenn wesentliche technische Funktions- bzw. Sicherheitseigenschaften nicht erreicht werden.<<
Dieser Satz suggeriert doch: Mit Recyclingbaustoffen können besondere Probleme auftreten. Ja, natürlich können Probleme auftreten! Qualitätsprobleme können immer auftreten – mit allen Baustoffen. Deshalb gibt es ja Qualitätsanforderungen in den technischen Vorschriften. Die müssen eingehalten werden. Mit so einem Satz schaffen Sie das Gegenteil von Akzeptanz und Innovationsfreude bei öffentlichen Auftraggebern.
Es fehlt auch die Verbindung zur öffentlichen Vergabe. Im Vergabegesetz hätten Sie den Link dazu schaffen können. Ein Sachverständiger hat es sehr plastisch dargestellt: In Heilbronn gibt es ein Hochhaus, zum großen Teil aus Recyclingbeton gebaut. Warum? Weil es Angebote für solchen Beton aus der Schweiz gibt. Weil öffentliche Auftraggeber in der Schweiz solche Produkte nachfragen. Kein Betonhersteller stellt Produktionsprozesse um, wenn es keine Nachfrage gibt. Das kostet nämlich Geld: Er muss seine Leute qualifizieren, sich zertifizieren lassen und vielleicht auch in Ausrüstung investieren. Ohne Nachfrage kein Angebot. Und ohne Angebot werden private Auftraggeber nicht nachziehen. Hier ist die öffentliche Hand gefordert – auch wenn das bei der Markteinführung in einzelnen Gewerken etwas mehr kostet. Wir haben in unserem Vergabegesetz einen klaren Anreiz zum Vorrang von Recyclingbaustoffen gesetzt. Weil GRÜNE Politik eben auch Wirtschaftsförderung ist.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die Chance vertan, auf echte Kreislaufwirtschaft umzusteuern und den kommunalen und privaten Akteuren Investitionsanreize für dieses Umsteuern zu geben.
Einbringung Änderungsantrag
Neben einer klaren Zielbestimmung in Paragraf 1 schlagen wir die Einrichtung einer Sonderabfallagentur für gefährliche Abfälle vor. Paragraf 17 Abs. 4 Kreislaufwirtschaftsgesetz ermächtigt die Länder Andienungs- und Überlassungspflichten für gefährliche Abfälle zur Beseitigung zu bestimmen. Bayern, Brandenburg, Niedersachsen und Baden-Württemberg versuchen, über solche Landesgesellschaften, die Stoffströme gefährlicher Abfälle zu steuern. Das endet leider bei Sonderabfällen zur Verwertung. Doch die Beseitigung kann durch eine solche Agentur rechtskonform gelenkt werden.
Sachsen ist eine große Drehscheibe für Sonderabfälle aus ganz Europa. Millionen Tonnen sind auf Schiene und Straße von überall her und insbesondere aus Italien zu uns unterwegs. Die Deponie in Cröbern bei Leipzig gehört zu den leistungsfähigsten in Europa. Um die geplante und genehmigte Deponiekapazität kostendeckend zu verfüllen sowie die Rekultivierungsmaßnahmen und die Deponienachsorge zu finanzieren, sind die Betreiber bis voraussichtlich in das Jahr 2035 auf große Mengen von für die Deponierung zugelassenen Abfällen angewiesen. Eine Sonderabfallagentur könnte festlegen, dass alle gefährlichen Abfälle mit der entsprechenden Deponieklasse auf eine solche Deponie kommen. Damit hätte der öffentlich-rechtliche Betreiber dort Planungssicherheit. Die Überwachung und das Herausfiltern schwarzer Schafe mit falschen Deklarierungen, falschen Zielorten oder Transportmängeln wäre wesentlich einfacher.
Und bevor Sie uns jetzt Grüne Überregulierung vorwerfen: In Baden-Württemberg wurde eine Sonderabfallverordnung samt Agentur 2008 von einer CDU-Regierung eingeführt. Eine Sonderabfallagentur kann nicht alles regulieren. Sie kann aber ein wichtiges Element sein, kommunalen Betreibern wie denen der Deponie Cröbern eine wirtschaftliche Auslastung ihrer Kapazität mit Abfällen aus Sachsen und grenznahen Regionen ohne dieses enorme Ausmaß an Importen zu ermöglichen. Sie kann dazu beitragen, Gefahren durch halsbrecherische Transportpraktiken quer durch Europa zurückzudrängen. Sie kann als zentrale Stelle in Sachsen alle mit der Entsorgung von gefährlichen Abfällen verbundenen Verfahren bündeln. Strategisch kann sie helfen, den Menschen in Sachsen neue Sondermülldeponien zu ersparen.