Zschocke: GRÜNE-Fraktion sieht weiteren Handlungsbedarf. Angesichts steigender Geburtenzahlen muss der Bettenbedarf in den 41 Geburtskliniken in Sachsen überprüft werden. Zentrales Problem bleibt die überfällige Reform der Haftpflicht für Hebammen.
(2018-186) Dresden. Am 14. Juni 2018 fand auf gemeinsame Initiative der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag und des Sächsischen Hebammenverbandes zum dritten Mal der Runde Tisch “Geburtshilfe und Hebammenversorgung” statt. Bei dem dreistündigen Treffen hat das Sozialministerium über die Umsetzung des Programms zur Sicherung der Hebammenversorgung und die Ausgestaltung der Förderrichtlinie berichtet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Runden Tisch haben sich auf gemeinsame Ziele zur Stärkung der Geburtshilfe und Hebammenversorgung in Sachsen verständigt.
Dazu erklärt Volkmar Zschocke, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag: “Der Runde Tisch sendet mit seinen gemeinsamen Zielen klare Botschaften an die Staatsregierung und die Koalition:
- Das Landesprogramm muss auch im nächsten Doppelhaushalt fortgesetzt werden.
- Die Vermittlung von Hebammenleistungen muss verbessert werden, vor allem in den Regionen, in denen ein Mangel an Angeboten besteht. Die Koordinierungsstelle leistet hier einen wichtigen Beitrag, ihre Beratungs- und Vermittlungsarbeit muss auch in Zukunft sichergestellt werden.
- Zusätzlich müssen die Ausbildungskapazitäten an den sächsischen Hochschulen und Universitäten bis zum Jahr 2020 kontinuierlich erweitert werden, denn immer mehr Hebammen erreichen das Renteneintrittsalter.
- Angesichts der steigenden Arbeitsbelastung müssen darüber hinaus Maßnahmen zur Verbesserungen der Arbeitsbedingungen entwickelt werden.
- Alle Beteiligten haben sich bereit erklärt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf eine Stärkung der „normalen Geburt“ hinzuwirken, damit Kindern bestmöglichen in Leben starten.”
“Das dritte Treffen hat gezeigt, dass der Runde Tisch in den letzten eineinhalb Jahren Wirkung entfaltet hat. Das Landesprogramm zur Sicherung der Hebammenversorgung bietet Hebammen konkrete Hilfen an. Darüber wird seit letztem Jahr eine Koordinierungsstelle gefördert, die beim Hebammenverband angegliedert ist. Diese erfüllt vielfältige Aufgaben: Sie unterstützt Hebammen bei Anträgen auf finanzielle Förderung (Externat oder Praxisgründung), vermittelt bei Bedarf Hebammenleistungen vor Ort, koordiniert Fortbildungen und wirbt für Berufsnachwuchs. Das Feedback von Eltern und Hebammen ist positiv.”
“Hinter uns liegen eineinhalb Jahre intensiver Arbeit. Ich danke allen, die am Runden Tisch mitgewirkt haben, für die konstruktive Zusammenarbeit.”
“Wir GRÜNEN werden uns in den Haushaltsberatungen dafür stark machen, dass die bereits begonnenen Maßnahmen zur Sicherung der Hebammenversorgung erhalten und weiter ausgebaut werden.”
Über das gemeinsam Vereinbarte hinaus sieht Zschocke weiteren Handlungsbedarf:
- “Der Bettenbedarf in den 41 Geburtskliniken in Sachsen muss angesichts steigender Geburtenzahlen überprüft werden. In Abstimmung mit den Geburtsklinken und der Krankenhausgesellschaft Sachsen e.V. sollte das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz ermitteln, welche Krankenhäuser ihre Kreißsaalkapazitäten erweitern wollen und in welchem Umfang im Haushalt 2019/20 Gelder dafür bereitgestellt werden können.”
- “Die Möglichkeiten zur Anerkennung gleichwertiger ausländischer Berufsqualifikationen müssen angesichts des Hebammenmangels effektiver genutzt werden.
- Das zentrale, auf Bundesebene zu lösende Problem ist aber die Reform der Haftpflicht in der Geburtshilfe. Damit müssen die Rahmenbedingungen für Hebammen und Entbindungspfleger verbessert werden, um ein Helfen ohne Angst zu ermöglichen.”
Die 1. Vorsitzende des Sächsischen Hebammenverbands, Stephanie Hahn-Schaffarczyk, betont: “Auf Initiative der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist ein solch wichtiges Projekt ins Leben gerufen worden. Dies unterstreicht, wie fundamental wichtig die Arbeit der Hebammen ist, um die Versorgung junger Familien rund um Schwangerschaft und Geburt sicher zu stellen. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Belange der Hebammen und jungen Familien gehört und wahrgenommen wurden und nun in Sachsen eine Koordinierungsstelle durch das Staatsministerium gefördert wird. So kann die Versorgung der jungen Familien mit Hebammenhilfe ein Stück weit verbessert werden, die praktische Ausbildung der werdenden Hebammen unterstützt und die teils schlechten Arbeitsbedingungen in den Kliniken offengelegt und zur Verbesserung angeregt werden. Wir hoffen sehr auf eine langfristige Unterstützung durch den Freistaat und danken allen Beteiligten des Runden Tisches für die konstruktive und effektive Zusammenarbeit. Wir freuen uns, dieses Projekt in Sachsen zu haben.”
Hintergrund:
Als gemeinsame Initiative des Sächsischen Hebammenverbands und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag hat Volkmar Zschocke, gesundheitspolitischer Sprecher der GRÜNEN Fraktion, 2017 zum Runden Tisch „Geburtshilfe und Hebammenversorgung in Sachsen“ geladen. Neben Abgeordneten des Sächsischen Landtags und Vertreterinnen und Vertretern des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz kamen Vertreterinnen und Vertreter der Sächsischen Landesärztekammer, der Krankenhausgesellschaft Sachsen e.V., des Landesfrauenrat Sachsen e.V., der Krankenkassen, der Hebammenwissenschaft, der Familienverbände sowie von Elterninitiativen und Elternvertreter zusammen. Am Runden Tisch wurde die Ausgestaltung des Landesprogramms diskutiert, aber auch Themen, wie die Stärkung des Verständnisses von Schwangerschaft und Geburt als natürlicher Prozess.
Die Sicherung einer hohen Qualität in der Geburtshilfe und guter Arbeitsbedingungen für die Berufsgruppen in der Geburtshilfe, insbesondere die der Hebammen und Entbindungspfleger, sind in den letzten Jahren stärker in das Blickfeld der sächsischen Landespolitik gerückt. Auf Initiative der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen 2017/18 erstmals Gelder im Umfang von 175.000 Euro pro Jahr für ein Landesprogramm zur „Sicherung der Hebammenversorgung“ zur Verfügung. Über dieses Programm wird seit September 2017 eine »Koordinierungsstelle „Hebammen in Sachsen“ finanziert. Im Auftrag des Sozialministeriums wird derzeit eine Studie zur Hebammenversorgung in Sachsen erarbeitet. Über die neue Förderrichtlinie Heilberufe können Hebammen und Entbindungspfleger zukünftig einen Gründungszuschuss von 5.000 Euro erhalten, wenn sie eine freiberufliche Tätigkeit erstmals oder wieder im Freistaat Sachsen aufnehmen wollen.