Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
der Ruf „Wir sind das Volk“ errinnert an den demokratischen Aufbruch 1989. Heute rufen das Menschen, die das Gegenteil von einem demokratischen Aufbruch meinen. Die demokratische Institutionen verächtlich machen, die diesen Ruf völkisch und nationalistisch aufladen, die sich gegen die Grundsätze einer zivilisierten und demokratischen Auseinandersetzung stellen.
Die Brüller auf der Straße scheinen eine laute Minderheit zu sein. Aber erst diese Woche offenbarte der Sachsen-Monitor alarmierende Einstellungen zur Demokratie, zum Beispiel einen sehr weit verbreiteten Wunsch nach einer starken Partei, die zuerst das „Volk“ oder die „Volksgemeinschaft“ repräsentieren soll.
Die sächsische Union versucht mit ihrer Rede vom „starken Staat“ daran anzuknüpfen. Sie bedient damit die fatale Vorstellung, das der Staat alle Probleme des gesellschaftlichen Lebens regeln und lösen könne.
Und genauso war ja auch das Gebaren von CDU-Ministern, Landräten und Wahlkreisabgeordneten in den letzten Jahrzehnten gewesen. Deren Motto heißt: „Wir machen das schon für Euch, wir wissen es sowieso besser, mischt Euch da mal nicht ein.“
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
da muss man sich nicht wundern, dass Sachsen teilweise immer noch in einer Art vordemokratischen Zustand festhängt.
Das entspricht nicht dem Geist der friedlichen Revolution. Echte Beteiligung mündiger Bürger auf Augenhöhe sieht anders aus.
Hier in dieser Halle ist die sächsische Union erst Anfang November weiter ein Stück nach rechts gerückt:
Unter Beifall wurde die Forderung einer Leit- und Rahmenkultur beschlossen, Toleranz für andere Einstellungen und Lebensentwürfe dürfe es nur im Rahmen dieser Leitkultur geben.
Es wurde an den Nationalstolz appelliert und einer angeblichen „Paralleljustiz“ der Kampf angesagt ohne Rücksicht auf Eigenheiten anderer Kulturen.
Ein Burka-Verbot wurde gefordert – nicht weil es um Frauenrechte geht, sondern weil der Islam nicht zu Sachsen gehören soll.
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
wer Rechtspopulisten zurückdrängen will, in dem er ihre Positionen übernimmt, erreicht genau das Gegenteil.
Und deshalb ist der starke Auftrieb für die AfD hier in Sachsen zum Teil leider auch ein Verdienst der CDU.
Das starke Bedürfnis der Sozialdemokraten sich von diesem Kurs abzugrenzen, verstehe ich gut. Deshalb spielt die SPD gern auch mal Opposition in der Regierung.
Es ist legitim, dass Martin Dulig Konflikte mit der CDU öffentlich anspricht.
Wer aber nur kritisiert, am Ende aber alles mitmacht, zeigt eigentlich nur die eigene Schwäche.
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
wer ein Land regiert, löst Konflikte doch am Kabinettstisch und nicht mit Zeitungsinterviews!
Ich habe kein Vertrauen, dass diese Koalition in der Lage ist, die zentrale Probleme Sachsens auch nur ansatzweise zu lösen.
Sie hat im März ein großes Maßnahmenpaket angekündigt, um innere Sicherheit und Justiz zu stärken, politische Bildung, Demokratie, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.
Die Umsetzung dieses Pakets ist in großen Teilen auf der Strecke geblieben.
Die Koalition hat auch keinen soliden Plan für die Zukunft der Landesverwaltung. Die ist in personell überaltert und schon in einigen Bereichen nicht mehr handlungsfähig.
Auch die Ignoranz gegenüber den Erfordernissen, die sich aus dem Klimavertrag von Paris ergeben, ist kaum zu übertreffen.
Selbst der bereits völlig weichgespülte Klimaschutzplan der Bundesregierung, geht dem Ministerpräsidenten noch zu weit, weil aus seiner Sicht nur die sächsische Braunkohle die (Zitat) >>einzige konkurrenzfähige Energieressource<< bleibt.
So kommen wir aber nicht zu einer lebenswerten Zukunft für die Lausitz, zu einem Strukturwandel in den Revieren, der den Menschen auch wirklich eine Perspektive bietet.
Auch bei der aktuellen Haushaltsdebatte geht die Koalition allen möglichen Konflikten aus dem Weg.
Statt die Weichen jetzt richtig zu stellen, wird taktiert und ignoriert. Im Sozialausschuss habe ich erst am Montag diese Arroganz erlebt.
Die Devise der Koalition lautet: Wir machen das selber und alle Vorschläge der Opposition werden abbügelt.
Liebe Freundinnen und Freunde,
für uns GRÜNE ist das alles kein Grund zur Resignation.
Im Gegenteil: Es wird mehr denn je deutlich, dass wir die vielen ungelösten Zukunftsfragen angehen müssen, gemeinsam mit den Menschen im Land, die sich der globalen Entwicklung, der Modernisierung von Gesellschaft und Wirtschaft eben nicht verweigern. Wir müssen das machen, weil es sonst niemand macht.
Weil das Ende der Kohleverbrennung unvermeidlich ist, erarbeiten wir jetzt konkrete Perspektiven für die Zeit nach der Kohle. Egal wie sehr die Herren Tillich und Dulig hier auf der Bremse stehen.
Wir haben ein Klimaschutzgesetz vorgelegt.
Wir haben Instrumente entwickelt, um den Artenrückgang zu stoppen. Wir streiten für eine Landwirtschaft, die sich an Tierwohl und Artenvielfalt orientiert.
Wir haben den Mut, gerade jetzt für mehr Bürgerbeteiligung zu kämpfen.
Für den Abbau von Hürden bei Volksentscheiden!
Wir wollen die enormen Defizite der politischen Bildung in Sachsen endlich abbauen.
Mit unserer Personaloffensive zeigen wir den Weg, wie ein leistungsfähiger Rechts- und Sozialstaat in Sachsen aufgebaut werden kann – nach Jahren des Stellenabbaus und fehlender Vorsorge.
Wir stehen für den Aufbruch in die Zukunft wie keine andere politische Kraft in Sachsen. Es kommt jetzt auf uns an.
Denn wir erleben nicht nur Stillstand und fehlenden Gestaltungswillen. Nein, in Teilen der Gesellschaft entwickelt sich eine gefährliche Rückwärtsbewegung in Bezug auf gesellschaftliche Fortschritte, die auch wir GRÜNEN vorangebracht haben.
Homophobe Vorurteile und rückständige Familienbilder – all das bekommt wieder Auftrieb.
Deshalb müssen wir diejenigen sein, die all diese erreichten Fortschritte jetzt verteidigen. Selbstbestimmung, Frauenrechte, Rechte für Schwulen und Lesben,
Vielfalt und eine offene Gesellschaft.
Wir können doch nicht daneben stehen und zuschauen, wie all das wieder in Frage gestellt wird.
Wir können uns keine Verzagtheit leisten. Im Gegenteil: jetzt kommt es darauf an, mit noch größerer Entschlossenheit dafür zu kämpfen.
Überall in Europa sind Rechtsdemagogen auf dem Vormarsch.
In Sachsen erreicht eine im Kern nationalistische Partei in aktuellen Umfragen 25 Prozent. Die AfD missbraucht den sächsischen Landtag für politische Kampagnen, die im Wesentlichen drei Ziele verfolgen:
– Empörung über die angeblich etablierten Parteien erzeugen,
– Ängste verstärken – vor Fremden und dem gesellschaftlichem Fortschritt und
– Schwache gegen Schwächere aufzubringen
Das Agieren der AfD zielt darauf ab, das Vertrauen in demokratische Prozesse und Verfahren weiter erodieren zu lassen.
Sie stellt scheinheilige, nicht umsetzbare Anträge im Landtag. Und dann wird auf facebook die Lunte gelegt beispielsweise mit der Aussage (Zitat) >>Der AfD-Antrag für kostenloses, warmes Schulessen wurde von den Konsensparteien abgelehnt.<<
Und dann explodiert der rassistische Hass im Netz mit Kommentaren wie diesen: (Zitat) >>Die Politiker sind irre, für das eigene Volk ist kein Geld da, Hauptsache die Asyschmarotzer bekommen Zucker in ihren pigmentierten Arsch geblasen.<<
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
ich habe diesen Hass so satt und ich will mich nicht daran gewöhnen!
Wir müssen uns gegen diese Verrohung wehren.
Liebe Freundinnen und Freunde,
all das ist eine Herausforderung gerade an uns, wieder an die progressive Bewegung von 89 anzuknüpfen.
Wir brauchen wieder einen demokratischen Aufbruch in Sachsen.
Und niemand steht so authentisch für diesen Aufbruch wie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Meinungsfreiheit, Oppositionsrechte, Pressefreiheit – wir wollten damals endlich in einem freien, offenen, demokratischen Land leben.
Wir haben für eine moderne, vielfältige Gesellschaft gekämpft in der jede und jeder frei und endlich ohne staatliche Bevormundung leben kann.
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
ich will nie wieder in einem abgeschotteten Land, in einem autoritären Staat leben!
Deswegen müssen wir laut und deutlich all den nationalistischen, rückwärtsgewandten Kräften in Sachsen widersprechen.
Und das tun wir auch! Auf der Straße – so wie Jürgen.
In den Stadträten und Kreistagen. Im Landtag.
Wir lassen uns nicht einschüchtern oder mundtot machen.
Lasst uns an den Werten von Humanität und Menschenwürde und an den Grundrechten orientiert jetzt für ein Sachsen streiten, das die Rechte des Einzelnen schützt, seine Entwicklung fördert, Menschen in ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement bestärkt und dafür sorgt, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten.
Lasst uns die integrative Kraft unserer Ideen in der Mitte der Gesellschaft verankern!
Lasst uns die GRÜNEN Konzepte und Lösungsvorschläge verbinden mit einer progressiven Bewegung im Land für ein weltoffenes, liberales, demokratische Sachsen!