Rede des Abgeordneten Volkmar Zschocke zum Antrag der Fraktion DIE LINKE “Pflegeversicherung in eine solidarische Pflegevollversicherung umgestalten!”, Drs 6/16466
90.Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 10. April, TOP 16
Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
auch in Sachsen steigen die Pflegekosten rasant, vor allem für Heimbewohnerinnen und -bewohner. Nach Angaben der AOK Plus haben zum Jahresbeginn 181 der rund 800 Pflegeheime im Freistaat neue Preisvereinbarungen mit der Pflegekasse abgeschlossen – mit Preissteigerungen teils bis über 30 Prozent. Ja, wir müssen über die explodierenden Heimkosten reden und Lösungen finden, damit aus Pflegefällen nicht auch noch Sozialfälle werden.
Grund dafür ist, dass die Pflegeversicherung nur einen Teil der Kosten abdeckt. In stationären Pflegeeinrichtungen sind das monatlich 125 bis 2.005 Euro, je nach Pflegegrad. Pflegebedürftige in Deutschland zahlen bei den Pflegekosten drauf, hinzu kommen Kosten für die Unterkunft, die Verpflegung und Investitionen in den Einrichtungen. 2018 mussten Pflegebedürftige im Schnitt rund 1.300 Euro für einen Heimplatz zuzahlen, seit Jahresanfang haben sich die Kosten in Sachsen etwa wegen gestiegener Lohnkosten drastisch erhöht – zum Teil um bis zu 400 Euro! Die Zahlungen übersteigen bei immer mehr Pflegebedürftigen die Rente und selbst Erspartes ist da schnell aufgebraucht. Ein Drittel der Menschen müssen deshalb ‘Hilfe zur Pflege’ in Anspruch nehmen. Sie brauchen eine finanzielle Unterstützung vom Staat, weil das eigene Geld nicht reicht. Die Tendenz ist steigend.
Der Beitragssatz der Pflegeversicherung ist zwar seit der Einführung 1996 von 1 Prozent auf mittlerweile 3,05 Prozent plus 0,25 Prozent für Kinderlose gestiegen. Aber die Kostensteigerungen werden damit nicht abgefangen. Jede Verbesserung müssen die Pflegebedürftigen aus eigener Tasche zahlen: Verbesserungen bei den Pflegeangeboten und -konzepten, beim Personal, bei der tarifgerechten Bezahlung der Fachkräfte usw.
Die Problem-Analyse der LINKEN im Antrag teilen wir. Die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung reichen nicht für die Absicherung der Pflichtversicherten. Sie schafft derzeit auch keine fairen Löhne für alle Pflegekräfte. Das System muss grundlegend und neu aufgestellt werden. Deutschland braucht eine solidarisch gestaltete Pflegeversicherung.
Jetzt kommt das große ABER: Wir wollen eine solidarische Pflegeversicherung, jedoch kein ‘All-Inclusive-Paket’. Wenn der Beitragssatz bezahlbar bleiben soll, dann geht das nicht ohne eine Eigenbeteiligung. Im Übrigen halte ich den Antrag der LINKEN in sich nicht schlüssig. Denn Sie vermischen zwei Konzepte: die Pflege-Bürgerversicherung und den Sockel-Spitze-Tausch. Sie wollen eine einfache Lösung für politische Aufgaben, die nicht einfach zu lösen sind. Das führt dann zu Widersprüchlichkeiten in Ihren Forderungen. Wenn Sie eine Pflegevollversicherung einführen wollen, dann braucht es keine Dynamisierung der Pflegeleistungen mehr. Um es einfacher auszudrücken: Wenn alle Kosten übernommen werden, dann müssten Pflegebedürftige auch keinen Eigenanteil mehr zahlen und demzufolge auch nicht mehr entlastet werden.
Wir GRÜNE trennen beide Debatten aus gutem Grund. Wir haben ein ausgearbeitetes Konzept für eine Pflege-Bürgerversicherung mit der die Pflege gerecht und stabil finanziert werden kann. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen die Pflegeversicherung mitfinanzieren. Noch gibt es viel zu viele, die nicht einzahlen. Die Einbeziehung aller Einkommensarten – und nicht nur der Erwerbseinkommen – ist gerechter und entlastet die junge Generation, da diese in der Regel geringere Erwerbseinkommen und weniger Kapitaleinkommen hat. Unser Antrag dazu wird im Gesundheitsausschuss im Bundestag – ebenso wie der der LINKEN zur Pflegevollversicherung – im Mai angehört.
Unabhängig davon müssen die Eigenanteile der Pflegebedürftigen gedeckelt werden, was bedeutet, dass mehr Steuermittel ins System fließen müssten. Die Idee ist: Wir drehen das System um und stellen es vom Kopf auf die Füße. Der Pflegeeigenanteil der Pflegebedürftigen wird gesetzlich festgelegt und damit gedeckelt, alle künftigen Kostensteigerungen für Personal, Qualität und neue Leistungen werden von den Pflegekassen übernommen. Das birgt Vorteile, aber auch Finanzierungsrisiken, die wir hier im Landtag nicht lösen werden.
Der Antrag der LINKEN ist gut gemeint. Wir haben auf der Bundesebene aber ein anderes Modell vorgelegt. Daher werden wir uns hier enthalten.