Notwendigkeit für eine Wohnungslosenstatistik liegt auf der Hand

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir beschäftigen uns heute mit einem der vielen Prüfaufträge aus dem Koalitionsvertag. Darin wurde festgelegt, die 2006 eingestellte Sozialberichterstattung wieder einzuführen. Ob bei der Datenerhebung auch die 2008 eingestellte Wohnungslosen-Statistik im Freistaat wieder aufgenommen wird, will die Koalition prüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung ist bis heute unklar.

Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm klar formuliert: „Armutsprävention und Armutsbekämpfung verstehen wir als unseren Auftrag.“ Aber, um die Wohnungs- und Obdachlosigkeit zielführend und effektiv zurückdrängen zu können, brauchen wir konkrete Zahlen für Sachsen. Es wird höchste Zeit, die entsprechenden Zahlen zu erheben. Nur so können noch in dieser Legislatur sozialpolitische Maßnahmen umgesetzt werden, die auch dem Bedarf entsprechen. Das heißt, die Koalition muss schnellstmöglich eine Entscheidung treffen, statt Prüfaufträge weiter vor sich her zu schieben.

Die Notwendigkeit für eine Wohnungslosenstatistik liegt auf der Hand, denn in Deutschland gibt es keine nationale Statistik. Auch in den bisherigen Armuts- und Reichtumsberichten der Bundesregierung sind Erkenntnisse zu Obdach- und Wohnungslosigkeit mangels Datenbasis kaum vorhanden. Wir GRÜNE fordern seit Langem eine bundesweite Statistik zur Erfassung von Wohnungs- und Obdachlosen, um für die Ärmsten der Armen in unserer Gesellschaft eine nationale Strategie entwickeln zu können. Ebenso wie die SPD – bevor sie in Regierungsverantwortung kam.

Nach Schätzungen der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W) stieg die Zahl der Wohnungslosen bundesweit zwischen 2010 und 2012 um 15 Prozent auf nunmehr 285.000 an. Eine Trendwende sei nicht in Sicht. Im Gegenteil. Die BAG Wohnungslosenhilfe geht sogar davon aus, dass die Zahl der Wohnungslosen im Jahr 2016 auf ca. 380.000 ansteigen wird.

Laut dem Armutsbericht der Parität bleibt die Armutsquote in Sachsen mit 18,8 Prozent konstant auf einem hohen Niveau. Besorgniserregend ist:
– die bundesweite Zunahme der Altersarmut
– die hohe Armutsgefährdung bei Alleinerziehenden
– eine Kinderarmutsquote in Sachsen von 29,5 Prozent
– ein Mangel an Daten über die Armutsgefährdung von Menschen mit Migrationshintergrund in den ostdeutschen Ländern
– laut der Diakonie in Annaberg landen immer mehr Konsumenten illegaler Drogen, zum Beispiel Crystal, in den Beratungsstellen.

Erschwerend hinzu kommen steigende Mietpreise, ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Großstädten und ein zunehmender Mangel an Sozialwohnungen.

Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland, das eine „Integrierte Wohnungsnotfallberichterstattung“ hat. Darin werden neben kommunal und ordnungsrechtlich untergebrachten wohnungslosen Personen bzw. Haushalten auch Personen erfasst, die bei den freien Trägern der Wohnungslosenhilfe untergebracht sind oder zumindest den Fachberatungsstellen als wohnungslos bekannt sind. Im Jahr 2014 wurde die Erhebung nach diesem neu aufgesetzten Konzept zum vierten Mal durchgeführt.

Wir GRÜNE halten es für dringend notwendig, das Thema Wohnungslosigkeit in die Sozialberichterstattung aufzunehmen und stimmen dem Antrag der LINKEN zu.

Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke zum Antrag der Fraktion DIE LINKE:
„Wohnungslosigkeit im Freistaat Sachsen – Einführung eines ‚Sächsischen Wohnungsnotfallberichts'“ (Drs. 6/3933)

28. Sitzung des Sächsischen Landtags, 04. Februar 2016, TOP 8

 

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