Heute fand die Finissage zur Ausstellung des Projekts “Identeco” in Chemnitz im Moritzhof statt. Das Kunstprojekt untersuchte die Frage, wie Chemnitz als Mensch aussehen würde, und bot Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit, sich aktiv am Bau einer Skulptur zu beteiligen. Unter Anleitung von Künstlern wie Peter Fiebig gestalteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Skulptur mit persönlichen Materialien, die ihre Verbindung zur Stadt symbolisierten. Das Projekt förderte den Austausch zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und thematisierte Identität und Zugehörigkeit in Chemnitz. Die fertige Skulptur wurde an verschiedenen Orten der Stadt präsentiert. Zur Finissage gab es auch eine emotionale Aufführung des Tanz- und Schauspielstückes der Theatergruppe „sama“. Das Theaterstück setzt sich mit Zwangsheirat, häuslicher Gewalt und Selbstbestimmung auseinander.
Das Projekt wurde aus dem Lokale Aktionsplan für Demokratie, Toleranz und ein weltoffenes Chemnitz – kurz LAP – gefördert. Die Organisatoren baten mich, die Entstehungsgeschichte des LAP in Erinnerung zu rufen: Der LAP ist ein langfristiges Konzept zur Förderung demokratischer Werte und zur Bekämpfung von Gewalt, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Initiative begann 2007, als erkannt wurde, dass eine strukturierte Strategie notwendig ist, um nachhaltige Veränderungen in der Stadt zu erreichen. Die damalige Oberbürgermeisterin Ludwig beauftragte eine Arbeitsgruppe damit, ein Konzept zu entwickeln, das auf die Bedürfnisse der gesamten Stadtgesellschaft eingeht. Rund 200 Personen aus Verwaltung, Jugendhilfe, Schulen, Sport, Polizei, Wirtschaft, Vereinen, Kirchen, Medien und betroffene Bürger, insbesondere Jugendliche, waren an der Entwicklung beteiligt. Das Ziel war, eine umfassende Strategie zu schaffen, die durch Projekte und Initiativen demokratische Kultur fördert und extremistischen Tendenzen entgegenwirkt.
Im Stadtrat habe ich dann im September 2008 das Rahmenkonzept erläutert. Es gab eine Diskussion von der Ratsfraktion Republikaner (Vorläufer der Freien Sachsen), die darin einen Eingriff in Grundrechte sahen. Der LAP wurde schließlich gegen den Widerstand von rechts verabschiedet. Eine Koordinierungsstelle, Förderrichtlinien und ein Begleitausschuss wurden eingerichtet, um die Umsetzung zu gewährleisten. Das damalige Argumentationsmuster der Republikaner wird auch heute noch von AfD und Freien Sachsen verwendet: Die Unterstützung von Demokratie und Toleranz wird als Einschränkung der Meinungsfreiheit und Teil eines repressiven Vorgehens gegen politische Gegner diskreditiert. Um die Diskussion von damals nachvollziehen zu können, habe ich das alte Wortprotokoll der Sitzung herausgesucht.
Die Finanzierung des LAP wurde seitdem durch Bundesprogramme ergänzt, wodurch sich auch mit begrenzten Mitteln große Erfolge und Mehrwerte für unsere Stadt erzielen ließen. Über den LAP wurden seit 2008 mehr als sechshundert Projekte gefördert. Ich weiß nicht, wie bei den aktuellen politischen Verhältnissen die Zukunft des LAP aussieht. Ich werde für seine Fortführung kämpfen. Denn im Jahr 2024 sind die Herausforderungen von damals ja nicht gerade kleiner geworden. Menschenfeindliche Ideologien sickern von verschiedenen Seiten in unsere Stadtgesellschaft. Viele Menschen in unserer Stadt erleben auch im Jahr 2024 Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und erstarkenden Antisemitismus in ihrem Alltag. Gerade jetzt, wo Gesellschaft und Politik in Deutschland und Europa so stark polarisiert sind, brauchen wir solche Programme, um unsere demokratischen Werte zu schützen, den Gefahren entgegentreten, die diese Werte in Frage stellen und den Respekt im Umgang miteinander zu fördern. Der LAP soll weiterhin dazu beitragen, den Zusammenhalt in Chemnitz zu stärken und eine weltoffene Stadtgesellschaft zu fördern.
Titelfoto: Basel Hawa