Erinnerung mit hochaktueller Bedeutung: Ausstellung zu NS-Zeit im ehemaligen Kaßberggefängnis

Tausende lebende Zeitzeuginnen und Zeitzeugen verbinden mit dem Kaßberggefängnis ihren Weg in die Freiheit. Das ist richtig, denn dieser Ort ist durch den Freikauf politischer Häftlinge aus der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland geprägt wie kein anderer. Doch im Kaßberggefängnis begann im Nationalsozialismus für viele Menschen auch der Weg in den Tod.

Heute hat unser Vereinsvorsitzender Jürgen Renz die feierliche Begehung der fertiggestellten Dauerausstellung zur NS-Zeit im Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis eröffnet.

Sehr bewegend erinnerte Marion Rotstein vor über 70 Gästen an ihren Großvater Jankel Rotstein. Der Leidensweg des jüdischen Tuchpantoffelmachers aus Chemnitz führte vom Kaßberggefängnis über ein Internierungslager in Nürnberg ins Warschauer Ghetto, wo er im Herbst 1941 mit 51 Jahren elend verhungerte. Besucherinnen und Besucher der Zelle können sich seine liebevollen Briefe anhören, die er aus dem Ghetto bis kurz vor seinem Tod an seine Frau und seine Kinder schrieb. Die Familie Rotstein ist uns Chemnitzerinnen und Chemnitzern durch seinen Sohn, den Ehrenbürger Siegmund Rotstein bekannt. Er war langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Karl-Marx-Stadt/Chemnitz.

In den Zellen werden insgesamt zwölf Schicksale aus den Jahren der NS-Herrschaft dokumentiert, darunter das des Kommunisten Walter Janka, des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Bernhard Kuhnt, des Chemnitzer Juden Max Brudner, des Zeugen Jehovas Arthur Windisch und das von Genowefa Banasiak, einer polnischen Zwangsarbeiterin.

Enrico Hilbert von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) betonte in seinem Grußwort die große Bedeutung, in Chemnitz wieder einen Ort zu haben, der authentisch an die politische Verfolgung in der NS-Zeit erinnert. Ruth Röcher, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz, mahnte eindrücklich, dass es an uns liege, für die Gegenwart Schlussfolgerungen aus der Geschichte zu ziehen.

Ohne Peter Wellach, dem kuratorischen Leiter der Ausstellung und seinem Team wäre es nicht gelungen, die vorhandenen Dokumente, Berichte und Bilder in so beeindruckender Weise zusammenzustellen. Wer sich mit den Schicksalen konfrontiert, wird aufgewühlt und tief bewegt. Gerade Schülerinnen und Schüler sollten dabei nicht allein gelassen werden. Dafür bietet unser Verein ein umfassendes Bildungsprogramm an, bei dem das in der Ausstellung Gehörte und Gesehene gemeinsam besprochen und historisch eingeordnet wird. Das ist unser Beitrag, die Resilienz gegen das heute wieder erstarkende menschenfeindliche, rassistische und völkische Gedankengut in Alltag und Politik zu stärken. Mit Blick auf unsere gemeinsame Zukunft sind solche Lernerfahrungen unverzichtbar. Wehret den Anfängen!

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