Ein Großteil der Mauern um das Kaßberg-Gefängnis ist abgerissen, der Blick auf das historische Gebäude ist frei. 2.400 Besucherinnen und Besucher haben gestern im Rahmen der “Freie Presse”-Veranstaltungsreihe “Unentdeckte Orte” das frühere Kaßberg-Gefängnis in Chemnitz besichtigt.
Als ich in den Jahren nach 1990 hier als Sozialarbeiter Inhaftierte besucht habe, hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass im ehemaligen Kaßberg-Gefängnis ein lebendiger Lern- und Gedenkort entstehen würde. Nach dem Ende der DDR wurde dieser Ort zunächst nur funktional betrachtet und einfach als bundesdeutsche Justizvollzugsanstalt weitergenutzt. Im Zuge der Schließung vor nunmehr 9 Jahren Jahren reifte die Idee, die Geschichte dieses einzigartigen Ortes zu bewahren.
Am 18.11.2011 haben wir den Verein “Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis” gegründet. In all den Jahren brauchten wir nicht nur einen langen Atem, sondern haben immer wieder viel Unterstützung und Rückhalt erfahren. In den kommenden 2 Jahren wird nun endlich der Umbau eines Teils des ehemaligen Gefängnisse zu einem Lern- und Gedenkort erfolgen.
Mit Blick auf die aktuellen autoritären Tendenzen in Europa und in Sachsen wird dieser Ort dringend gebraucht, um zu erinnern und zu lernen. Denn die aktive Auseinandersetzung mit Geschichte prägt die gemeinsame Gegenwart und Zukunft. Das Unrecht, dass hier in den verschiedenen Epochen geschah, ist nicht vergleichbar und muss jeweils einzeln mit dem notwendigen Raum betrachtet werden: Der nationalsozialistischer Terror, die sowjetische Besatzungszeit, die Diktatur in der DDR und das Thema Häftlingsfreikauf, dass diesen Ort wie keinen anderen markiert.
Es besteht aus meiner Sicht hier die große Chance, ein wirklich multiperspektivisches Angebot zu etablieren, was über Erinnern und Gedenken hinaus das demokratische und respektvolle Miteinander in unserer immer vielfältiger werdenden Gesellschaft fördert – ohne Abschottung, Mauern, Ausgrenzung und Verfolgung.