Kiesabbau im Heidebogen: Fakten statt Propaganda

Wir BÜNDNISGRÜNEN sprechen uns seit langem gegen den geplanten Kies-Tagebau Würschnitz-West aus. Auch die Verfahren zu den bereits genehmigten Tagebauen Laußnitz und Würschnitz begleiten wir seit der vierten Legislaturperiode des Landtages und somit seit über 15 Jahren kritisch. Durch die Vermischung von Themen, Abläufen und Zuständigkeiten bei den Genehmigungsverfahren ist nun in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, wir würden „Grünes Licht“ für die Erweiterung des Kiesabbaus geben. Dies wird zudem befeuert von einzelnen angeblichen „Klimaschützern“, die es sich zum Ziel gemacht haben, BÜNDNISGRÜNE gezielt zu diskreditieren. Im folgenden Text möchte ich zu einigen Punkten die mir mögliche Aufklärung geben und die Hintergründe erklären: 

Verraten die Grünen ihre Ideale, sobald sie an die Macht kommen? 

Nein, an unserer Haltung zum Kiesabbau im Heidebogen hat sich auch mit der Regierungsbeteiligung in Sachsen nichts geändert – im Gegenteil: Wir versuchen unseren politischen Einfluss zu nutzen, um zu verhindern, dass die Fehler der Vergangenheit wiederholt werden. Bereits vor über einem Jahr haben wir unsere Position erneut öffentlich verdeutlicht. Klar ist uns dabei, dass in einem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren der Landtag nichts beschließen oder versagen kann und somit der politische Einfluss begrenzt ist. Dennoch drängen wir darauf, Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung der geschützten Quell- und Moorgebiete zu verhindern. Denn Moore haben eine überragende Bedeutung für Klimaschutz und Wasserhaushalt. Gerade die Verfüllung der Kiesgruben mit Bauschutt führt nachgewiesenermaßen zu einer erheblichen Wasserbelastung. Zudem müssen umweltschädliche Transporte reduziert und der notwendige Kiesabbau auf regionale Bedarfe begrenzt werden. Darüber hinaus wollen wir, dass die Bauwirtschaft sich stärker auf Wiederverwendung und Recyclingbaustoffe ausrichtet. Neben Energie- und Verkehrswende ist die Bauwende von essenzieller Bedeutung für einen wirksamen Klimaschutz.

Ist die Laußnitzer Heide „Sachsens Kleinlützerath“? 

Der Vergleich hinkt gewaltig und dient vor allem der politischen Instrumentalisierung der schwierigen Gemengelage. Das einzig Vergleichbare sind die Protestformen von jungen, engagierten Menschen, die sehr viel Entbehrungen auf sich nehmen und letztendlich mit hohem persönlichen Einsatz Natur und Klima schützen wollen. Ansonsten sind die Bergbauvorhaben in Lützerath und der Laußnitzer Heide in Bezug auf die Verfahren und die Einflussmöglichkeiten im Rahmen unserer Regierungsbeteiligung grundverschieden. Im Gegensatz zum rheinischen Braunkohlerevier wird in der Laußnitzer Heide Kies abgebaut – ein Rohstoff, bei dem es, anders als bei der Braunkohle, nicht einmal im Ansatz einen Konsens zum Ausstieg aus dem Abbau gibt. Grundlage für den Kiesabbau in Würschnitz sind Bergwerkseigentum aus DDR-Zeiten und bergrechtliche Bewilligungen und Betriebspläne seit den 1990er Jahren. Die Genehmigungen inklusive aller Umwelt- und Naturschutz-fachlicher Prüfungen erfolgen grundsätzlich unter Federführung und in Verantwortung des Sächsischen Oberbergamts. Dabei werden die Träger öffentlicher Belange und auch die zuständigen Landratsämter (hier vor allem Bautzen, Meißen) einbezogen. Einen direkten Einfluss des Sächsischen Ministeriums für Energie, Klima, Umwelt und Landwirtschaft oder seiner nachgeordneten Behörden gibt es nicht. Diesen Rechtsrahmen zu respektieren, bedeutet nicht, alle bisher in diesem Rahmen getroffenen Entscheidungen für richtig zu halten.

Laußnitz I, Würschnitz, Würschnitz-West – was denn nun?   

Es gibt im Waldgebiet der Laußnitzer Heide nördlich von Ottendorf-Okrilla die Abbaufelder Laußnitz I, Würschnitz und Würschnitz-West. Zwischen diesen Abbaufeldern ist deutlich zu unterscheiden, da der Stand der Genehmigung sehr unterschiedlich ist. Das ist in der öffentlichen Diskussion in den vergangenen Wochen manchmal nicht gelungen.  

  • Im Abbaufeld Laußnitz I erfolgt bereits seit Jahren der Kiesabbau und die anschließende Verfüllung. Das Baufeld soll im Rahmen eines Abschlussbetriebsplans wieder renaturiert werden. Die Wiedernutzbarmachung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Fläche erfolgte in der Vergangenheit durch Verfüllung mit bergbaufremden mineralischen Abfällen und Bauschutt. Diese von uns schon lange kritisierte Praxis basiert auf bergrechtlichen Zulassungen zu den genehmigten Abfallarten, zulässigen Schadstoffwerten und Mengen. Die genehmigte Verwertung problematischer bergbaufremder Abfälle in der Vergangenheit, vermutlich insbesondere der Einbau von Porenbeton bzw. Produktionsresten aus der Betonproduktion, hat zu einer nachteiligen Veränderung des Grundwassers und einzelner Oberflächengewässer im Umfeld geführt. Betroffen ist davon insbesondere das Einzugsgebiet des Pechflusses, in dem sich unter anderem das Naturschutzgebiet „Moorwald am Pechfluss bei Medingen“ und das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Moorwaldgebiet Großdittmannsdorf“ befinden. Die festgestellte Belastung der Gewässer u.a. mit Sulfat kann zu einer direkten negativen Beeinflussung der Schutzgebiete führen. Rekultivierungsmaßnahmen haben bisher zu keiner nachhaltigen Verringerung der Konzentration im Grundwasser geführt, wovon wir uns selbst vor Ort überzeugen konnten. Die nachteilige Veränderung der Gewässer offenbart, dass die Abfallverwertung in alten Kiesgruben sehr problematische Folgen haben kann. Deswegen müssen derartige Abfallverwertungsmaßnahmen zwingend auf den Prüfstand. Auch wenn die Verfüllung mit Bauschutt sehr lukrativ für die Baustoff-Unternehmen ist, darf diesem Geschäftsmodell nicht der Wasser- und Bodenschutz geopfert werden.  
  • Für das Abbaufeld Würschnitz (Gebiet der gegenwärtigen Waldbesetzung) existiert ein genehmigter, rechtskräftiger Betriebsplan. Mit Bescheid des Sächsischen Oberbergamtes vom 21. Dezember 2022 wurde dieser geändert und ergänzt und bis 31.12.2026 zugelassen. Gegenstand der Zulassung ist die Erweiterung der Fläche für die Gewinnung von Kiessanden im sogenannten „Trockenschnitt“ (Abbau oberhalb des Grundwassers). Es gibt keine politische oder behördliche Instanz, die den Kiesabbau jetzt noch unterbinden kann. Nur wenn die Betriebsführung nicht rechtskonform erfolgt, kann und muss das Oberbergamt im Rahmen der Bergaufsicht einschreiten. Die mögliche gerichtliche Überprüfung, ob die erfolgten Genehmigungen tatsächlich allen Anforderungen des Umwelt- und Naturschutzes Rechnung tragen, ist bisher nicht erfolgt. Diese Rechtslage zwingt nun den Staatsbetrieb Sachsenforst, der den Staatswald des Freistaates verwaltet und bewirtschaftet, zu den notwendigen Schritten zur Vorbereitung und Inbetriebnahme des Abbaufeldes. Die Waldrodung ist demzufolge keine Frage der politischen Entscheidung. Der Staatsbetrieb muss aufgrund bergrechtlicher Verpflichtungen bis Ende 2026 schrittweise insgesamt 24,6 Hektar Waldflächen für den Kiesabbau bereitstellen.
  • Anders verhält es sich bei dem geplanten Abbaufeld Würschnitz-West. Hier steht der Planfeststellungsbeschluss noch aus. Ein genehmigter Rahmenbetriebsplan existiert nicht. Ein Abschluss des Planfeststellungsverfahrens ist noch nicht absehbar. Zu welchem Ergebnis die Prüfungen zu potenziellen Gefährdungen der geschützten Arten, der Biotope sowie der unersetzbaren Quell- und Moorgebiete kommen, ist offen.  Auch die hydrogeologischen Auswirkungen des geplanten Kiesabbaus auf den Gesamtraum sind noch nicht abschließend betrachtet und müssen gründlich gegen den Eingriff abgewogen werden. Das Oberbergamt muss in den weiteren Verfahrensschritten die zuständigen Fachbehörden (z. B. Naturschutz-, Wasser-, Forstbehörden) auf der kommunalen Ebene (Landkreise Bautzen, Meißen) beteiligen. Der Naturschutzbund Sachsen hat bereits mit einem Gutachten auf die potenzielle Gefährdung der naheliegenden Moore hingewiesen. 

Warum sprechen wir uns gegen den geplanten Kies-Tagebau Würschnitz-West aus? 

Das vorgesehene Abbaugebiet liegt im ökologisch sensiblen Wassereinzugsgebiet des Töpfergrabens als Teil des Europäischen Vogelschutzgebietes „Laußnitzer Heide“. Im Gebiet gibt es zahlreiche nährstoffarme Quellen, die für Sachsen eine herausragende Bedeutung haben. Neben den hier vorkommenden Vogelarten (z.B. Raufußkauz) sind auch weitere streng geschützte Arten relevant (z.B. Kreuzotter). Eine Beeinträchtigung der Lebensräume dieser Arten muss ausgeschlossen werden. Im nahegelegenen Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Moorwaldgebiet Großdittmannsdorf“ finden sich mehrere wasserabhängige Lebensraumtypen. Hierzu gehören neben Stillgewässern vor allem geschützte Moore, Birken-Moorwälder sowie Erlen-Eschenwälder. Diese reagieren sehr empfindlich auf eine auch nur leicht gestörte Wasserversorgung. Für die Moorgewässer, Moore und Quellbereiche und die in ihnen vorkommenden seltenen und gefährdeten Arten sind sowohl die Wassermenge (Grundwasserstände im Jahresverlauf) als auch die Wasserqualitäten entscheidende Standortfaktoren. So reagieren die Torfkörper schon auf eine auch nur geringfügige Absenkung der Wasserstände negativ. Der Sauerstoffzutritt führt zu Mineralisierungsprozessen, verbunden mit Torfschwund, Klimagasfreisetzung und Nährstoffmobilisierung. Typische und seltene Moorpflanzen und Moorgesellschaften werden dann durch die Einwanderung konkurrenzstärkerer Pflanzen verdrängt bzw. die Standorte verbuschen zunehmend. Solche Prozesse werden bereits bei geringfügigen Änderungen der Wasserstände bzw. der zufließenden Grundwassermengen in Gang gesetzt und durch eine Änderung der Wasserbeschaffenheit hin zu nährstoffreicherem Wasser noch zusätzlich verstärkt. 

Sind Kiesabbau und Moorschutz im geplanten Abbaugebiet Würschnitz-West vereinbar? 

Diese Frage muss im anstehenden Planfeststellungsverfahren rechtssicher geklärt werden. Es muss gutachterlich und transparent überprüft werden, ob ein Kiesabbau oberhalb des Grundwasserspiegels („Trockenschnitt“) unter Verzicht auf die Verfüllung mit Fremdmaterial und mit anschließender grundwassernaher Wiederaufforstung tatsächlich ohne negative Einflüsse oder Gefährdungen der angrenzenden Moorflächen bleibt. Denn auch wenn das Vorhaben nicht direkt in Flächen der Schutzgebiete eingreift, können sich negative Auswirkungen im Gesamtsystem entwickeln. Im Planfeststellungsverfahren ist ebenfalls zu klären, ob, inwieweit und wo konkret eine Rücknahme bzw. Verkleinerung des Abbaugebietes zur Vermeidung solcher Beeinträchtigungen auf die geschützten Gebiete erforderlich ist. All das muss auf Grundlage hydrologischer und naturschutzfachlicher Gutachten detailliert geprüft werden. Wenn erhebliche Gefährdungen der geschützten Arten und Biotope sowie der Quell- und Moorgebiete nicht ausgeschlossen werden können, darf das Vorhaben nicht genehmigt werden. Denn die Moore sind mehrfach gesetzlich geschützt. Daraus ergibt sich ein Klagerecht für die Naturschutzverbände. Würde der Planfeststellungsbeschluss diesen Schutz missachten, wäre er angreifbar und könnte beklagt werden. Es ist sehr gut, dass der Nabu Sachsen seit vielen Jahren mit großer fachlicher Kompetenz die Verfahren im Heidebogen begleitet. Dieses konstruktive und bürgerschaftliche Engagement für Natur und Klima ist weiterhin zwingend notwendig. 

Kann ein Moratorium die anstehende Waldrodung für den Tagebau Würschnitz verhindern?  

Es lässt uns nicht kalt, wenn Wälder gerodet werden. Doch wie oben beschrieben gibt es einen rechtskräftigen Hauptbetriebsplan – ob uns das gefällt oder nicht – und diesen kann das Kieswerk jetzt vollziehen und dies auch mit allen rechtlichen Mitteln durchsetzen. Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag hat nun ein Moratorium gefordert, um den Konflikt im Dialog zu klären und offene Fragen zu beantworten. Die gut klingende Forderung nach einem Moratorium würde Sinn machen, wenn Genehmigungen noch nicht abschließend erteilt und Handlungsspielräume für Neubewertungen bestehen würden. Das ist aber nicht der Fall, abschließendes Abbaurecht besteht. Die Forderung nach einem Moratorium kann sich hier also nur noch an das Bergbau-Unternehmen selbst richten. Es ist nicht bekannt, ob die Linksfraktion den Dialog mit dem Kieswerk gesucht hat, damit dieses angesichts des Protests auf den bereits genehmigten Kiesabbau verzichtet. Die offenen Fragen der Linksfraktion wurden in der Plenarsitzung durch den zuständigen Staatsminister Martin Dulig vom Sächsischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit ausführlich beantwortet

Solidarisiert sich die GRÜNEN JUGEND entgegen der Parteilinie mit dem Protest? 

In der Presseberichterstattung wurde ein scheinbarer Konflikt zwischen der GRÜNEN JUGEND und einer angeblichen „Parteilinie“ konstruiert. Diesen Konflikt gibt es nicht. Im Gegenteil: Landtagsfraktion und Kreisverband Dresden haben klare Positionen gegen den Kiesabbau beschlossen. Es ist nachvollziehbar und auch richtig, dass die der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nahestehenden Jugendorganisationen sich mit dem friedlichen Protest im Heidebogen solidarisieren. Es ist zudem wichtig, dass die GRÜNE JUGEND als eigenständiger, kritischer und unabhängiger Verband die Arbeit von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisch hinterfragt. Junge Menschen dürfen radikalere Forderungen stellen und Dinge grundsätzlicher hinterfragen. Die Entscheidungsträger*innen in Wirtschaft und Politik sollten sich vor allem der Frage stellen, was junge Menschen dazu treibt, gegen Entwicklungen aufzubegehren, die die Lebensgrundlagen künftiger Generationen gefährden.

Kann eine Änderung des Bergrechts den geplanten Kiesabbau verhindern? 

Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist endlich auch eine Reform des Bundesberggesetzes vorgesehen. Das fordern wir BÜNDNISGRÜNE Sachsen seit Jahren. Auch im sächsischen Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass wir uns auf Bundesebene dafür einsetzen. Wir wollen die deutlich bessere Abwägung von Belangen des Natur-, Klima-, und Ressourcenschutzes gegenüber den Belangen der Rohstoffgewinnung, Sicherheitsleistungen für die Wiedernutzbarmachung und die Beweislastumkehr für Betroffene von Tagebau-Bergschäden. Diese Bestrebungen für eine künftige Bergrechtsreform ändern aber nichts an den laufenden Verfahren und bestehenden Genehmigungen in Würschnitz. Dennoch drängen wir mit Nachdruck auf die Änderungen.  

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