Rede zur Regierungserklärung „Sachsen – Was in Zukunft wichtig ist“ zur 17. Sitzung des Sächsischen Landtags (TOP 1) am 9. Juli 2015:
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Vielen Dank, Herr Tillich, für Ihre klaren Worte gegen die menschenverachtende Stimmung und Rassismus in Sachsen.
Diese Worte waren überfällig und wichtig.
Es wäre besser gewesen, Sie hätten diese klaren Worte schon vor Ort gefunden. Unmittelbar nach dem Brandanschlag haben 200 Meißnerinnen und Meißner auf dem Markt deutlich gemacht, dass Meißen nicht für Rassismus und Hass steht, sondern für Weltoffenheit und Solidarität.
Sie waren zeitgleich am Tatort. Es wäre ein Leichtes gewesen 5 Minuten auf den Markt zu kommen und wenige Worte an die Meißner Bürgerschaft zu richten. Sie hätten nur gewinnen können, Aber ich gehe davon aus, ab heute werde Sie das tun.
Deutliche Worte hätte ich mir auch gewünscht zu dem destruktivem Populismus in Ihrer eigenen Fraktion. Für Menschen ohne Papiere einen Aufenthalt hinter Gittern zu empfehlen, weil dies deren Gedächtnisleistung enorm fördert, ist schlichtweg zynisch, rechtswidrig und geht PEGIDA auf den Leim.
Wenn aber der CDU-Fraktionschef Frank Kupfer sagt, dass Alexander Krauß damit recht hat und Sie sich nicht äußern, ist das dann eben kein rechtspopulistischer Ausrutscher von Herrn Krauß mehr – sondern wird zur Haltung der sächsischen CDU-Fraktion!
Und das passt einfach nicht zu Ihrem heute vorgetragenen christlichen Anspruch zuerst Hilfe anzubieten und nicht danach zu fragen, woher jemand kommt, Herr Tillich!
Sie müssen deutliche Worte finden, wenn Verantwortliche das Problem verdrängen. Wie z.B. Landrat Steinbach, der die rechten Umtriebe vom Heimatschutz Meißen nicht sieht oder nicht sehen will. Den Rassisten muss deutlich Paroli geboten werden. Ignoranz wirkt wie Brandbeschleuniger.
Aber ich höre: Hier weht von heute ab ein anderer Wind in der CDU. Der Ministerpräsident hat verstanden, Herr Krauß, Herr Kupfer … Sie müssen jetzt auch den Kurs wechseln.
Sie haben auch anerkannt, dass die weltweit rasant ansteigenden Flüchtlingszahlen an Sachsen nicht vorbei ziehen werden.
Aber sind Sie auch darauf vorbereitet?
Es reicht nicht, dass Sie sich hier Asche aufs Haupt streuen für die Handlungsfehler Ihres Innenministers. Mal ehrlich: Vertrauen Sie darauf, dass er das künftig besser hinbekommt?
Ich nicht. Aber ich traue Ihren wohlklingenden Worten insgesamt nicht.
Sie erzählen uns zum Beispiel derzeit viel von Dialog, als vertrauensbildende Maßnahme in Richtung Bevölkerung. Dabei war es doch vor allem der diskursfeindliche, monarchische Politikstil der sächsischen CDU, der in den vergangenen Jahrzehnten vielen Sachsen die Lust an der Demokratie verleidet hat.
Die politische Bildung in Sachsen liegt im Argen.
Ihre Landeszentrale experimentiert mit fragwürdigen Dialogformaten herum. Es erinnert an Goethes Zauberlehrling. Wenn Sie, Herr Tillich, an dieser Einschätzung zweifeln, lesen sie heute die Sächsische Zeitung: Unser ehemaliger Abgeordneter Gerstenberg wurde am Dienstagabend während einer solchen Veranstaltung von einem Teilnehmer symbolisch erschossen.
Sie erzählen uns, dass Sie mit Menschenfeinden und Rassisten nicht reden. Dann sorgen Sie auch dafür, dass sich in Ihre Dialogforen nicht wieder Rassisten und Menschenfeinde von der NPD hinein mogeln können.
Ein Satz zu Frau Petry: Sie versuchen hier den Rechtsruck der AFD zu vertuschen. Aber Ihre Landtagsabgeordneten standen in Freital mit Asylgegnern, Rassisten und NPD in einer Reihe.
(Nachfrage zu Rechtsruck der AfD)
Es tut mir leid, Herr Wurlitzer, das war dann bestimmt wieder die Lügenpresse. Ich zitiere aus der FAZ vom 25.06.2015: „80 Asylgegner sowie Pegida-Anhänger, NPD-Mitglieder und Landtagsabgeordnete der AfD. ‘Genug geredet, Asylchaos beenden’ steht auf einem AfD-Banner. Lautstark skandiert die Menge ‘Wir wollen keine Asyl-Heime´“. Also, wenn das kein Rechtsruck ist, ich weiß es nicht.
Herr Tillich, was sehr gut ins Ohr geht, sind Ihre wertschätzenden Worte für all die Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, die sich in Gesellschaft und Kommunalpolitik engagieren, für Fach- und Führungskräfte aus anderen Ländern.
Das meine ich ernst.
Sie sollten nur bei zwei Berufsgruppen aufpassen, das die sich dabei nicht veralbert vorkommen: Bei Polizei und Lehrerschaft.
Mal ein Beispiel: In der Polizeidirektion Chemnitz/Erzgebirge, also in der Crystel-Hochburg von Sachsen gibt es gerade mal 10 Beamte für den Bereich Drogenkriminalität. Für Ihre nette Worte kriegen sie von denen vielleicht ein müdes Lächeln.
Wenn dann aber noch die populistische CDU-Forderung nach mehr Grenzkontrollen vorgetragen wird, klingt das für die wie ein schlechter Witz, Herr Tillich.
Und wenn es Ihnen ernst ist mit der Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs reichen warme Worte der Wertschätzung nicht. Sie müssen alles dafür tun, dass Sachsen beim Wettbewerb um dringend benötigten Lehrernachwuchs nicht das Nachsehen hat.
Denn die anderen Bundesländer schlafen auch nicht!
Nun sind Sie ja ganz stolz, dass Sie die Klimaabgabe verhindert haben. Ich frage mich nur, auf was Sie da stolz sind?
Stolz darauf, genau das Gegenteil von Planungssicherheit für Betreiber und Investoren in der erreicht zu haben? Stolz, dass Millionen Tonnen CO2 zusätzlich in die Atmosphäre geblasen werden? Stolz, dass die betroffenen Menschen nun wieder keine Klarheit für ihr weiteres Leben bekommen?
Dabei hat Vattenfall das Interesse an der Braunkohleförderung verloren und ob die einen Käufer finden, ist fraglich. Notwendig wäre jetzt ein planbarer, geordneter, schrittweiser Rückzug bei dem alle Beteiligten frühzeitig wissen, was auf sie zukommt.
Natürlich sind die Ängste vor dem Verlust des Gewohnten groß und die Vorteile dessen, was danach kommt, sind noch nicht greifbar. Aber in einer solchen Situation wirkt Zögern, Verschleppen, nichts Entscheiden und falsche-Hoffnungen-machen wie Gift.
Und ich sage es deutlich: Sie reden die vielen Unternehmen in der Lausitz schlecht, wenn Sie immer so tun, das die Region derzeit neben der Kohle keine Zukunftsperspektive hat.
Ja, wir brauchen eine neue Perspektive für 2000 Kohlearbeitsplätze. Aber wir müssen auch die anderen 190.000 Arbeitsplätze in der Lausitz im Blick behalten!
Den Braunkohleausstieg muss niemand mehr fordern. Der kommt von ganz allein. Wer aber schlecht vorbereitet ist, wer anstehende Entscheidungen verschiebt, der wird von den Veränderungen überrollt und riskiert am Ende wirklich den Verlust von Arbeitsplätzen.
Sie sind übrigens auch nicht vorbereitet auf die rasant fortschreitenden Klimaveränderungen. Stattdessen träumen Sie mir Ihrem tschechischen Amtskollegen von der großen Zukunft der Binnenschifffahrt auf der Elbe. Dabei brauchen Sie doch nur die realen Pegelstände anzuschauen, um zu sehen, dass dieser Traum ausgeträumt ist.
Herr Tillich, bitte nehmen Sie die Messdaten und Prognosen ihres eigenen Landesamtes ernst: es gab in den letzten 3 Dekaden einen hohen Anstieg der mittleren Jahrestemperatur. In Folge deutlich mehr Hitzeperioden, Überschwemmungen, Sturmschäden, und Nässe- und Trockenschäden, Ernteausfälle, Schäden an der Infrastruktur, hohe Gesundheitsbelastungen.
Wir müssen uns darauf vorbereiten im Gesundheitssystem, in Land- und Forstwirtschaft, im Städtebau.
Was Sie sofort tun können: Geben Sie den Städten den Baumschutz zurück. Das schwarz-gelbe Baum-Ab-Gesetz ist das Gegenteil einer klugen Klimanpassungsstrategie!
Und wenn Sie im Bereich Mobilität schon auf Elektromobilität setzen, dann tun Sie es bitte glaubwürdig! Die Menschen glauben nämlich nicht, das E-Mobilität in Sachsen funktioniert. Holen Sie sich wenigsten einen i3 vor die Staatskanzlei! Lassen Sie sich von der DREWAG eine Ladestation dazu stellen und zeigen Sie als erster Mann im Land, wie Elektromobilität funktioniert!
Herr Nothnagel von der Wirtschaftsförderung Sachsen macht es Ihnen bereits vor und dann machen wir das hier bei einem Teil der Dienstwagen im Landtag am Besten in Verbindung mit einem intelligenten Carsharing nach, damit alle einen Nutzen haben!
Wenn Sie nicht selber demonstrieren, wie es geht, bleibt ihr tolles „Schaufenster Elektromobilität“ eben nur nur Schaufensterpolitik.
Was mir sehr gut gefallen hat, Herr Tillich, ist das, was sie über Rahmenbedingungen für Innovation, Investition und Internationalität gesagt haben.
In den letzten Wochen habe ich Menschen besucht, die eine Idee haben, was in Zukunft wichtig ist: Ich war bei Tüftlern, Handwerkern, Forschern, Studierenden, Professoren, jungen Unternehmern, Pädagogen und Ingenieuren. Kurzum, bei Menschen, die nicht Stille sitzen können angesichts der enormen Veränderungen, die auf Sachsen zukommen und Sachsen kann sich Stillstand nicht leisten.
Das Land braucht dringend Innovation für neue Energien, mehr Klimaschutz, bessere Kreislaufwirtschaft, gemeinsames, lebenslanges Lernen, Gesundheit oder Pflege und gutes Zusammenleben in der Gesellschaft.
Innovationspolitik wird an Bedeutung gewinnen. Gerade der ökologische Umbau bietet vielfältige Chancen für neuartige Produkte und Änderung der Verfahren. Wer hier die Nase vorn hat, kann die Chancen dieser Zukunftsmärkte besser nutzen.
Sie tun bereits einiges für Innovationskultur.
Doch diese beginnt schon in den Schulen. Besonders in den sächsischen Hochschulen ist aber die Situation für das wissenschaftliche Personal dramatisch: Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Unsicherheit und fehlende Perspektiven. Wir haben das gestern ausführlich diskutiert.Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für wissenschaftliche Innovationen und Dynamik.
Neue Ideen und zukunftsweisende Forschungsergebnisse führen aber nicht automatisch zu Marktreife, zu Firmengründungen oder Unternehmensansiedlung. Hier sind noch viele Hemmnisse zu beseitigen.
Auch das Image von Städten und Regionen hat Einfluss auf eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik. Vermeintliche Rückständigkeit, Schlagzeilen über Fremdenfeindlichkeit können sich schnell zu Ansiedlungshindernissen entwickeln.
Wenn erst das Etikett der Fremdenfeindlichkeit an einer Kommune klebt, geht es so schnell nicht mehr ab. Wenn Sie auf Investoren und internationale Fachkräfte aus aller Welt hoffen, dürfen Sie nicht zulassen, das Fremdenhass heruntergespielt oder ignoriert wird.
Wenn Sie sich aktiv um Aufgeschlossenheit, Selbstbewusstsein und Weltoffenheit in den sächsischen Regionen kümmern, können Sie mit unserer Unterstützung rechnen.
Zum Schluss, Herr Tillich, Sie sagen: „Gemeinsam haben wir in Sachsen in den zurückliegenden Jahren viel erreicht.“
Also zumindest hier Landtag streiten Ihre Fraktionskollegen dies ständig ab.
Seit Jahren höre ich bei jedem Antrag von uns:
„Euer Engagement brauchen wir hier nicht.“
„Das machen wir auch ohne Initiative der GRÜNEN.“
„Was die GRÜNEN erreichen wollen, wollen wir selber auch erreichen.“
„Das hatten wir sowieso vor – deswegen lehnen wir den GRÜNEN Antrag ab.“
Also Mal ehrlich: Was soll dieser Spruch vom „Gemeinsam viel erreichen“? Sorgen Sie bitte für eine Änderung der parlamentarische Kultur oder verschonen Sie uns künftig mit solchen Phrasen.
Vielen Dank!