Dresden. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag fordert von der Staatsregierung, bis Ende des Jahres einen Nachtragshaushalt für 2018 vorzulegen.Ein entsprechender Antrag wurde gestern (26.10.) in den Landtag eingebracht und soll im November-Plenum (15./16.11.) behandelt werden.
“Neue Köpfe sind noch keine neue Politik. Neue Maßnahmenpakete, in denen lediglich sowieso geplante Projekte neu verpackt werden, lösen die strukturellen Probleme im Freistaat nicht”, begründet Fraktionsvorsitzender Volkmar Zschocke den Antrag.”Sachsen braucht einen ehrlichen Neuanfang. Dieser ist ohne klaren finanzpolitischen Kurswechsel nicht möglich. All die Ankündigungen der Herren Tillich, Kretschmer, Dulig und weiteren Politikern der CDU/SPD-Koalition aus den letzten Wochen erfordern zwingend die Vorlage eines Nachtragshaushaltes für das kommende Jahr. Das werden wir im nächsten Plenum beantragen. Diesen Kurswechsel erst mit dem neuen Doppelhaushalt 2019/20 einzuleiten, wird zu spät sein.”
“Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sagt: Ohne inhaltliche Konsequenzen kann Michael Kretschmer von der SPD nicht zum Ministerpräsident gemacht werden. Wir GRÜNEN sagen: Ohne Nachtragshaushalt werden inhaltliche Konsequenzen nicht wirksam”, erklärt Zschocke. “Wer das Vertrauen von Menschen zurückgewinnen will, darf nicht nur ankündigen. Wenn CDU und SPD ihren Kurswechsel ehrlich meinen, können sie sich unserer Forderung nach einem Nachtragshaushalt gar nicht verweigern.”
Franziska Schubert, stellv. Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion, verweist darauf, dass die Personalpolitik der Staatsregierung gegen die Wand läuft und dringend ein Umsteuern erfordert.”In den nächsten 13 Jahren wird die Hälfte des öffentlichen Dienstes in der sächsischen Staatsverwaltung aus Altersgründen ausscheiden. Wir können nicht erst dann nach neuen Leuten suchen. Jetzt müssen die Stellen vorgehalten werden, um ab sofort geeigneten Nachwuchs in den sächsischen öffentlichen Dienst zu holen und damit auch mittelfristig die Arbeits- und Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Wir GRÜNEN haben schon vor einem Jahr dazu einen Vorschlag – GRÜNE Personaloffensive – vorgelegt. Diese deckt neben den Bereichen der Lehrkräften und Polizeibediensteten auch das Personal der Gerichte, der Staatsanwaltschaften, des Justizvollzugs, der Landesdirektion, des Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, des Landesamts für Straßen und Verkehr, des statistischen Landesamts, des Landesamts für Denkmalpflege, des Staatsarchivs, der staatlichen Kunstsammlungen und der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesens ab.”
“Auch der frühkindliche Bildungsbereich wurde viel zu lange auf Verschleiß gefahren. Wir fordern, dass die Betreuungsschlüssel spürbar auf 1:4 in der Krippe und 1:10 im Kindergarten gesenkt werden. Wer hohe Ansprüche im sächsischen Bildungsplan verankert, muss auch den Rahmen setzen, damit Erzieherinnen und Erzieher diesen Auftrag erfüllen können. Die Mehrausgaben dürfen aber nicht bei Kommunen und Eltern hängenbleiben.”
“Der Öffentliche Personennahverkehr wurde über Jahre nur nach Auslastung bewertet und gnadenlos zusammengestrichen. Der gesamte ländliche Raum wurde damit systematisch abgehängt. Unter CDU/SPD wurde nicht gegengesteuert. Wir GRÜNE haben bereits 2009 mit dem Sachsentakt einen Vorschlag vorgelegt, wie vorausschauende Infrastrukturpolitik aussehen kann. Unser Ziel ist es, dass alle Mittel- und Oberzentren Sachsens tagsüber stündlich angefahren und mit Bahn und Bus in den ländlichen Raum ergänzt werden. Wir reden über einen abgestimmten Taktfahrplan mit kurzen Wartezeiten und leicht zu merkenden Abfahrtszeiten”, erläutert Schubert.”Aber auch der flächendeckende Breitbandausbau muss endlich erfolgen. Hier braucht es erheblich mehr Koordination sowie Lösungen für Kommunen, die den Eigenanteil gemäß Richtlinie nicht aufbringen können.”
“Angesichts des Insektensterbens und des Artenschwunds erwarten wir ein klares Bekenntnis zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Dabei spielt die Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die wieder im Einklang mit der Natur produziert. Der Einsatz von Pestiziden muss dramatisch gesenkt werden. Zugleich muss dem Trend zu immer größeren Strukturen, die losgelöst von regionalen Wertschöpfungskreisläufen und Rücksichtnahmen produzieren und verkaufen, entgegengewirkt werden, wenn der ländliche Raum eine Zukunft haben soll.”
“Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt muss erheblich mehr getan werden. Die Erhöhung der Jugendpauschale, die Einführung einer zusätzlichen Jugendpauschale ‘Integration’ und mehr Mittel für das Arbeitsmarktmentorenprogramm für die Integration von Geflüchteten wären hier wichtige Ansatzpunkte.”
“Die Kommunen müssen in der Lage sein, vor Ort präventive Arbeit zur Stärkung von Kindern, Jugendlichen und ihrer Angehörigen anbieten zu können. Für ein wertschätzendes gesellschaftliches Miteinander müssen auch Bürgerbeteiligung und Ehrenamt viel stärker als bisher unterstützt werden”, erklärt die Abgeordnete Franziska Schubert.
“Entweder gelingt jetzt der Kurswechsel hin zu einer zukunftsfähigen Personalentwicklung in allen Bereichen des Freistaats oder das Land steuert in eine Abwärtsspirale, an deren Ende die Funktionsfähigkeit des Staates in Frage steht”, untermauert Fraktionsvorsitzender Volkmar Zschocke die Forderungen aus dem Antrag.
“Entweder gelingt es jetzt, die Kluft zwischen Stadt und Land zu verringern, oder einige ländliche Regionen werden vollends abgehängt. Entweder es gelingt jetzt, ernsthafte Bürgerbeteiligung und politische Bildung zu stärken oder Sachsen bleibt weiter in teilweise vordemokratischen Verhältnissen stecken. Entweder es gelingt jetzt, soziale Prävention und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stabilisieren oder die Folgen sozialer Verwerfungen entwickeln sich zu unkalkulierbaren finanziellen Risiken.”
GRÜNER Antrag ‘Nachtragshaushalt vorlegen! Für einen ehrlichen Neuanfang in Sachsen’ (Drs 6/11106)