Diese Fotos sind am 7. Oktober 1989 an der Zentralhaltestelle Karl-Marx-Stadt entstanden. Sie zeigen Angehörige der sogenannten Betriebskampfgruppen der DDR.
Wir sind an diesem Tag vor 35 Jahren in einer ersten größeren Protestdemonstration vom Luxor-Palast zur Zentralhaltestelle gelaufen. Demonstration ist eigentlich übertrieben. Es war eher ein Schweigemarsch von vielleicht 700 – 800 Menschen, die in einer Mischung aus Mut und Angst spontan von einer Veranstaltung im Luxor-Palast gemeinsam losliefen. An der Zentralhaltestelle standen uns Polizisten mit Schild und Schlagstöcken gegenüber. Hinter uns rückten mit untergehakten Armen die Angehörigen der Kampfgruppen nach. Es kam auch zu Verhaftungen. Bekannte von mir wurden mehrere Tage im Kaßberg-Gefängnis inhaftiert.
Beim Betrachten der Bilder wird mir wieder bewusst, welche Auswüchse die Repression im DDR-Regime entwickelte: Da wurden Werktätige gegen Werktätige in den Kampf geschickt. Es war nicht ausgeschlossen, dass sich bei solchen Einsätzen plötzlich Kollegen feindlich gegenüberstehen oder auch Väter ihren Kindern.
Die auf den Fotos zivil und eher harmlos erscheinenden Betriebskampfgruppen der Arbeiterklasse waren eine Art paramilitärische Organisation, die in den volkseigenen Betrieben und staatlichen Einrichtungen angesiedelt war. Ihre Mitglieder, meistens SED-Angehörige, sollten im Falle von Unruhen oder „antisozialistischen“ Aktivitäten eingreifen. Sie sollten für Ruhe und Ordnung in den Betrieben sorgen, Streiks und Proteste unterdrücken und die SED-Macht stützen.
Die Existenz solcher Betriebskampfgruppen illustriert die totalitären Züge der DDR. Sie sind ein Ausdruck der Militarisierung einer gesamten Gesellschaft. Auch wenn es heute gern verklärend so dargestellt wird: Die DDR war keineswegs ein Friedensstaat. Sie führte mit Schikane, Einschüchterung und ständiger Bedrohung eine Art Dauerkampf gegen jede Form von Abweichung und Widerspruch, um eine flächendeckende Akzeptanz des sozialistischen Systems zu erzwingen.
Die so auch von Betriebsangehörigen erzwungene Bereitschaft, im Zweifel Gewalt selbst gegen die eigene Bevölkerung anzuwenden, ist charakteristisch für das SED-Regimes. Nichts, aber auch gar nichts davon kann ich im Nachhinein relativieren oder gar beschönigen – wie es von einigen heute gern getan wird.





