Wie immer toll moderiert von Egmont Elschner fand gestern ein Jour Fixe Kultur vom Freundeskreis Chemnitz 2025 über die Zukunft der Kultur in Chemnitz statt. Thema: „OB-Kandidat*innen Kulturansichten“.
Natürlich wurde im Podium wieder das alte Argument vorgetragen: „Erst die Wirtschaft, dann die Kultur.“ Das ist eine fatale Fehleinschätzung. Denn es ist vor allem die Kultur einer Stadt, die überregional ausstrahlt, Aufmerksamkeit schafft und anzieht. So sind Gäste in Chemnitz positiv überrascht sind, weil sie diese Qualität nicht erwartet hatten. Fachkräfte zieht es zunehmend in die Städte, in denen ihnen die kulturelle Szene am besten gefällt. Berufspendler*innen überlegen, ob es nicht cooler ist, nicht nur in Chemnitz zu arbeiten, sondern auch zu leben. Student*innen bleiben nach ihrem Abschluss, weil sie hier eben nicht nur einen guten Job, sondern auch Urbanität und Lebendigkeit finden. Kreative suchen ein spannendes Umfeld und Freiräume zum Arbeiten und Experimentieren. Arbeitgeber*innen sind an Personal interessiert, welches sich wohl in der Stadt fühlt. Eltern legen Wert auf die kulturelle Bildung ihrer Kinder – zum Beispiel in der Musikschule. Investoren werden auf Orte mit überregionaler Ausstrahlung aufmerksam.
Chemnitz hat kulturell hohes Ansehen und viel zu bieten: Robert-Schumann-Philharmonie, Oper, Schauspielhaus, Kunst-, Technik- und Naturkundemuseen. Große Inszenierungen und innovativen Ausstellungen locken Gäste von weit her. Das Tietz bietet für die Stadtbewohnerinnen und Bewohner kulturelle Bildung auf hohem Niveau. Die soziokulturelle Szene lädt zu spannenden, unerwarteten Entdeckungen ein. Es ist falsch, Kultur insgesamt und insbesondere das Theater immer nur auf einen Kostenfaktor zu reduzieren. Viel besser wäre es, darüber zu reden, welchen Wert das Theater für Stadt und Region hat. Ich möchte darüber diskutieren, was Kultur uns wert ist und nicht darüber, wie sehr sie den Haushalt belastet. Oberzentrum zu sein, heißt, Verantwortung für Stadt, Umland und Region zu tragen. Deshalb braucht Westsachsen genauso wie die Regionen Dresden und Leipzig ein Volltheater mit hohen Qualitätsstandards.
Die kulturelle Ausstrahlung einer Stadt ist aber nicht nur für den Arbeitsort und Wirtschaftsstandort zukunftsentscheidend, sondern für die Stadtgesellschaft insgesamt. Chemnitz wächst mit Kultur. Die Kulturhauptstadt-Bewerbung rückt die Stadt europaweit in den Blick. Das wird viele positive Wirkungen auf die Anziehungskraft und Lebensqualität der Stadt haben.
Es macht daher auf jeden Fall Sinn, verbindliche Limits für Kultur im Haushalt zu vereinbaren. Aber wir dürfen uns nicht darauf ausruhen. Denn der Verteilungskampf um begrenzte Haushaltsmittel wird nach Corona zunehmen. Kulturmittel müssen zudem bedarfsgerecht und passgenau ausgereicht werden. Wichtig sind auch flexible Bewilligungszeiträume – bis hin zu mehrjährige Förderzusagen. Ich stehe zudem für eine Politik, die Kultur wegen ihres Eigenwertes fördert. Denn sie befähigt Menschen zu Identitätsbildung, zu Kritik und zu Suche nach persönlichen und gesellschaftlichen Visionen. Deshalb will ich kulturelle Aktivitäten und künstlerische Betätigung für viele Menschen ermöglichen und öffentliche Kulturräume wie Jugendhäuser, Ateliers, Proberäume, Theater, Musikschule und Ausstellungsorte erhalten und weiterentwickeln.
Chemnitz ist in seiner Geschichte von der Industrie geprägt. Mit Revitalisierung und wirtschaftlich tragfähigen Nutzungskonzepten in ehemaligen Industriestandorten – zum Beispiel entlang der Zwickauer Straße – können wir in den kommenden Jahren ein neues Kapitel der industriekulturellen Prägung von Chemnitz aufschlagen. Denn wie kaum eine andere Stadt bietet Chemnitz viele Freiräume für Kreative zum Experimentieren und Arbeiten. Als Oberbürgermeister will ich mich dafür stark machen, dass neue, innovative und alternative Projekte nicht an fehlender Toleranz, Mutlosigkeit, bürokratische Hürden oder Kosten scheitern. „Stadt entfalten statt verwalten“ muss als Grundsatz gelten. Die Stadt hat zu ihrem Glück Menschen, die sich in Kultur- und Kreativwirtschaft aktiv einbringen. Wer sich hier engagiert, soll unterstützt werden!
Wichtig für die kulturelle Belebung der Innenstadt wäre es, die gesamte Bandbreite der in der Innenstadt zulässigen Nutzungen zu ermöglichen. Urbanität und Lebendigkeit entstehen, wenn sie zugelassen werden. Hier braucht es mutige Ämter, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Die Mitarbeiter*innen müssen sich darauf verlassen können, dass die Verwaltungsspitze schützend vor ihnen steht, gerade wenn es zu Konflikten kommt.
Corona hat zudem offenbart, dass bei der Digitalisierung in Chemnitz noch ordentlich Luft nach oben ist. Stadt der Moderne? Der Aufbruch in die Digitalmoderne ist auch eine kulturelle Frage. Die Erweiterung der digitalen Infrastruktur muss breite Zugänglichkeit zu kulturellen Ressourcen und Potentialen in unserer Stadt ermöglichen. Der Weg zur SmartCity muss auch über die Bereiche Kultur, Tourismus und Partizipation führen.