Eröffnung der Fotoausstellung „Frauen von Hoheneck“

Mich lässt das nicht los: Sie ist so alt wie ich. Mit 19 Jahre wurde sie eingesperrt – nur weil sie frei sein wollte. Nach einem Antrag ihrer Eltern auf Ausreise aus der DDR musste Birgit Schlicke die Oberschule verlassen, durfte keine Ausbildung machen und landete im März 1988 im Frauenzuchthaus Hoheneck in Stollberg. Während ich mich über den Fall der Mauer freute, war sie immer noch in Haft. Erst am 17. November 1989 (!) wurde sie in die Freiheit entlassen.

18 weitere schwer fassbare Geschichten von politischen Haftinsassinnen sind ab sofort im Lern- und Gedenkort Kaßberggefängnis in der Fotoausstellung „Frauen von Hoheneck“ bis zum 4. Februar 2025 zu sehen. Ein Besuch der Ausstellung geht unter die Haut, weil sie die menschenverachtenden Machenschaften des DDR-Regimes offenlegt.

Hoheneck war das größte Frauengefängnis der DDR. Tausende weibliche Gefangene waren dort von 1949 bis 1989 unter schlimmen Haftbedingungen eingesperrt und permanenten Repressalien ausgesetzt: Drill, Zwangsarbeit, Schikane waren an der Tagesordnung. Da es in der SED-Diktatur offiziell keine politischen Gefangenen geben durfte, wurden politische Gefangene bewusst zusammen mit Straftäterinnen und Straftätern untergebracht. Birgit Schlicke schreibt: „Ich war allein unter den Kriminellen. Ich habe die Hölle von Hoheneck überstanden. Jetzt kann eigentlich nichts Schlimmeres mehr kommen.“

Ich bin sehr dankbar über unser heutiges Leben in einem demokratischen Rechtsstaat. Auch wenn es viel Kritikwürdiges und besorgniserregende Entwicklungen gibt, verbieten sich Vergleiche heutiger Verhältnisse mit der DDR-Diktatur. Ich möchte niemandem schöne Erinnerungen an das eigene Leben während der DDR-Zeit ausreden. Doch wer bereit ist, Kopf und Herz dafür zu öffnen, was anderen in dieser Zeit widerfahren ist, sollte diese Ausstellung unbedingt besuchen. Die emotionale Erschütterung über das erlittene Unrecht kann in uns auch Kräfte freisetzen, alles dafür zu tun, das Freiheit und Demokratie nicht wieder verloren gehen.

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