Rede zur 21. Sitzung des Sächsischen Landtags, 07. Oktober 2015, TOP 9
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
viele ehemalige Heimkinder in Behinderteneinrichtungen und Psychiatrien zu DDR-Zeiten haben gelitten. Berichte von grausamen und menschenunwürdigen Maßnahmen und Unterbringungen liegen vielfach vor und erschüttern.
Im Bundestag sind bereits mehrere Petitionen eingegangen, in denen Betroffene zu Recht eine Rehabilitierung fordern. Auch wir Abgeordneten haben uns im Sommer im Sozialausschuss mit einer Petition zu diesem Anliegen beschäftigt. Dennoch: Das Leid dieser Betroffenengruppe wurde bis heute nicht öffentlich anerkannt. Im DDR-Heimkinderfonds wurden sie nicht als Anspruchsberechtigte berücksichtigt. Das heißt: Sie wurden bei der Einrichtung des Heimkinderfonds schlichtweg vergessen.
Am 9. September gab es in Berlin eine Anhörung mit Betroffenen. Dabei wurden verschiedene Lösungsvorschläge diskutiert. Alle drei vorgeschlagenen Finanzierungsoptionen scheiterten jedoch daran, dass jeweils mindestens ein Partner – Bund, Länder oder Kirchen – nicht zugestimmt haben. Das Treffen endete ohne Einigung und unter großer Kritik der geladenen Betroffenen. Das bedeutet, eine Lösung ist noch immer nicht in Sicht. Die nächste Sozialministerkonferenz am 18. und 19. November in Erfurt wird das weitere Verfahren beschließen. Ziel muss es sein, die grundsätzlichen Entscheidungen noch in diesem Jahr zu treffen.
Auch Sachsen muss seinen Beitrag dazu leisten, dass diese Ungleichbehandlung schnell beendet wird. Denn das Thema ist nicht neu. Seit 2013 beraten Bund und Länder, wie den Betroffenen geholfen werden kann. Bisher ohne Lösung. An der Arbeitsgruppe auf Bundesebene, ist auch das sächsische Sozialministerium beteiligt. Sozialministerin Barbara Klepsch muss sich für eine zügige Lösung einsetzen. Wir fordern Sie auf, sich auf Bundesebene und im Rahmen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz im November für die Schaffung eines Fonds einzusetzen.
Für uns Bündnisgrüne ist völlig klar, dass diejenigen, die in Einrichtungen Zwang, Unrecht und Leid erleben mussten, nicht in Vergessenheit geraten dürfen. Auch Sie müssen ein Recht auf Hilfs- und Unterstützungsleistung erhalten. Es darf keinen Unterschied machen, ob sie zu DDR-Zeiten in Einrichtungen der Jugendhilfe, der Behindertenhilfe oder der Psychiatrie untergebracht waren. Deshalb setzen wir uns für die Schaffung eines Fonds ein.
Außerdem schlagen wir eine wissenschaftliche Studie aller ostdeutschen Länder vor. Damit soll das System der Behindertenheime und Psychiatrien in der ehemaligen DDR und den dortigen Umgang mit Kindern und Jugendlichen aufgearbeitet werden. Die Studie und ihre Ergebnisse sollen im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung präsentiert werden. Um eine breite öffentliche Beteiligung und Aufarbeitung zu ermöglichen, schlagen wir vor eine Ausstellung dazu zu machen. Auch dabei sollen möglichst alle Ost-Länder einbezogen werden. In diesem Sinne hat auch die GRÜNE-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt einen gleichlautenden Antrag in den Landtag eingebracht.
Wir GRÜNE bringen heute gemeinsam mit der Koalition einen Änderungsantrag ein. Das machen wir, weil die Änderungen im wesentlichen unsere Forderungen im Ursprungsantrag entsprechen. Wir machen mit diesem Änderungsantrag deutlich, dass Sachsen sich vor der Sozialministerkonferenz für eine gemeinsame Aufarbeitung einsetzen wird. Dabei werden alle ostdeutschen Länder angesprochen. Dieser Änderungsantrag ist aber auch ein klares Bekenntnis für Hilfs- und Unterstützungsleistungen der Betroffenen.
Sinnvoll und richtig ist, dass der vorliegende Antrag um einen Berichtsantrag ergänzt wird. Die Staatsregierung wird mit diesen Änderungsantrag aufgefordert, zum aktuellen Umsetzung bereits getroffener Beschlüsse der letzten Sozialministerkonferenz zu berichten. Auch über die Ergebnisse der kommenden Sozialministerkonferenz im November soll der Landtag informiert werden. Dadurch werden die Beschlüsse und Diskussionen zwischen Bund, Ländern und Kirchen transparent gestaltet.
Die Zusammenarbeit von Opposition und Koalition, wenn man sich in der Sache einig ist, sollte viel häufiger in diesem Landtag stattfinden.
Ich bin mir sicher, der gemeinsame Änderungsantrag ist das richtige Signal. 25 Jahre Wiedervereinigung ist nicht nur ein Grund zu feiern. Es muss auch Anlass sein, DDR-Unrecht klar zu benennen, erlittenes Leid anzuerkennen und öffentlich aufzuarbeiten. Ich hoffe auf eine breite Unterstützung in den Fraktionen.