E-Health: Digitalisierung im Gesundheitswesen hat große Potenziale, Voraussetzung sind verlässliche Rahmenbedingungen

Rede zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD zum Thema „E-Health im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/12063) in der 69. Sitzung des Sächsischen Landtags am 15. März 2018, TOP 6

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

die Koalition stellt im Wesentlichen einen Berichtsantrag, den die Staatsregierung in der Stellungnahme bereits erfüllt. Tenor: Vieles ist in Gang gekommen, alles ist auf einem guten Weg, der Freistaat nimmt Geld für die Digitalisierung im Gesundheitswesen in die Hand. Die Rahmenbedingungen werden bereits jetzt verbessert, durch „Maßnahmen zur Akzeptanzförderung und Aufklärung telemedizinischer Anwendungen bei Leistungsempfänger und Leistungserbringer“, so die Einschätzung der Staatsregierung.

Doch wir GRÜNEN müssen etwas Wasser in den Wein gießen! Eine flächendeckende funktionierende Telematikinfrastruktur in Deutschland bleibt bisher Wunschdenken! Vieles wird bereits lange diskutiert und steckt doch in den Anfängen fest:

die Elektronische Gesundheitskarte ist bisher nicht mehr als ein Ausweis mit Foto
patientenbezogene Anwendungen bleiben kleine Modelllösungen
der Medikationsplan steht noch immer auf dem Papier

Sachsen hat mehrere Baustellen:

Viel Geld steht bereit: Für 2017/18 stehen insgesamt 10 Millionen Euro zur Förderung von Telemedizin, eHealth und technischen Assistenzsystemen zur Verfügung. Dazu kommen noch einmal rund 28 Millionen Euro im Zeitraum von 2014 bis 2020 aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Eine neuen Förderrichtlinie eHealthSax wurde vor kurzem veröffentlicht. Der eHealth-Fachbeirat tagt seit 2016 regelmäßig. Doch viel Geld, hilft nicht automatisch viel! Es sind insgesamt 14 Projekte aus EU-Mitteln bewilligt und sieben weitere über die Landesförderrichtlinie beantragt.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat große Potentiale. Durch eine bessere Kommunikation und Koordination von Ärztinnen, Ärzten und anderen Leistungserbringern und das Teilen von Informationen können Sektorengrenzen überwunden werden. Aber die Staatsregierung braucht eine Zukunftsstrategie. Es müssen verlässliche Rahmenbedingungen und Orientierungen geschaffen werden, anstatt die Entwicklung zu großen Teilen der Selbstverwaltung und Gesundheitswirtschaft zu überlassen. Gesundheitsministerin Klepsch veröffentlicht regelmäßig Pressemitteilungen zur Telemedizin. Doch der Freistaat fördert überwiegende Forschungsvorhaben, Pilotprojekte, Modellregionen. Welchen Gestaltungsanspruch die Staatsregierung im Bereich E-Health hat, das bleibt vage. Doch wer den ländlichen Raum wirklich stärken will, muss eine Vision entwickeln, wie Telemedizin dazu beitragen soll, dass die medizinische Versorgung in schrumpfenden Regionen sichergestellt wird.

Der Breitbandausbau liegt um Längen hinter dem, was jahrelang von CDU, SPD und zuvor auch von der FDP in Regierungsverantwortung angekündigt wurde. Nun hat Ministerpräsident Kretschmer nach der Haushaltsklausur der CDU in dieser Woche 120 Millionen pro Jahr für die Digitalisierung versprochen. Ein Plan, wie das selbstgesteckte Ziel flächendeckender Breitbandverfügbarkeit von mindestens 100 Mbit/s bis 2025 erreicht werden soll, ist noch nicht erkennbar. Fakt ist, Telemedizin braucht ein schnelles und stabiles Internet. In vielen ländlichen Regionen Sachsens ist das bis auf Weiteres nicht gegeben. Ohne diese Grundvoraussetzung aber laufen Pilotprojekte ins Leere, erscheinen Video-Sprechstunden wie Science-Fiction und bleiben elektronische Notarztabrechnungen eine halbe Ewigkeit liegen.

Die Patientinnen und Patienten müssen aktiv mitgenommen werden in diesem Prozess. Sie wissen am besten, wie die Digitalisierung in ihrem Sinne gestaltet werden kann und wie sie ihnen nützt. Die Mitbestimmungsrechte von Patientinnen und Patienten müssen gestärkt werden. Doch Patientenvertreter sind keine ständigen Mitglieder im e-Health Beirat des Landes! Wer für die Telemedizin wirbst, darf die davon betroffenen Patienten nicht außen vor lassen. (Stellungnahme zu I. 2. und I. 6.)

Digitalisierung stellt an die Politik große Aufgaben, was die Datenschutzstandards anbelangt. Der durchgehende Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten aller Versicherten hat oberste Priorität. Das betrifft alle Versorgungsbereiche, alle elektronischen Medizinprodukte und auch die elektronische Patientenakte. Die Versicherten müssen selbst entscheiden können, welche ihrer Gesundheitsdaten sie freigeben.

Der Antrag der Koalition greift einen wichtiges Thema auf, ohne jedoch auf die zentralen Herausforderungen Breitbandausbau, Datenschutz und Patientenorientierung näher einzugehen. Wir stimmen dem Antrag der Koalition trotzdem zu. In der Sache beschließen wir heute nichts falsches, aber auch nichts weltbewegendes.

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