Fraktionserklärungen aus aktuellem Anlass zur Stadtratssitzung am 18. Juni 2025
Gestern haben wir an den 17. Juni 1953 erinnert. Mutige Arbeiter, Studierende und Bürger begehrten damals gegen die unerträglichen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in der DDR auf. Auch heute wollen Menschen beispielsweise in Syrien, Afghanistan, Eritrea, im Iran autoritärer Repression und wirtschaftlicher Not entkommen, gegen die der 17. Juni 1953 symbolisch steht. Das Gedenken an diesen Tag ist historische Rückschau und Solidaritätsbekundung gegenüber Menschen, die heute in Diktaturen leben.
Wer diesen historischen Tag ernst nimmt, kann die heutige Sehnsucht nach Freiheit, Selbstbestimmung und Sicherheit nicht ausblenden. Und wer sich gestern ehrlich an der Stele auf dem Kaßberg vor den Opfern des 17. Juni verneigt hat, kann nicht gleichzeitig neuen autoritären Ideologen wie Martin Sellner huldigen. Denn Sellners Forderungen negieren den Freiheitswillen Tausender Menschen. Seine pauschale Forderung nach Zwangsrückführung großer Gruppen ist ein Angriff auf die Werte des wiedervereinten Deutschlands. Völkischen Ideologen wie Sellner geht es um eine ethnisch begründete „Umgestaltung“ ganz Europas.
Die Demonstrierenden von 1953 und auch von 1989 forderten Freiheit und Mitbestimmung – nicht ethnische Reinheit, völkische Homogenität oder „Remigration“. Sie kämpften gegen ein autoritäres System, nicht für ein neues. Die Ideologie der Identitären Bewegung hingegen steht für autoritäre Politik, nur unter anderem Vorzeichen. Wer pauschale „Remigration“ fordert, entzieht den Menschen ihr neues Zuhause, negiert ihren Freiheitswillen, ihre Stimme und ihre Menschenwürde.
Wir haben das große Privileg, in einer lebenswerten, weltoffenen Stadt leben zu dürfen und in einem demokratischen Rechtsstaat. Mit dem Kosmos zeigte sich Chemnitz am Wochenende von seiner besten Seite: Als schillernde europäische Stadt, in der Zehntausende die kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt feiern. Einen erklärten Gegner dieser Vielfalt ins Rathaus einzuladen, ist keineswegs mutig. Es ist auch nicht patriotisch. Es ist schlichtweg Chemnitz-feindlich, es ist deutschlandfeindlich. Diese großartige Kulturhauptstadt 2025 in eine „Remigrationshauptstadt“ verwandeln zu wollen, ist unglaublich primitiv und verhöhnt alle, die damals und heute ihr Leben für ihren Freiheitswillen riskierten oder verloren.
Und es offenbart die ganze Armseligkeit der Sellner-Fans hier im Ratssaal. Was auch immer an Provokationsversuchen sie sich noch in diesem Jahr ausdenken, es wird ihnen nicht gelingen, die Zuversicht all derer zu zerstören, die ihre Heimatstadt lieben, hier glücklich sind und sich für Chemnitz engagieren.
es gilt das gesprochene Wort