19. Sitzung des Sächsischen Landtags, 16. September
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
die Haftpflichtproblematik freiberuflicher Hebammen wird in den letzten Jahren heftig auf Bundesebene diskutiert. Zum Internationalen Hebammentag am 5. Mai, gingen auch dieses Jahr deutschlandweit tausende Hebammen und Eltern auf die Straße. Sie fordern eine schnelle Lösung – auch von Seiten der Politik.
Wir bringen heute diesen Antrag ein, um klar zu machen, der Freistaat darf nicht zuschauen, wie die letzten Hebammen in Sachsen aufgrund der hohen Haftpflichtprämien gezwungen sind, ihren Beruf aufzugeben.
Zum Problem: Hebammen sind gesetzlich verpflichtet, sich über eine Berufshaftpflichtversicherung abzusichern. Die Schadensfälle sind in den letzten Jahren leicht zurückgegangen. Aber die Kosten für den jeweiligen Fall steigen drastisch an. Immer weniger Versicherer wollen dieses Risiko absichern. Die Beiträge sind seit 2009 um über 50 Prozent gestiegen. Für die ambulante Geburtshilfe müssen freiberufliche Hebammen nun knapp 6.300 Euro jährlich zahlen. 2009 waren es noch 2300 Euro.
Die kaum bezahlbaren Beiträge haben auch in Sachsen zu großflächigen Hebammenverlusten geführt. Der Deutsche Hebammenverband geht davon aus, dass in den letzten 5 Jahren ein Viertel der freiberuflichen Hebammen gezwungen war, ihren Beruf aufzugeben. In Sachsen liegt die Zahl noch höher. Nach Schätzungen des Sächsischen Hebammenverbandes ist hier jede dritte freiberufliche Hebamme betroffen. Die letzten etwa 70 Hebammen, die überhaupt noch ambulante Geburtshilfe anbieten, sind in ihrer Existenz bedroht.
Eine verbindliche politische Lösung auf Bundesebene gibt es noch immer nicht. Zu lange wurden die steigenden Haftpflichtprämien vom Gesundheitsministerium ignoriert. Die geplante finanzielle Entlastung freiberuflicher Hebammen durch einen Sicherstellungszuschlag zum 1. Juli 2015, zeigt bisher keine Wirkung.
Denn die Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Deutschen Hebammenverband sind gescheitert. Ende Juni wurde eine Schiedsstelle angerufen. Das weitere Verfahren ist unklar.
Wir fordern in unserem Antrag, dass die Staatsregierung sich auf Bundesebene für eine schnelle Lösung der Haftpflichtproblematik einsetzt. Wir schlagen zur Entlastung der Beiträge, eine Berufshaftpflicht für alle Gesundheitsberufe vor.
Eins ist aber auch klar: Wenn der Freistaat in dieser schwierigen Situation jetzt nicht gegensteuert, wird es bald keine Geburtshäuser, ausreichend Hebammen oder ambulante Geburten in Sachsen mehr geben. Das ist mir im Juli bei vielen Besuchen bei Hebammen und Geburtshäusern überall in Sachsen dramatisch klar geworden.
In persönlichen Gesprächen wurde deutlich, dass die Einkommens- und Arbeitssituation der freiberuflich arbeitenden Hebammen in Sachsen immer schlechter wird. Durch die hohen Haftpflichtprämien bleibt immer weniger Einkommen übrig.
Eine Hebamme aus Kitzscher berichtete mir, sie kann ihr Geburtshaus mit zwei Angestellten derzeit nur über einen Kredit am Leben halten. Es ist das letzte Geburtshaus im Landkreis Leipzig, Herr von Breitenbuch. Das besorgt auch den Bürgermeister, der an unserem Gespräch teilgenommen hat.
Mehrere Hebammen haben ganz offen zu mir gesagt, das ihr reales Einkommen unter Mindestlohnniveau gefallen ist. Durch den Hebammenmangel nimmt aber auch die Arbeitsbelastung zu. Oft gibt es keine Vertretung in der Urlaubzeit oder im Krankheitsfall mehr.
Viele Hebammen sehen sich gezwungen ihren Beruf aufzugeben, wenn nicht schnellstmöglich eine Entlastung kommt.
Die Situation ist aber nicht nur für Hebammen eine Zumutung. Auch für Schwangere wird es immer schwerer eine Hebamme zu finden. Vielen Frauen muss eine Absage erteilt werden. Zehn Frauen die Woche. Manchmal auch 15. Das ist ein echtes Problem, denn Hebammen leisten nicht nur Geburtshilfe.
Freiberufliche Hebammen bieten Schwangerenvorsorge, Geburtsvorbereitung, Wochenbettbetreuung und Stillberatung an. Wenn Geburtshäuser schließen müssen, fallen gleichzeitig viele Angebote der Vor- und Nachsorge für Mutter und Kind weg.
In vielen Regionen ist Wahlfreiheit über den Geburtsort schon lange nicht mehr gegeben. Damit wird Müttern ein Grundrecht verwehrt, das im Sozialgesetzbuch (§ 24f SGB V) festgeschrieben ist.
Die Konsequenzen sind alarmierend: Hebammen beschreiben die Gefahr, dass unbegleitete Alleingeburten in Sachsen zunehmen.
Die realen Zahlen der ambulanten Geburtshilfe müssen jetzt endlich auf den Tisch. Deshalb fordern wir in unserem Antrag eine landesweite Statistik zur Hebammenversorgung in Sachsen. Nur so kann der Freistaat auf Fehlentwicklungen und eine mögliche Unterversorgung gezielt reagieren. Erfasst werden sollen: Angebote der Hebammenhilfe, Einkommens- und Arbeitssituation, die Nachfrage nach Hebammenleistungen.
Zur Auswertung der Statistik soll ein Runder Tisch eingerichtet werden. Das Sozialministerium soll gemeinsam mit Fraktionen, Hebammenverband, Ärzten und Landesärztekammer, Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft und Eltern, konkrete Maßnahmen zur Sicherung einer flächendeckenden am Bedarf orientierten Hebammenversorgung in Sachsen erarbeiten.
Und wir schlagen einen kurzfristigen Notfond vor der fällt im Landeshaushalt nicht stark ins Gewicht der einzelnen Hebamme rettet er die Existenz.
Frau Klepsch, Sie wollten selbst einmal Hebamme werden fassen Sie sich ein Herz und suchen Sie eine Lösung auch wenn Sie unsere Vorschläge ablehnen. Fühlen Sie sich in der Verantwortung, finden Sie einen Weg für die Hebammen, die Eltern und Kinder.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal meinen Appell vom Anfang meiner Rede wiederholen.
Der Freistaat darf nicht zuschauen, wie die letzten Hebammen in Sachsen aufgrund der hohen Haftpflichtprämien gezwungen sind, ihren Beruf aufzugeben.
Frau Klepsch, ich bitte sie, jetzt auf Landesebene zu handeln. Die Hebammenversorgung darf nicht auf eine Verhandlungssache zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und dem Deutschen Hebammenverband beschränkt werden.
Es ist auch eine politische Aufgabe!
Die Länder haben Gestaltungsspielräume. Thüringen macht es vor. Ein Runder Tisch zur Versorgungsleistung ist angekündigt. Auch eine Studie zur Hebammenversorgung steht kurz vor der Veröffentlichung. Sie wurde vom Sozialministerium in Auftrag gegeben!
Ich appelliere an die Abgeordneten der Koalition, sich diesem Problem nicht zu verschließen und unseren Antrag zu unterstützen.
Die Haftpflichtproblematik trifft nicht nur die freiberuflichen Hebammen, sondern alle Familien in Sachsen, besonders die Mütter und ihr Kind. Vielleicht auch Sie.
Sachsen braucht die Hebammen.
Danke!