Redebeitrag zur Aktuellen Debatte „Ausgestaltung der GAP-Reform nach 2023 – die Interessen der sächsischen Landwirtschaft sichern“ 25. Plenarsitzung des Sächsischen Landtages am 24.03.2021
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Gesellschaft steht vor enormen Herausforderungen: Klimawandel, Artensterben, hohe Verluste von Ackerland durch Versiegelung, Flächenfraß, Erosion, Bodenverschlechterung. Die Landwirtschaft ist von dieser Entwicklung massiv betroffen.
Es ist falsch, die Betriebe einseitig für die Probleme verantwortlich zu machen. Richtig ist, dafür zu sorgen, dass sie Teil der Lösung werden. Dafür brauchen die Unternehmen Planungssicherheit und eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive.
Die Leistungen für fruchtbare Böden, sauberes Wasser, Biodiversität und den gesellschaftlich geforderten Umbau der Tierhaltung müssen auch gemeinsam von Gesellschaft und Landwirtschaft finanziert werden. Das alte System der allein flächenbezogenen Direktzahlungen wird dieser Herausforderung nicht gerecht. Die öffentlichen Mittel der GAP müssen zur Lösung dieser Probleme und für die Honorierung dieser öffentlichen Leistungen eingesetzt werden. Die GAP und ihre Umsetzung in Deutschland in diese Richtung umzusteuern, ist im unmittelbaren Interesse der sächsischen Landwirtschaft. Denn wenn die Kleinstlebewesen, die für einen lebendigen Boden sorgen oder die Insekten, die Pflanzen bestäuben verschwinden, führt dass auch zu wirtschaftlichen Schäden für die Betriebe.
Die sächsischen Unternehmen erbringen hohe Leistungen für Klima-, Umwelt- und Tierschutz. Die GAP-Reform muss so ausgestaltet werden, dass diese Leistungen stärker prämiert werden. Je mehr Direktzahlungen an Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen geknüpft sind, desto mehr wird das dem Einsatz der sächsischen Betriebe zur Erreichung der Umweltziele gerecht. Wenn nur 20 Prozent der Mittel in der ersten Säule für Öko-Regelungen aufgewendet werden, ist das zu wenig. Der Umbau hin zu mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz muss sicher finanziert sein. Das Umsatteln auf nachhaltige Erzeugung muss den Unternehmen eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive bieten.
Die GAP-Reform muss auch für unterschiedliche Betriebsgrößen zu einer gerechten Mittelverteilung führen. Ein Gegeneinanderstellen von kleinen Betrieben gegen große ist nicht im Interesse der sächsischen Landwirtschaft. Entscheidend ist, welchen tatsächlichen Mehrwert die Betriebe auf den jeweiligen Flächen erbringen. Und wieviel sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze dort entstanden sind. Der Vorschlag der Bundeslandwirtschaftsministerin zu einer Degression ohne jegliche Anrechnung von Lohnaufwendungen und einem Ausschluss von Betrieben größer 300 Hektar ist nicht im Interesse der sächsischen Landwirtschaft. Und wenn mehr Umschichtung von Mitteln auf die ersten Hektare erfolgt, muss auch sichergestellt sein, dass freiwerdende Mittel im jeweiligen Bundesland verbleiben.
Zur GAP-Reform melden sich viele Verbände zu Wort. Die Stimme des Berufsstandes artikuliert sich nicht nur im Bauernverband, sondern auch in Verbänden wie der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft. Es macht wenig Sinn, mit dem Finger auf die einen zu zeigen oder den anderen ideologische Politik vorzuwerfen. Und es ist auch ganz klar im Interesse der sächsischen Landwirtschaft, wenn der weitere Ausbau des ökologischen Landbaus finanziell abgesichert wird.
Die Abhängigkeit von extrem schwankenden Weltmarktpreisen, die immer weniger kostendeckend sind, ist nicht im Interesse der sächsischen Landwirtschaft. Wirtschaftliche Perspektiven entstehen vielmehr durch enge Verknüpfung mit dem ländlichen Lebensmittelhandwerk und Einbindung in regionale Wertschöpfungsketten. Die Regionalisierung und Dezentralisierung von Erzeugung, Verarbeitung und Verbrauch ist eine große Chance für Sachsen. Auch um dem Nachwuchs Entwicklungsperspektiven zu bieten. Es ist notwendig, dass die Unterstützung für Junglandwirte im Vergleich zur jetzigen Förderperiode deutlich erhöht wird. Ziel ist ein gesichertes Einkommen in den Familienbetrieben und eine faire Bezahlung der Beschäftigten.
Weitere sieben Jahre mit der dringenden Neuausrichtung der Agrarpolitik zu warten, ist nicht im Interesse der sächsischen Landwirtschaft. Die kommende Förderperiode muss endlich den Ausstieg aus den pauschalen Flächenprämien einleiten. Sie muss die Förderung von Gemeinwohlleistungen zu einem neuen Grundprinzip machen. Sie muss die drängende soziale Frage der Betriebsaufgabe und des Höfesterbens in den Blick nehmen und so eine regional verankerte Landwirtschaft erhalten.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ein krampfhaftes Festhalten an der bisherigen Struktur der GAP ist nicht im Interesse der sächsischen Landwirtschaft. Alle haben verstanden, dass Reformverweigerung den Betrieben schadet. Das heißt aber nicht, dass es Einigkeit über die Reform gäbe. Die Positionen von Europarat, Parlament und Kommission liegen noch immer erschreckend weit auseinander. Der Konflikt geht häufig auch nicht entlang der Parteizugehörigkeit. So unterscheiden sich beispielsweise die Vorstellungen des SPD-geführten Bundesumweltministeriums und der Länderagrarminister der SPD erheblich. Die unterschiedlichen Agrarstrukturen in Ost und West führen auch zu deutlichen Auffassungsunterschieden und Interessenkonflikten. Da spielt das Parteibuch der Minister nur eine untergeordnete Rolle.
Daher kann es nicht im Interesse der sächsischen Landwirtschaft sein, Fakten zum nationalen Strategieplan zu schaffen, bevor die EU-Verhandlungen beendet sind. Auch wenn das Zeitfenster für die Einigung immer kleiner wird: Erst muss klar sein, was im Zuge des sogenannten Trilogs an Rahmenbedingungen vorgegeben ist, bevor der nationale Rahmen verbindlich wird. Es kann auch nicht im Interesse der sächsischen Landwirtschaft sein, die Umweltressorts bei den Verhandlungen außen vorzulassen. Diese Ressorts haben einen maßgeblichen Einfluss auf die tägliche Praxis der Betriebe. Auch die Einigung zwischen der Landwirtschafts- und der Umweltministerin auf Bundesebene steht noch aus.
Wer die Interessen der sächsischen Landwirtschaft sichern will, muss die GAP zu einem Instrument für eine zukunftsweisende Agrarpolitik machen, die die Ziele des Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie in der nationalen Umsetzung verankert.
Wer die Interessen der sächsischen Landwirtschaft sichern will, muss sie aus der Abhängigkeit von Flächenprämien befreien und dafür ihre Leistungen für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen sicher finanzieren.
Wer die Interessen der sächsischen Landwirtschaft sichern will, muss neben den breit wirksamen Maßnahmen in der Ersten Säule für eine starke Zweite Säule kämpfen – mit wesentlich mehr Geld für die gezielte Unterstützung bei Agrar-, Umwelt- und Klimamaßnahmen.