Crystal-Konsum in Sachsen: 10-Punkte-Plan zur Prävention und Bekämpfung ist bisher keine Erfolgsgeschichte

 

Die Zahl der hilfesuchenden Crystal-Abhängigen in Sachsen stagniert auf hohen Niveau. Darum hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag eine Große Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Zu den nunmehr vorliegenden Ergebnissen erklärt Volkmar Zschocke, Vorsitzender der Fraktion:

“Der 10-Punkte-Plan der Staatsregierung zur Prävention und Bekämpfung des Crystal-Konsums in Sachsen ist bisher keine Erfolgsgeschichte. Die Verstetigung der in den Landkreisen entwickelten Crystal-Suchthilfeprojekte steht in Frage. Es fehlen stationäre Therapieplätze, insbesondere für Eltern mit Kind und in den Justizvollzugsanstalten. Die Polizei verfügt nicht über eine ausreichende personelle und technische Ausstattung zur Crystal-Bekämpfung.”

Während seit dem Jahr 2014 jährlich über 4.800 Crystal-Abhängige in den Suchtberatungsstellen beraten wurden, ist die Zahl der festgestellten Crystal-Delikte deutlich rückläufig. Konnte im Jahr 2014 in 1.623 Fällen Crystal sichergestellt werden, gelang dies 2016 nur noch in 966 Fällen (2015: 1.326 Fälle). “Hinzu kommen neue Problemstellungen wie der Anstieg der Fälle von Crystal-geschädigten Neugeborenen.”

Zschocke sieht weiter dringenden Handlungsbedarf: “Die seit 2015 neu entstandenen Crystal-Suchthilfeprojekte müssen durch das Sozialministerium auch im Doppelhaushalt 2019/20 weiter gefördert werden. Wir brauchen eine bedarfsgerechte und dauerhafte Förderung einer leistungsfähigen und differenzierten Versorgungsstruktur der Suchtkrankenhilfe durch den Freistaat. Die Suchthilfe darf nicht nach der durchschnittlichen Einwohnerzahl pro Stadt bzw. Landkreis bemessen werden. Eine pauschale Mittelverteilung, wie in der neuen Förderrichtlinie Psychiatrie und Sucht festgeschrieben, lehnen wir deshalb ab. Die Regionen in Grenznähe und die Großstädte Dresden und Leipzig müssen auf die hohe Zahl der Hilfesuchenden reagieren können ohne drauf zu zahlen.”

“Für die Behandlung von Crystal-abhängigen Eltern und deren Kinder gibt es derzeit in Sachsen nur eine stationäre Einrichtung. Weitere Rehabilitationsangebote sollten schnell ausgebaut werden. Sonst ist das Ziel, den ‘familienerhaltenden Ansatz’ zu fördern und die Eltern-Kind-Beziehung zu stärken, nicht zu erreichen. Zudem ist ein wissenschaftlich abgesichertes Konzept zur Behandlung Crystal-geschädigter Säuglinge und Kinder zu entwickeln.”

“Wir brauchen zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Handels und Schmuggels von Crystal ausreichend Personal bei der Polizei. Auch die technische Ausstattung der sächsischen Polizei im Kampf gegen Crystal ist mangelhaft. In ganz Sachsen gibt es nur drei mobile Analysegeräte zur Chemikalienidentifizierung und zum schnellen Drogen-Screening. Die geringen Zahlen aufgedeckter Drogenlabore, Quellen und Verbringungswege und die rückläufige Anzahl der Ermittlungsverfahren stehen im Widerspruch zu dem hohen Bedarf in der Suchthilfe. Im Jahr 2013 wurde die Einrichtung einer Sonderkommission (SOKO) Crystal öffentlich angekündigt, doch bis heute ist sie nicht eingerichtet.”

“In allen Regionen Sachsens sollten in den Justizvollzugsanstalten stationäre Suchtherapiestationen eingerichtet werden − vor allem in der Frauenjustizvollzugsanstalt in Chemnitz.”

“Bei Crystal-Abhängigkeitskranken, die nachweislich eine Therapie beginnen, sollte geprüft werden, ob auf die Strafverfolgung verzichtet werden kann.”

 

Zwischenbilanz auf Grundlage der Große Anfrage “Umsetzung 10-Punkte-Plan zur Prävention und Bekämpfung des Crystal-Konsums” (Drs 6/11188)

Große Anfrage “Umsetzung 10-Punkte-Plan zur Prävention und Bekämpfung des Crystal-Konsums” (Drs 6/11188)

Mehr zum Thema “Crystal – Ein gesamtgesellschaftliches Problem”

 

Hintergrund:

Crystal ist in Sachsen aufgrund der Grenznähe zu Tschechien billiger und leichter zu haben als jede andere illegale Substanz. Die Droge wird in allen gesellschaftlichen Schichten konsumiert und stellt ein gesamtgesellschaftliches Problem dar. Die GRÜNE-Fraktion hatte bereits im Jahr 2011 auf die Gefahren der Droge hingewiesen und ein Sofortprogramm zur Stärkung der Suchthilfe gefordert. Im Jahr 2014 wurde daraufhin vom Innenminister ein 10-Punkte-Plan zur Prävention und Bekämpfung des Crystal-Konsums vorgelegt.

Neben dem 10-Punkte-Plan der Staatsregierung hat die GRÜNE-Fraktion mit ihrer Großen Anfrage auch neue Herausforderungen, die im 10-Punkte-Plan noch nicht erwähnt sind, in den Blick genommen: Jugendhilfe und Jugendarbeit, Hilfen für von Crystal abhängigen Eltern und Kinderschutz, Suchtherapieangebote in den Justizvollzugsanstalten und Maßnahmen zur Schadensreduzierung. Die weit über 100 Fragen der Großen Anfrage der GRÜNEN-Landtagsfraktion sind durch die Staatsregierung auf 143 Seiten umfassend beantwortet worden.

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