Müllverbrennung ist nicht der einzige Weg: Chemnitz kann eine Vorreiterrolle auf dem Weg zu echter Kreislaufwirtschaft einnehmen

Der heutige Energiedialog von eins energie in sachsen hat die Diskussion zu einem Müllkraftwerk mitten in Chemnitz erneut entfacht. Befürworter:innen und Gegner:innen tauschen die Argumente wie in einem immer wiederkehrenden Ritual aus. Dabei hatte ein Bürgerbegehren in Chemnitz schon vor über 20 Jahren ein klares Nein zur Müllverbrennung im Stadtgebiet ergeben. Dennoch empfiehlt die Stadtverwaltung – trotz Bürgerbegehren – die sog. thermische Verwertung des nicht vorbehandelten Chemnitzer Abfalls. Diese Empfehlung steht im Widerspruch zu einer konseqenten Umsetzung der Abfallhierarchie. Denn demnach sollten lediglich nicht vermeidbare oder stofflich nicht nutzbare Reste durch Verbrennung zur Energiegewinnung genutzt werden.

Die BÜNDNISGRÜNE Fraktionsgemeinschaft hatte im Mai 2020 einen Antrag eingebracht, in dem zumindest ein Gutachten über alternative Recycling-Technologien gefordert wird. Doch unser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Nun steuert die Stadt in eine gefährliche Engführung: Mit dem Wegfall der Abfallmitverbrennung in Kohlekraftwerken im Zuge des Kohleausstieges entsteht ein regelrechter neuer Markt für Müllverbrennung. Die Vorbehandlung von Abfall in der Restabfallbehandlungsanlage am Weißen Weg wird in diesem Zuge zunehmend unwirtschaftlich werden. In der Folge ist deren Betrieb auch nur noch wenige Jahre gesichert.

Stattdessen wird sich die Verbrennung von unbehandeltem Restabfall als die wirtschaftlichere Option darbieten. Dann wird es natürlich sinnvoll erscheinen, die Verbrennung mit einem kommunalen Unternehmen z.B. am heutigen Kraftwerkstandort Chemnitz-Nord selbst durchzuführen, anstatt den Müll in eine entfernte Müllverbrennungsanlage außerhalb von Sachsen zu transportieren. Die geplante Höhe der Investition für eine solche Anlage und deren Amortisierung wird allerdings allen alternativen Verfahren auf mindestens 20 Jahre einen Riegel vorschieben. Wenn allerdings die Befreiung der thermischen Verwertung vom Emissionshandel ausläuft, werden möglicherweise auch die Müllgebühren deutlich ansteigen müssen, um die Anlage zu refinanzieren.

Deshalb plädiere ich weiter für eine ernsthafte Untersuchung alternativer Technologien. Ohne weitere Handlungsoptionen fährt auch der kommunale Energieversorger wirtschaftlich in eine Sackgasse, aus der er dann nicht mehr abbiegen kann. Das heißt nicht, dass ich einer Herstellung, Lagerung und Verwertung von Ersatzbrennstoffen aus Abfallsortierresten am Standort des Heizkraftwerkes Chemnitz-Nord ablehnend gegenüberstehe. Eine regionale Verwertung des Restmülls ist dem Transport über weite Strecken natürlich vorzuziehen. Aber ist es in der aktuellen Situation richtig, auf nur eine Technologie zu setzen? Die fachliche und wirtschaftliche Untersuchung sowie vergleichende Bewertung von Alternativen sind aus meiner Sicht zwingend. Es wäre auch wirtschaftlich klüger, auf mehrere Optionen zu setzen, denn die Rohstoffkrise wird uns schneller ereilen, als uns recht ist. Wenn sich bei den Rohstoffmärkten die Rahmenbedingungen verändern, werden selbst geringe Mengen von Wertstoffen in den Abfällen so wertvoll, dass es wirtschaftlicher sein wird, sie auch mit größerem Aufwand zurückzugewinnen oder sogar chemisch aufzubereiten, anstatt sie zu verbrennen.

Der kommunale Energieversorger wäre also gut beraten, nicht nur auf ein Pferd zu setzen, sondern sich auch auf künftige Rohstoffknappheiten und die dadurch entstehenden neuen Märkte vorzubereiten. Selbst chemisches Recycling hat einen Stand erreicht, dass in Sachsen-Anhalt bereits eine Pilotanlage in Betrieb ist. Es gibt zwar noch keine langjährigen Praxiserfahrungen. Aber Chemnitz ist als Technologiestandort und Innovationswerkstatt prädestiniert, eine Vorreiterrolle auf dem Weg zu echter Kreislaufwirtschaft einzunehmen. Warum also sollte am Kraftwerksstandort oder „Energiepark Chemnitz“ nicht auch eine neuartige Anlage für Wertstoffrückgewinnung und chemisches Recycling erprobt werden? Die globalen Entwicklungen sprechen jedenfalls dafür, sich nicht einseitig auf Jahrzehnte festzulegen.

Nach oben
Skip to content