Ich werde häufig gefragt, ob ich mich als Oberbürgermeister auch für mehr Radwege einsetzen werde. Ich selbst fahre lieber auf der Straße, weil ich das schon immer so mache, weil ich schnell fahren will und weil ich mir meinen Raum verschaffe und mich auch dichter Autoverkehr nicht abschreckt. Und damit bin ich NICHT der richtige Maßstab. Denn viele Menschen fahren erst dann mit dem Fahrrad, wenn sie sich sicher fühlen. Sie wollen angstfrei und komfortabel auch mit Kindern unterwegs sein, am besten nicht unmittelbar auf einer stark befahrenen Straße.
Das Wichtigste ist also, das jede Form von Radverkehrsinfrastruktur Sicherheit, Sicherheitsgefühl und ein gewisses Maß an Komfort bietet. Welche Form dies im konkreten Fall ist, kommt immer auf die konkreten Umstände an. Zum Beispiel wird niemand in einer Mischverkehrszone wie auf dem Brühl einen Radweg fordern. Alle müssen dort langsam und rücksichtsvoll unterwegs sein. Auch verkehrsberuhigte Bereiche, Tempo-30-Zonen, ruhige Anwohnerstraßen mit wenig Pkw- und so gut wie keinem Lkw-Verkehr benötigen in der Regel keinen gesonderten Radweg.
Dann gibt es ja die mit weißen Linien abmarkierte Fahrbahnbereiche wie auf der Frankenberger Straße. Die kritische Sicht vieler Radler*innen auf solche Schutzstreifen ist nicht unbegründet. Schutzstreifen sollten nur in Straßen mit geringem Verkehr, niedrigen Kfz-Geschwindigkeiten und in Verbindung mit Halteverboten eingesetzt werden. Schutzstreifen sind keine eigenständige Radverkehrsinfrastruktur, da sie legal von den PKws mitgenutzt werden dürfen. Die Konflikte und riskanten Situationen (zugeparkte Streifen, Autotüren, riskante Ausweichmanöver etc.) die dabei entstehen, erlebe ich auch selbst in unserer Stadt. Schutzstreifen erfüllen oftmals nicht die Anforderungen an eine Radverkehrsinfrastruktur, auf der Menschen aller Altersgruppen zügig, sicher und angstfrei Rad fahren.
Anders ist das bei Radfahrstreifen. Das sind auf der Fahrbahn abmarkierte Sonderwege, die allein dem Radverkehr vorbehalten sind. Sie sind NICHT Teil der Fahrbahn. Radfahrstreifen sind eine gut geeignete Form für den Radverkehr an Hauptverkehrsstraßen mit Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h. Aber damit sie auch sicher und komfortabel genug für alle Radler*innen sind, müssen sie so breit sein, dass sie Überholen, Nebeneinanderfahren und auch Lastenräder bzw. Anhänger ermöglichen. Wichtig ist bei der Breite auch der Sicherheitsabstand zu den fahrenden und parkenden Autos. Es gibt z.B. Städte, in denen solche Streifen die Breite einer ganzen Kfz-Fahrspur einnehmen und durch Trennelemente geschützt werden.
Extra gebaute separate Radwege sind für Hauptverkehrstraßen mit Tempo 50 und höher sowie mit starkem Kfz-Verkehr sehr gut geeignet. Sie müssen aber verkehrssicher gestaltet sein und nach Möglichkeit im direkten Sichtfeld des Kfz-Verkehrs verlaufen. Das ist besonders bei Kreuzungen, Zufahrten und Einmündungen wichtig. Im Zweifel muss in diesen Bereichen auf PKW-Stellplätze verzichtet werden. Wir alle kennen als Radfahrende oder auch als Autofahrende die Situation, wenn beim Rechtsabiegen plötzlich das Fahrrad hinter parkenden Autos auftaucht.
Manchmal nicht anders möglich, aber in der Regel ungünstig sind gemeinsame Geh- und Radwege. Das ist für den Rad- als auch für den Fußverkehr nicht schön, führt häufig zu Ärgernissen und auch gefährlichen Situationen.
Ein sehr gute Lösung sind Fahrradstraßen. Das sind Verkehrsflächen, die dem Radverkehr vorbehalten sind. Sie dürfen zwar vom Kfz-Verkehr mitgenutzt werden, aber nur unter großen Einschränkungen. Das wird dann entsprechend ausgeschildert. In Chemnitz gibt es dafür Überlegungen im Zusammenhang mit der Reichenhainer Straße.
Allein mehr Radwege zu fordern, wird also der Komplexität einer Stadt nicht gerecht. Aber was auch immer gebaut wird – die Maßstäbe müssen Sicherheit UND Sicherheitsgefühl sowie Komfort sein. Radfahrenden und zu Fuß Gehenden möchte ich dafür mehr Platz und durchgängige sichere Wege bieten. Viele Chemnitzer Straßen lassen diese Umverteilung zu. So wird der öffentliche Raum für alle attraktiver.