Diese Fotos entstanden am 19. November 1989. Wenige Tage nach dem Mauerfall versammelten sich in Karl-Marx-Stadt erneut viele Menschen, um gegen die Verbrechen der Stasi und der SED zu demonstrieren und für Freiheit, Demokratie und Reformen einzutreten.
Diese Demonstration wurde damals von Kulturschaffenden des Theaters organisiert. Unter dem Motto „Trotz alledem!“ zog der Protestzug vom Luxor-Palast zum Karl-Marx-Monument. In dieser Phase der Demonstrationen ging es vor allem noch darum, die Strukturen der Diktatur zu überwinden und das Land gemeinsam zu reformieren. Reden betonten die Bedeutung von Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und kultureller Entfaltung. Besonders eindringlich sprach Hartwig Albiro, der Schauspieldirektor, über die Notwendigkeit einer Aufarbeitung des Stalinismus.
Das Plakat „Bleibt im Land und wehrt Euch täglich“ spiegelt für mich eindrucksvoll die enorme Dynamik dieser Zeit vor 35 Jahren wider. Denn viele Menschen wollten sich nicht um Reformen kümmern, sondern den verhassten DDR-Staat so schnell wie möglich verlassen: Nach dem 9. November hatte eine historische Massenflucht in Richtung Westen eingesetzt, deren dramatische Auswirkungen Ostdeutschland bis heute prägen.
Wenige Wochen später hatte sich dann auch der Charakter der Demonstrationen komplett verändert. Sie wurden zunehmend von Deutschlandfahnen und dem Ruf nach einer schnellen Wiedervereinigung dominiert.
Auf den Fotos sind Transparente zu sehen, die die Aufklärung der Verbrechen der Stasi fordern. Das geschieht heute zum Beispiel im Lern- und Gedenkort Kaßberggefängnis.
Fotos Hartmut Zschocke