Bericht aus dem Stadtrat vom 23.11.22: Ratsarbeit in Chemnitz ist sehr ernüchternd. Ich unterstelle zwar keine aktive Zusammenarbeit der konservativen Kräfte mit den rechts außen sitzenden Fraktionen. Aber faktisch verhindern die Stimmen von CDU, FDP, AfD und Pro Chemnitz in Summe wiederholt wichtige Beschlüsse für die Menschen in Chemnitz. Mindestens die rechtsextremen Fraktionen setzen diese Blockademehrheit gezielt taktisch ein. Und so ist es erneut nicht gelungen, die Weichen für zukunftsfähige und klimaneutrale Mobilität zu stellen. Auch die seit langem diskutierte Stellplatzgestaltungssatzung ist endgültig gescheitert. Unser dringender Antrag zu Chemnitzer Winterhilfen wurde einfach von der Tagesordnung gekegelt. Lediglich ein kleiner Erfolg für zukunftsfähige Stadtentwicklung konnte erreicht werden: Als erste Großstadt Sachsens schränkt Chemnitz die Neuanlage von sogenannten Schottergärten ein.
Die Fraktionserklärungen am Beginn der Sitzung befassten sich mit dem Scherbenhaufen, den das Kommunikationsdesaster zu den Kürzungen bei der Jugendhilfe hinterlassen hatte. Es ist für unsere Fraktionsgemeinschaft inakzeptabel, dass exorbitante Streichlisten öffentlich verhandelt wurden, obwohl der Stadtrat noch nicht mal einen Entwurf für den neuen Haushalt erhalten hat. Wir fordern die Verwaltung auf, die Karten in Bezug auf den neuen Doppelhaushalt umgehend auf den Tisch zu legen. Im Februar 2023 ist das zu spät. Auch der Oberbürgermeister räumte ein, dass die Kommunikation der Verwaltung mehr als verbesserungswürdig sei. Er appellierte an die gemeinsame Verantwortung und sicherte zu, die Stadträt:innen umfassend zu informieren und einzubeziehen.
Schottergärten
Aus häufig sehr fragwürdigen Pflege- und Kostengründen werden Schottergärten angelegt. Wir finden es daher richtig, dass die Verwaltung sich Gedanken darüber gemacht hat, wie diese großflächig geschotterten Flächen wirksam begrenzt werden können. Die Anlage solcher „Gärten“ ist nicht alleinige Sache der Grundstückseigentümer:innen. Denn jenseits von Gestaltungs- und Geschmacksfragen haben Schotterflächen nun mal einen sehr negativen Einfluss auf das örtliche Mikroklima. Sie heizen sich stark auf. Kühlende Verdunstung findet kaum statt. Sie verstärken somit auch die Folgen von Hitze und Trockenheit. Und damit ist es eben mehr als eine private Gestaltungsangelegenheit. Die Aufheizung des Stadtraumes zu begrenzen, ist gerade mit Blick auf den Klimawandel und die menschliche Gesundheit von großer Bedeutung. Und wo Stein und Schotter ist, ist auch kein Grün. Doch gerade in der Stadt ist mehr Grün für das Mikroklima, für den Insektenschutz und die Artenvielfalt enorm wichtig. Die von der Verwaltung vorgelegte Satzung zur Verhinderung von Schottergärten ist maßvoll ausgestaltet und wurde von einer Mehrheit des Rates unterstützt.
Stellplatzgestaltungssatzung
Anders der Vorschlag der Verwaltung für eine Stellplatzgestaltungssatzung. Er wurde mit der Mehrheit aus CDU, FDP, AfD und Pro Chemnitz abgelehnt. Dabei hat gerade die Gestaltung von Stellplätzen in Bezug auf Hitze, Trockenheit und extremen Starkregen enorme stadtklimatische Bedeutung. Die in den letzten Sommern deutlich gewordenen dringenden Handlungsnotwendigkeiten zur Erhaltung der Lebensqualität werden von der Mehrheit des Rates nicht gesehen.
Mobilitätsplan
Angesichts der darauffolgenden Debatte zum Mobilitätsplan 2040 kann ich die Verzweiflung vieler junger Menschen verstehen. Klimakrise und Artensterben werden sie viel stärker treffen als uns. Die Zeit läuft uns davon, aber die Elterngeneration bekommt es nicht hin, entschlossen und wirksam die Weichen für eine lebenswerte Zukunft zu stellen. Über Maßhalten und Begrenzung zu reden, ist generell unpopulär. Und auch in Chemnitz ist es erneut nicht gelungen, die Weichen für eine zukunftsfähige und klimaneutrale Mobilität zu stellen. Der Schaden für das Klima, aber auch für die kommunale Demokratie ist hoch. Denn der abgelehnte Mobilitätsplan war das Ergebnis einer breiten Mitwirkung aller in Bezug auf Mobilität relevanten Verbände und Institutionen. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger haben sich aktiv eingemischt. Die Freie Presse hat den Prozess begleitet. Zu behaupten, dass das vorliegende Ergebnis an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei geht, ist schlichtweg Unsinn. Die Stadtratsfraktionen waren von Beginn an einbezogen und konnten umfassend mitwirken. Unsere Fraktionsgemeinschaft hatte bereits im Mai 2020 über 40 Anregungen und Hinweise eingebracht, die allesamt einzeln abgewogen, bewertet und teilweise berücksichtigt wurden.
Allen Fraktionen stand diese Möglichkeit zur Verfügung. Der gesamte Prozess war einmalig und beispielgebend. Im Zuge der Kompromissbildung im Stadtrat mussten wir uns alle noch einmal bewegen und gegenseitig Zugeständnisse machen. Dass die Kompromisse nicht allen gefallen, liegt im Wesen eines demokratischen Aushandlungsprozesses. Doch der kurz vor der Sitzung eingereichte Änderungsantrag der CDU-Fraktion hatte offenbar ein anderes Ziel als Kompromissbildung. Es wurden Forderungen aufgeschrieben, die den Rechtsrahmen der StVO zur Regelgeschwindigkeit ignorieren und vorhandenen Ratsbeschlüssen zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf dem Südring widersprechen. Das konnten wir nicht unterstützen. Doch die CDU-Fraktion brauchte ein „Argument“, um den Mobilitätsplan abzulehnen und uns die Schuld dafür zu geben. Fakt ist: Das vom CDU-Fraktionsvorsitzenden als „Gängelplan für Autofahrer“ und „Pamphlet“ bezeichnete Dokument hatte nie die Unterstützung der CDU-Fraktion. Wir meinen: So darf ein Stadtrat das Engagement einer engagierten Bürgerschaft nicht diskreditieren.
Winterhilfen
In unserem Antrag zu Chemnitzer Winterhilfen ging es um die Absicherung der Sozialen Angebote der Stadt insbesondere bei den Betriebskosten, um die Versorgung von Menschen in Notlagen, um Unterstützung bei der Beantragung von Hilfen und die Vermeidung von Härtefällen durch die hohen Energiekosten. Obwohl der Winter vor der Tür steht, beantragte die CDU-Fraktion mit den Stimmen von AfD und Pro-Chemnitz, unseren Antrag in den Ausschuss zurückzuverweisen.
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