Alkoholprävention durch Testkäufe? Kinder und Jugendliche dürfen nicht zu Lückenbüßern werden für mangelnde staatliche Kontrollen

 

Rede zum Antrag der Fraktion AfD: „Jugendschutz gewährleisten – Abgabe von Alkohol an Kinder und Jugendliche effektiv unterbinden“ (Drs. 6/13182) zur 75. Sitzung des Sächsischen Landtags am 28. Juni, TOP 12

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Alkohol schadet dem jugendlichen Körper mehr als dem erwachsenen. Die verminderte Zurechnungsfähigkeit und die Suchtrisiken erhöhen die Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendlichen. Jede Schutzstrategie muss daher in erster Linie Jugendliche stärken und ihre Eigenverantwortung fördern.

Die Abgabe von Alkohol an Kinder und Jugendliche ist – aus guten Gründen – gesetzlich verboten. Verstöße dagegen müssen natürlich aufgedeckt und mit Bußgeldern geahndet werden.

Die AfD bietet für dieses komplexe Probleme allerdings wieder nur eine eindimensionale Antwort: Mehr Kontrollen, höhere Strafen. Dass Sie damit junge Menschen kaum vor den Gefahren des Alkohols schützen, nehmen Sie billig in Kauf. Im Gegenteil: Sie wollen junge Menschen sogar als Testkäufer instrumentalisieren –  als Gehilfen für ihre Politik der harten Hand.

Aus Sicht des Jugendschutzes ist der Einsatz von Testkäufern seit Jahren heftig umstritten. Kinder und Jugendliche dürfen nicht zu Lückenbüßern werden für mangelnde staatliche Jugendschutzkontrollen und fehlende personelle Kapazitäten der Kontrollbehörden. Auch aus ethischen, pädagogischen und psychologischen Gründen für nicht vertretbar, Jugendliche als Testkäufer einzusetzen.

Vielmehr braucht es ausreichend Personal in den Kommunen, um das Jugendschutzgestz konsequent umzusetzen. Die CDU hat im April in einem Positionspapier verkündet, die Kommunen mit Personalkostenzuschüssen bei dieser Aufgabe unterstützen zu wollen. Das wäre ein sinnvoller Ansatz, sofern das kein leerees Versprechen bleibt.

Wer über die Gefahren des Alkohols redet, darf zum Umgang mit Alkohol in unserer Gesellschaft nicht schweigen. Alkoholkonsum ist in Deutschland weit verbreitet und in großen Teilen der Gesellschaft ist Alkohol ein völlig akzeptiertes Suchtmittel. Alkohol ist in fast jedem Haushalt vorhanden. Alkoholmissbrauch bei Minderjährigen bedeutet nicht nur Koma-Saufen. Mir berichten Suchtberater, dass einige Schulen bereits Drittklässler als auffällig beschreiben. Damit sollten wir uns beschäftigen anstatt mit dem Antrag der AfD.

Der Suchtbericht für Sachsen belegt jedes Jahr aufs Neue, dass Alkohol weiterhin die Problemdroge Nummer eins. Kinder und Jugendliche sind in besonderer Weise betroffen. In Deutschland leben heute schätzungsweise 2,65 Millionen Kinder mit alkoholkranken Eltern unter einem Dach.

In Sachsen werden jährlich 150 bis 500 Kinder mit Schäden aufgrund des Alkoholkonsum der Eltern geboren. Die Fallzahlen der unter 18-Jährigen, die aufgrund eines Alkoholrausches im Krankenhaus behandelt wurden, geht bundesweit seit 2013 zurück. In Sachsen hat sich die Anzahl der Fälle im selben Zeitraum allerdings um zehn Prozent erhöht. Hier muss der Freistaat genau hinschauen und entschlossen handeln. Deshalb haben wir GRÜNEN einen Antrag in den Sozialausschuss eingebracht, der das Ziel verfolgt, die Alkoholprävention in Sachsen auszubauen. Wir brauchen eine landesweite Kampagne, die über die Risiken des Alkoholkonsums informiert und sich an besondere Gefährdungsgruppen wie Kinder und Jugendliche richtet. Wir brauchen Werbebeschränkungen für alkoholische Getränke. Die Werbung für Bier gehört nicht ins Vorabend-Programm der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender! Es gibt viele konkrete Ansätze, die sehr viel mehr bewirken könnten als diese umstrittene Idee der Testkäufe. Solche Testkäufe schützen auch nicht vor Alkoholmißbrauch. Dafür ist umfassende Prävention notwendig – Verhaltens- und Verhältnisprävention.

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