Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte der Fraktion BÜNDNISGRÜNE zum Thema: „Mit Wasser haushalten – damit Sachsen künftig nicht auf dem Trockenen sitzt“
70. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 27.04.2023, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,
Wasser ist eine der wichtigsten Grundlagen für unser Leben. Häufig haben wir hier darüber debattiert. Trotzdem bringen wir das Thema heute Morgen prominent auf die Tagesordnung des Landtages. Auslöser für diese Entscheidung waren zwei große Wasserkonferenzen. Anlässlich des Weltwassertages 2023 hatte die Sächsische Agentur für Strukturentwicklung Ende März zur Wasserkonferenz Lausitz eingeladen. 150 Teilnehmende diskutierten über Kohleausstieg und Wassermangel. Ähnlich große Resonanz bei Öffentlichkeit und Medien fand einen Tag darauf die Leipziger Wasserkonferenz.
Die Fachleute aus Wissenschaft, Planungsverbänden, LMBV, der Talsperren-Verwaltung und Bürgermeister der Region hatten eine gemeinsame Botschaft an die Politik: Das verfügbare Wasser wird absehbar nicht mehr ausreichen, um alle Bedarfe zu decken. Anpassungen bei Wasserhaushalt, Wassermanagement und Verbrauch müssten umgehend vorgenommen werden. Und das nicht nur im Lausitzer oder mitteldeutschen Revier, sondern in ganz Sachsen und auch Landesgrenzen-übergreifend.
Diese mahnende Botschaft trifft uns zu einer Zeit, in der wir über Großansiedlungen für die sehr wasserintensive Chipindustrie im Raum Dresden diskutieren, über wachsende Wasserbedarfe der Landwirtschaft zum Beispiel in Nordsachsen, über Mehrbedarfe der chemischen Industrie im Raum Leipzig oder den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur für ganz Sachsen.
Darüber hinaus werden immense Wassermengen benötigt, um gigantische Kohlegruben zu stabilisieren und zu renaturieren. Das abgepumpt Grubenwasser steht nach dem Ende der Kohleförderung dafür nicht mehr zur Verfügung. Für die Flutung muss es dann woanders herkommen. Gerade durch den Braunkohlebergbau ist der Wasserhaushalt großräumig und auf lange Sicht schwer gestört. Es wird enorme Anstrengungen brauchen, damit er sich wieder stabilisiert und selbst reguliert.
Nun haben Wissenschaftler bei den Konferenzen erläutert, dass unter den Bedingungen des Klimawandels Niederschlag, Grundwasserneubildung und die Abflüsse in Sachsen voraussichtlich insgesamt nicht abnehmen. Aber die Extreme werden zunehmen – und das ist jetzt schon Realität: Also Zeiten mit viel zu viel Wasser, mit durchweichten Ackerböden und großen Schäden durch Überschwemmungen. Aber eben auch mit mehrjährige Trockenphasen, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben. Bereits seit über zehn Jahren sinken in einigen Regionen in Sachsen die Grundwasserstände ab.
Und damit wird klar, womit wir uns dringend befassen müssen: Es geht um die kluge Steuerung von Überschuss und Mangel. Strategisches Wassermanagement wird eine zentrale Überlebensfrage für alle sächsischen Regionen werden. Denn unsere Wasserinfrastruktur ist nicht angepasst an das, was jetzt im Klimawandel passiert. Und wir haben eigentlich keine Zeit mehr, sie anzupassen.
Meine Damen und Herren,
Wasser ist nicht nur für Mensch, Tier und Natur, sondern vor allem für die Wirtschaft ein überlebensrelevanter Faktor. Das Gelingen des Strukturwandels hängt davon ab. Und wenn wir das ernst nehmen, muss sich unsere Herangehensweise ändern bei der Bewirtschaftung von Flüssen, Seen und Speichern, bei Bodenversiegelung, Flächennutzung und Flächenverbrauch, beim Schutz des Grundwassers, der Auen, Moore und Feuchtgebiete, bei der Landkreis- und auch länderübergreifenden Zusammenarbeit, und am Ende auch bei der mehrjährigen Planung von Investitionen.
Ich glaube, wir können dennoch heute eine hoffnungsvolle Debatte führen. Denn im Vergleich zu anderen Regionen Europas und der Welt leben wir in Bezug auf Wasser hier noch in sehr guten Verhältnissen. Doch wir müssen uns darum kümmern, dass es so bleibt, dass für alle in Zukunft Wasser in guter Qualität zuverlässig verfügbar bleibt. Dazu sind auch schon einige Weichen gestellt – mit der Grundsatzkonzeption zur Wasserversorgung 2030, mit dem sächsischen Auenprogramm, mit der Reform der Wasserentnahmeabgabe oder dem Klimafonds. Mit kluger Vorsorge können und werden wir einen Kampf ums Wasser verhindern. Ich lade Sie ein, darüber zu debattieren, was dafür tun ist.
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,
der Raum Leipzig ist attraktiv und zieht Menschen und Unternehmen an. Damit wächst auch der Wasserbedarf für die Versorgung, aber auch für die Reinigung und Verdünnung der Abwässer oder für die Wasserqualität der vielen schönen Seen. Ohne ausreichend Wasser funktioniert der Wassertourismus nicht, und auch der wertvolle Auwald braucht viel Wasser, damit er nicht abstirbt.
Für all diese steigenden Bedarfe ist bereits heute das Wasser nicht mehr vorhanden. Deshalb wird täglich viel Wasser aus der Mulde über den Berg gepumpt, um zum Beispiel das Kraftwerk Lippendorf zu kühlen oder den großen Durst von Chemiewerken wie Dow Chemical zu befriedigen. Im Sommer kommt die Mulde inzwischen regelmäßig an ihre Grenzen. Sie kann nicht endlos Wasser abgeben.
Dabei steht die Flutung der größten Tagebauseen in der Region aber noch bevor. Mindestens 1,6 Millionen Kubikmeter Wasser werden dafür benötigt. Die Weißer Elster und die Pleiße werden das kaum schaffen. Und wenn die Seen irgendwann geflutet sind, steigen die Wasserverluste aus der Verdunstung. Historisch hat es solche gigantischen Wasserflächen in der Region nie gegeben. Nun wird schon diskutiert, ob Wasser aus der Saale abgepumpt werden muss.
Ich will hier keineswegs ein Schreckensszenario zeichnen. Aber es wird hoffentlich klar, dass es ohne großräumige wasserwirtschaftliche Steuerung nicht mehr geht. Und dabei vielleicht auch nicht alle hochfliegenden Pläne des Gewässertourismus die erste Priorität haben.
Ähnlich ernst ist die Situation in der Lausitz. Hier hat das Umweltbundesamt aktuell untersucht, wie viel Wasser in den Lausitzer Flüssen künftig fehlen wird. Letzte Woche hat die Staatsregierung entschieden, eine Vereinbarung mit Brandenburg und dem Bund zu schließen, um ein länderübergreifendes Grundwassermodell für die Lausitz zu entwickeln. Das wird die Basis für die künftige Wasserbewirtschaftung in der gesamten Lausitz.
Ein solches Modell schafft aber kein zusätzliches Wasser. Das versteht auch jedes Kind. Wenn Wasser also zeitweise knapp wird, muss es anders eingeteilt oder besser genutzt werden. Für die Industrie braucht es daher mehr Kreislaufwirtschaft – auch beim Wasser. Die Versorgung mit Brauchwasser oder Industriewasser muss konsequent von der Trinkwasserversorgung entkoppelt werden. Für die Landwirtschaft braucht es andere, sparsame Techniken – zum Beispiel Tröpfchenbewässerung oder Pflanzen, die mit Trockenheit besser klarkommen. Auch Boden kann so bearbeitet werden, dass er wieder mehr Wasser speichern kann. Die Bedeutung der Wälder und Feuchtgebiete als Wasserspeicher wächst und das gilt für ganz Sachsen. Der Klimawandel ist Realität und wer diese Realität ernst nimmt, muss dem Moorschutz zwingend eine höhere Priorität einräumen als zum Beispiel dem Kiesabbau.
Und auch unsere Siedlungsgebiete müssen wesentlich wassersensibler werden. Wasserschutz heißt eben auch, anders zu planen und bauen. Als Mitglied in einem kommunalen Bauausschuss weiß ich, dass viele Ingenieure und Architektinnen genau das sehr gut können. Es gibt in Sachsen kluge Partnerinnen und Partner für die Lösung all diese Herausforderungen.
Kurz um: Unsere gesamte Wasserinfrastruktur muss an den Klimawandel angepasst werden. Sachsen kann das und wir müssen jetzt damit beginnen.
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,
wir haben über viele Herausforderungen gesprochen. Und da gehört zur Wahrheit schon dazu: Es kommen hohe Finanzierungsbedarfe auf Sachsen zu.
Die Folgen von Nichtstun werden am Ende aber viel teurer: Ohne Verbesserung der Qualität von Grund- und Oberflächenwasser drohen Strafzahlungen der EU mit hohen Kosten für den Freistaat. Erst reichlich sechs Prozent der Fließgewässer in Sachsen sind überhaupt in einem guten Zustand. Ohne die rechtzeitige Beschaffung und Sicherung von ausreichend Flächen wird es immer teuer werden, das sächsische Auenprogramm umzusetzen. Ohne mehr Wasserrückhalt in der Fläche, mehr Starkregenrisikomanagement oder die Umsetzung von Schwammstadtkonzepten drohen weiter hohe Schäden. Allein technischer Hochwasserschutz wird es nicht richten. Ohne Anpassung der Talsperren-Infrastruktur wird es zu teuren Folgen für die Versorgungssicherheit kommen. Ohne ein kluges Wassermanagement in den Strukturwandelregionen wird es zu massiven Schäden kommen.
Jemand muss das am Ende alles finanzieren. Das trifft Wirtschaft, Landwirtschaft, Wasserversorger oder Kommunen. Doch die Belastung durch die enormen Anpassungsbedarfe kann sehr schnell das übersteigen, was Städte und Gemeinde alleine leisten können.
Wir Landespolitikerinnen und -politiker tragen eine große Mitverantwortung für die Absicherung der wichtigen ökologischen und wasserwirtschaftlichen Interessen in unserem Land. Auch wenn in den Strukturwandelregionen vor allem die Bergbauunternehmen und Bund in der Pflicht sind, kommen hier enorme Kosten auch auf den Landeshaushalt zu. Und da wird der Klimafonds zu einem dauerhaften Handlungsinstrument werden müssen.
Und es braucht ein kluges strategisches Handeln auf allen Ebenen und in allen sächsischen Fluss-Systemen – von der Neiße bis zur weißen Elster. Alles hängt zusammen und unser Handeln oder Nichtstun hat unmittelbaren Einfluss auch auf die Menschen in den benachbarten Bundesländern.
In der Debatte ist hoffentlich deutlich geworden, dass Umweltschutz und Wirtschaft eben keine konträren Interessen sind. Es macht keinen Sinn, sie gegeneinander auszuspielen. Im Gegenteil: Wasserschutz ist Naturschutz und Grundlage für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung.
Vielen Dank!