Krieg in der Ukraine und knapper werdende Getreideversorgung: Welche Handlungsmöglichkeiten bleiben?

Seit Tagen ist ein heftiger Streit über Fragen der Lebensmittelerzeugung und -lieferung entbrannt. In der Tat ist die sich durch den Krieg verknappende Getreideversorgung ein sehr ernstes Problem. Während hierzulande vermutlich die Brötchen teurer werden, verlieren andernorts deswegen Menschen ihr Leben. Denn Russland und Ukraine zusammen decken bisher insgesamt ungefähr 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte ab. Länder wie Ägypten, Libyen, Tunesien, Bangladesh oder Pakistan sind extrem abhängig von Weizenimporten. Und obwohl schon fast 10 Prozent der Weltbevölkerung an Hunger leidet, drohen nun zusätzliche Hungersnöte.

Diese dramatische Entwicklung wird nun von einigen genutzt, gegen Klimaschutz, Biodiversität, Dünge- und Pestizidbeschränkungen oder auch gegen den Ökolandbau Stimmung zu machen. Doch Klimaschutz als Reaktion auf den Krieg auszusetzen, wäre extrem kontraproduktiv, denn die sich beschleunigende Klima- und Biodiversitätskrise wird durch den Krieg auch nicht ausgesetzt. Das Ausspielen der einen Krise gegen die andere halte ich für falsch und potentiell tödlich. Der aktuelle IPPC-Bericht verdeutlicht eindrücklich, dass heute bereits 3,6 Milliarden Menschen durch Klimaveränderungen gefährdet sind. Intensivierung der Tierhaltung und Vernachlässigung der Ökologie verschärfen die Klimakrise. Dies führt beispielsweise im östlichen Afrika zu einem lebensbedrohlichen Zustand für Tausende. Die Bewältigung der Klimakrise bleibt daher zentral für die Ernährungssicherheit.

Welche Handlungsmöglichkeiten bleiben dann?

  • Der Umbau der Tierhaltung kann Schritt für Schritt einen Beitrag leisten. Im Moment werden 60 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen für die Erzeugung von Tierfutter genutzt. Auch wenn Tiere unerlässlich für die Kreislaufwirtschaft in der Landwirtschaft sind, muss es möglich sein über Menge und Konzentration zu sprechen, gemeinsam mit den Landwirtschaftsbetrieben. 
  • Auch die Reduktion der Herstellung von Biokraftstoffen kann eine wichtige Stellschraube sein, um Flächen für Nahrungsmittelerzeugung zu gewinnen.
  • Jede:r von uns kann einen Beitrag zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung leisten. 30 Prozent der Lebensmittel werden weggeworfen. Das können wir uns nicht länger leisten.
  • Auch ein verminderter Konsum tierischer Produkte wäre eine wichtige Stellschraube. Europa ist nach wie vor die Fleischtheke der Welt – dies können wir uns langfristig auch nicht mehr leisten. Es ist wichtig, ein Umfeld zu fördern, in dem uns allen ein gesundes Verhältnis von pflanzlicher und tierischer Ernährung leichter fällt.
  • Und genauso wie bei Öl und Gas müssen wir uns aus Importabhängigkeiten befreien – zum Beispiel bei mineralischem Stickstoff. Veränderte Fruchtfolgen helfen, weniger mineralischen Stickstoff-Dünger einsetzen zu müssen. Agrarökologie ist also nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.
  • Den Hunger auf dem Planeten können wir auch nicht begrenzen, in dem wir hierzulande zwei Prozent mehr oder weniger Flächen zugunsten der Biodiverrsität stilllegen. Hunger hat strukturelle Ursachen. Es gilt, systematisch die Armut zu bekämpfen, Zugang zu eigenem Land zu ermöglichen, in widerstandsfähige Ernährungssysteme vor Ort zu investieren.
  • Und auch wenn wir uns in Deutschland aktuell keine Sorgen machen müssen, ob wir morgen noch satt werden, sind die Preissteigerungen natürlich ein Thema für Geringverdienende. Auch hier sind solidarische Lösungen in unserer Gesellschaft zu finden.

Es gibt keine einfachen Lösungen. Die Zusammenhänge sind komplex. Der Krieg in der Ukraine verschärft vorhandene Krisen dramatisch. Umso wichtiger ist es, jetzt zusammenzustehen und gemeinsam nachhaltig funktionierende Lösung zu suchen, statt alte Grabenkämpfe fortzusetzen.

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