Green New Deal: Die Krise ist eine Chance für mehr Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit

Datum: 11.06.2020

Green New Deal – Bündnisgrüne: Die Krise ist eine Chance für mehr Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit

Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke (BÜNDNISGRÜNE) zur Fachregierungserklärung des Staatsministers für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft Wolfram Günther zum Thema: “Coronakrise und Klimakrise meistern – Mit einem Green New Deal Energiewende, Klima- und Artenschutz voranbringen und zu mehr regionaler Wertschöpfung kommen”

11. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 11.06.2020, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

mit der Coronakrise wächst das Bewusstsein dafür wie störungsanfällig sicher geglaubte Systeme sind und wie notwendig zukunftsfähige, robuste Strukturen für Leben und Wirtschaft sind, die auch die natürlichen Lebensgrundlagen nicht überfordern. Mit der Coronakrise wächst das Bewusstsein dafür, dass Krisen nicht vor Ländergrenzen Halt machen und das lokales Umsteuern eingebettet sein muss in europäische und globale Kooperation.

Dieses wachsende Bewusstsein ist eine Chance für mehr Zusammenarbeit. Kein Minister, kein Landtag und auch nicht das EU-Parlament kann die notwendigen Veränderungen und Anpassungen allein bewältigen.

Ein neue Wachstumsstrategie hin zu einer modernen, ressourceneffizienten Wirtschaft braucht es ein erneuertes Bündnis in der Gesellschaft und gute Kommunikation, damit sich viele Menschen als Teil der Lösung verstehen, nicht als Teil des Problems.

Landwirte sind keine verantwortungslosen Giftspritzer, sondern Teil der Lösung.

Naturschützer*innen sind keine Verhinderer, keine grünen Freaks, sondern Teil der Lösung.

Verbraucher*innen sind nicht per se verantwortungslos, sondern Teil der Lösung.

Politiker*innen sind nicht per se ignorant oder unfähig, sondern Teil der Lösung.

Die Wissenschaftler*innen im LfULG sind nicht inkompetent, sondern Teil der Lösung.

Die Jugendlichen von Fridays for Future sind keine dummen Schulschwänzer, sondern Teil der Lösung.

Viele Menschen haben verstanden, dass Investitionen in den Schutz der Biodiversität einen hohen Mehrwert haben, denn intakte Natur erbringt Leistungen, die unbezahlbar sind. Investitionen in Bodenschutz, Waldumbau, Stadtgrün sind Investitionen in ein System der Wasserspeicherung und Luftreinigung, welches wir künstlich gar nicht herstellen können. Je länger wir warten, dieses System wieder leistungsfähig zu machen, desto schwieriger und kostspieliger wird es.

Bei einem Green Deal geht es im Kern darum, was gerade für Bauern seit Jahrhunderten selbstverständlich ist: ein gutes Zusammenspiel von Natur, wirtschaftlicher Nutzung und biologischer Vielfalt, gesunde Natur und Umwelt sind die Existenzgrundlage der Landwirte, der Forstwirte, der Wasserwirtschaft. Ökologie & Ökonomie sind keine Gegensätze, sie gehören untrennbar zusammen.

Es geht also einerseits um die Reduzierung der Belastungen von Wasser und Boden. Es geht aber andererseits auch um Ernährungssicherheit, um Zugang zu Wasser, zu gesunden, bezahlbaren Lebensmitteln für Alle. Und ich sage ganz deutlich: Wir erreichen ambitionierte Umwelt- und Klimaziele nur gemeinsam mit den Landwirten und deswegen macht es wenig Sinn, mit dem Finger auf sie zu zeigen und ihnen den schwarzen Peter zuzuschieben.

Aber genauso wenig Sinn macht es, das Engagement der EU zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln als Generalangriff auf die gesamte Landwirtschaft zu brandmarken. Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen kommen wir nicht zur Zusammenarbeit – nicht in Sachsen, erst Recht nicht in der EU.

Notwendig ist neues Bündnis der Verbraucher*innen mit den Landwirtschaftsbetrieben der Region. Mit Bewusstsein für Regionalität wächst auch Wertschätzung für die Lebensmittelerzeuger. Der Erhalt unserer Lebensgrundlagen geht uns alle an. Und deshalb dürfen die Kosten für mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz nicht einseitig abgewälzt werden. Niemand kann ein Interesse daran haben, dass Landwirte dabei kapitulieren und die regionale Produktion einstellen.

Mehr Zusammenarbeit stärkt das Engagement für gleiche und hohe Standards in der EU, für faire Erzeugerpreise, für eine Verbesserung des Images der Landwirtschaft, für die Stärkung regionaler Vermarktung, regionaler Wertschöpfungsketten, für den Schutz vor weiterem Flächenfraß, dem leider oft auch landwirtschaftliche Flächen zum Opfer fallen

Ein Green Deal umfasst auch Maßnahmen für eine umweltgerechte, saubere und kreislauforientierte Wirtschaft. Sachsen ist Industrieland, gleichzeitig Forschungs- und Innovationsstandort. Wo, wenn nicht hier, werden nachhaltige Produkte entwickelt. Umweltschonend und abfallarm produziert mit einer längeren Lebensdauer, reparierbar und am Ende zerlegbar, damit sie wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können. In Sachsen gibt es dafür gute Partner. Viele KMU beschäftigen sich mit kreislauffähigen Werkstoffen oder recyclinggerechten Konstruktions- und Bauweisen. Investitionen, die Rohstoffe schonen, helfen Kosten zu vermeiden. Nebenbei entstehen neue Geschäftsmodelle und auch die Bürger*innen können an der Kreislaufwirtschaft teilhaben und von dem positiven Wandel profitieren.

Meine Damen und Herren,

Klimawandel, Umweltzerstörung und Ressourcenübernutzung bedrohen über kurz oder lang die wirtschaftlichen Grundlagen von Unternehmen und können zu existenzieller Bedrohung werden. In vielen Teilen der Welt sind sie es schon. Auch im reichen Europa sind bereits mehrere hundert Tausend vorzeitige Todesfälle pro Jahr auf Luftverschmutzung zurückzuführen. Die Todesfälle in Folge extremer Hitzewellen nehmen zu. Und natürlich gibt es auch Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Flucht und Vertreibung. Gelingt es nicht, den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen, werden auch die Asylanträge in Europa steigen und die damit verbundenen Kosten.

Durch die Corona-Krise werden auf allen Ebenen enorme Summen aufgerufen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Es kann aber nicht nur darum gehen, Wirtschaft und Landwirtschaft irgendwie am Leben zu erhalten. Es muss jetzt darum gehen, sie komplett in eine nachhaltige, zukunftsfähige und gerechte Richtung umzusteuern. Das heißt Geld für sozial und ökologisch tragfähige Lösungen, die dann auch in der Praxis funktionieren. Aber kein Geld für Umweltzerstörung, kein Geld für Rohstoffverschwendung, kein Geld für Ungerechtigkeit und Gier.

Es macht jetzt auch wenig Sinn, die Verantwortung wegzuschieben und mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Es macht viel mehr Sinn, jetzt die Krise gemeinsam und konstruktiv so zu nutzen, das Milliarden-Hilfen und Investitionen zu einem Gewinn für alle werden. Auch für die Generationen nach uns.

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