– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
der weltweit größte legale Rauschmittelexzess ist gerade in München zu Ende gegangen. Wenn der Landtagspräsident am Freitag in der Sächsischen Zeitung erzählt, dass es in der sächsischen CDU ein ähnliches Selbstverständnis wie bei der CSU gibt, hoffe ich, dass Sie damit nicht die Trinkfestigkeit der CSU und die damit einhergehende staatliche Verharmlosung der Droge meinen, die mit Abstand das höchste Gefährdungspotential hat.
In unserer Kultur werden neben Alkohol eine Vielzahl von Drogen konsumiert, viele Menschen verlieren dabei das Maß und werden abhängigkeitskrank. Den größten Hilfebedarf gibt es im Bereich legaler Drogen. Alkoholabhängige sind die mit Abstand größte Betroffenengruppe. Ich habe als Sozialarbeiter gesehen, was Alkohol bei Menschen, bei Familien anrichtet, bei Kindern, auch den Ungeborenen. Es gibt leider auch einen Anstieg nicht stoffgebundener Süchte wie Spielsucht oder Online- und Mediensüchte. Auch der Hilfebedarf im Zusammenhang mit illegalen Drogen ist angestiegen. Sachsen weist besonders hohe Fallzahlen aufgrund des Missbrauchs von Methamphetaminen auf.
Es ist gut, welch‘ großen Stellenwert die Koalition der Suchtprävention im Koalitionsvertrag einräumt. Ich glaube Ihnen, dass Sie die Herausforderungen annehmen. Ob Sie diese allerdings auch MEISTERN – wie der Debattentitel sagt, dass habe ich mir am Beispiel von Crystal Meth genauer angeschaut. Denn gerade hier haben Sie in Ihrem 10-Punkte-Plan viel angekündigt und neue Haushaltsmittel bereitgestellt. Ich habe im Sommer mehrere Kleine Anfragen gestellt, um einen Zwischenstand bei der Bekämpfung von Crystal zu erfahren. Dabei sind verschiedene Umsetzungsprobleme offenbar geworden:
1. Die Mittel kommen nicht in den Landkreisen an: Auch nicht in den Grenzregionen, die besonders von Crystal betroffen sind. Sachsenweit gibt es 31 Projektanträge, nur 19 davon wurden bisher bewilligt. Zudem ist im 4. Quartal 2015, also knapp eineinhalb Jahre nach dem 10-Punkte-Plan und bei unverändert hoher Belastung der Suchthilfe durch Crystal-Konsumenten, noch kein einziger zusätzlicher Cent ins Hilfesystem geflossen.
2. Die späte Verabschiedung des Doppelhaushaltes führt insgesamt zu Problemen: Die Beratungsstellen mussten ein halbes Jahr ohne Finanzierungssicherheit arbeiten. Das Risiko für die Träger ist hoch, denn die Höhe der Fördermittel ist bis zum Bescheid vollkommen unklar. Die Konsequenz für die 42 Suchtberatungsstellen in Sachsen ist, dass sie bisher keine zusätzlichen Mitarbeiter einstellen konnten und das erste Jahr ist bereits fast herum. De facto ist die Projektlaufzeit der bewilligten Projekte im Bereich Crystal bereits jetzt von 24 auf 14 Monate bis Ende 2016 zusammengeschrumpft.
3. Es gibt eine permanente Überlastung des sächsischen Suchthilfesystem durch die anhaltende „Crystal-Welle“: Der Crystal-Hilfebedarf geht unverändert zu Lasten Betroffener mit anderen Suchtproblemen. Die Beratungsstellen arbeiten am Limit, müssen Aufnahmestopps für neuen Klienten verhängen, die Kapazitäten sind ausgeschöpft. Stationäre Therapieeinrichtungen sind inzwischen bundesweit überfüllt, darunter viele sächsische Patienten. Das System funktioniert grundsätzlich gut, auch bei Crystal – nur die Kapazitäten reichen eben nicht aus.
4. Der Kampf gegen Crystal droht im Moment an den Landkreisen zu scheitern: Alle Landkreise und kreisfreien Städte wurden bereits im Januar durch das Sozialministerium informiert, dass zusätzliche Mittel zu erwarten sind. Dennoch scheitern viele Projekte in den Kreisen, weil kaum kommunale Kofinanzierungsmittel bereitgestellt werden. Das ist anders in den Großstädten, wo die CDU nicht regiert. Es reicht eben nicht, dass die Koalition Crystal zum Schwerpunkt der Regierungszeit erklärt. Sie müssen die ausnahmslos von der CDU gestellten Landräte auch von der Problemlage überzeugen. Ich würde Sie da ja gern unterstützen, doch ich glaube Sie haben da bei der CDU einfach die besseren Gesprächskontakte.
5. Die Crystal-Prävention hat weiterhin keine langfristige Perspektive: Aussagen zu kommunaler Folgefinanzierung ab 2017 gibt es bisher nur in Chemnitz und Leipzig. Ansonsten ist die Anschlussfinanzierung durch die Kommunen völlig unklar.
Suchtberatung und -behandlung braucht für neue Projekte aber Planungs- und Finanzierungssicherheit – auch für die Zeit nach 2016. Bitte kümmern Sie sich rechtzeitig darum!
6. Die Polizei wird bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität offenbar allein gelassen: Der 10-Punkte-Plan verspricht, die Polizeiarbeit und den Fahndungsdruck bei Crystal zu verstärken. Wie und mit welchen personellen sowie technischen Ressourcen dies erfolgt, bleibt ein Geheimnis. Die Antwort auf meine Anfragen dazu werden schlicht verweigert. Die Sozialministerin hat über die Umsetzung des 10-Punkte-Plans berichtet, das Innenministerium tut dies nicht.
Zusammenfassend kann ich Ihnen bescheinigen: Die Umsetzung des 10-Punkte-Plans gegen Crystal ist beim Thema Prävention auf dem Weg, aber bis jetzt noch keine Erfolgsgeschichte. In Bezug auf die angekündigte Unterstützung der Polizeiarbeit ist der Plan allerdings offenbar Papier das nicht wert ist, auf dem er steht. So werden Sie die Herausforderungen beim Thema Sucht und Drogen jedenfalls nur unzureichend meistern.