Frieden, Gerechtigkeit und sozialer Zusammenhalt – das Motto des diesjährigen Tags der Arbeit hat das Ziel einer besseren Zukunft fest im Blick. Doch der Blick in gerade diese Zukunft fällt im Moment sehr sehr schwer. Klimakrise, Pandemiefolgen, wachsende Ungerechtigkeit und ein grausamer, barbarischer Krieg: zerstörte Städte, wehrlose Kinder auf der Flucht, durstende Menschen in Bunkern, Zukunft und Leben von Zivilisten und Soldaten tausendfach vernichtet.
All das lastet schwer auf unserer Hoffnung und Zuversicht. Das lastet auch schwer auf unserer Gesellschaft. Meinungen polarisieren, Angst und Aggression wächst. Neben dem sehnsüchtigen Wunsch nach Frieden ist mein Apell heute daher vor allem der Wunsch nach Besonnenheit und Respekt.
Dies gilt zuallererst in Bezug auf die Frauen und Männer, die derzeit Regierungsverantwortung tragen. Sie müssen in der aktuell brandgefährlichen Situation jeden Schritt mit großer Besonnenheit ausbalancieren. Es ist nicht möglich, den einen richtigen Schritt zu gehen. Es ist ein permanentes Abwägen zwischen hohen Risiken auf allen Ebenen. Keine politische Entscheidung bleibt folgenlos. Und auch Nicht-Handeln führt zu dramatischen Folgen.
Dank und Respekt gilt den großartigen Leistungen unzähliger Privatinitiativen, die mit hohem Einsatz hier und in der Ukraine helfen. Weit über 40-Tausend Menschen sind nach ihrer Flucht aus der Ukraine jetzt in Sachsen angekommen. Unsere Hilfsbereitschaft sollte allen Menschen gelten, die Schutz bei uns suchen. Es darf keinen Unterschied machen, ob jemand vor einem Krieg in Europa, Asien oder Afrika flieht. Alle verdienen unsere Hilfe und Solidarität.
Großer Respekt gilt auch all den Menschen in und aus Russland, die sich mutig gegen Putin stellen oder das Land verlassen. Oder den vielen Familien mit russischem Hintergrund, die schon lange hier mit ihren Familien unter uns leben und mit uns arbeiten. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese jetzt angefeindet werden
Doch mein Apell für Besonnenheit und Respekt richtet sich auch an all diejenigen, die sich gern auf die Seite der guten Gesinnung stellen. Das tun wir ja alle gern. Wir sind für Mitmenschlichkeit, für humanitäre Hilfe, für Gewaltfreiheit. Und schnell schieben wir den Schwarzen Peter denen zu, die in unserer Demokratie die schwierigen Kompromisse aushandeln, oft zwischen völlig gegensätzlichen Positionen. Es gehört zu den Dilemmata der Politik, dass diese Kompromisse häufig jenseits von den idealen Vorstellungen einer sozialen, ökologischen und gerechten Welt sind.
Und schnell sehen sich aktuell auch diejenigen an den Pranger gestellt, die in einer Welt voller Gewalt den Frieden auch mit militärischen Mitteln zu sichern suchen, die der Lieferung von Waffen zustimmen, um das Recht der Menschen auf Selbstverteidigung nach der Charta der Vereinten Nationen zu unterstützen
Besonnenheit und Respekt: Ich maße mir nicht an, die eine richtige Antwort zu haben auf die ausgesprochene ungeheure Drohung, der Konflikt in der Ukraine könne in einen Weltkrieg ausarten. Ich weiß nur eins: Wenn Atomwaffen zum Einsatz kommen, würde das Leben auf der Erde, wie wir es kennen, enden. Die Frage nach dem Verursacher wäre dann unerheblich. Deswegen müssen die Kampfhandlungen schnellstmöglich aufhören und die Truppen abgezogen werden. Deswegen darf militärische Eskalationslogik niemals bestimmend werden. Deswegen dürfen die Anstrengungen um Deeskalation und Diplomatie niemals aufgegeben werden.
Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Die Konflikte sind hochkomplex und mit dem Finger aufeinander zeigen, löst kein einziges Problem. Wir haben aber riesige Probleme zu lösen. Zum Beispiel uns aus der Abhängigkeit fossiler Energien zu befreien. Diese Transformation muss ökologisch und sozial erfolgen. Preise für Energie- & Lebensmittel müssen für alle bezahlbar bleiben. Die Beschäftigten müssen Schritt halten können mit der Entwicklung. Es geht dabei um gute neue Arbeitsplätze, Ausbildungsplatzgarantie, Weiterbildungsoffensive, Qualifizierungsgeld, Mindestlohn.
Bei dieser Transformation braucht es starke Betriebs- und Personalräte, starke Gewerkschaften. Wir alle sind und bleiben gemeinsam in der Verantwortung. Hart in der Auseinandersetzung. Aber bitte immer mit Besonnenheit und Respekt im Umgang miteinander. Gemeinsam gestalten wir eine bessere und hoffentlich friedliche Zukunft.