Überlegt und entschlossen reagieren – mit den Bürgern und den demokratischen Landtagsfraktionen

Nach der Blockade eines Busses von Geflüchteten durch einen fremdenfeindlichen Mob in Clausnitz und der mutmaßlichen Brandstiftung einer künftigen Asylbewerberunterkunft in Bautzen war der sächsische Ministerpräsident Tillich zunächst unsichtbar. Erst gar keine Äußerung – trotz unzähliger Anfragen –, dann schließlich ein mageres schriftliches Statement. Bis zum Montag war kein Mitglied des Kabinetts, kein Ausländerbeauftragter an den Orten dieser schändlichen Taten anwesend.

Es ist den engagierten Bürgerinnen und Bürgern aus Sachsen und anderswo zu danken, die sich zum Teil von weit her auf den Weg machten, um den bedrohten und verängstigten geflüchteten Menschen wenigstens im Nachhinein Zeichen für ein freundliches Willkommen zu übergeben.

Dann erst nach drei Tagen Auftritte des Ministerpräsidenten in den Medien, bei denen er wichtige Fragen nur ausweichend beantwortete. Dass er dabei der Zivilgesellschaft, die seit Jahrzehnten von CDU-Regierungen kurzgehalten und ihrem Engagement behindert, ja zum Teil sogar kriminalisiert wurde, die Verantwortung zuzuschieben versuchte, ist die Bankrotterklärung einer gescheiterten Regierungspolitik.
Ich erwarte von der Regierung endlich ein überlegtes und entschlossenes Handeln:

Als Erstes muss die sächsische Regierung ihr Verhältnis zu zivilgesellschaftlichem Engagement neu entwickeln. Das heißt, engagierten Bürgerinnen und Bürger auf Augenhöhe zu begegnen und sie nicht von oben herab zu behandeln. Erste Schritte wären Runde Tische auf Ebene der Stadt- und Landkreise mit den regionalen Integrationsinitiativen und Willkommensbündnissen, ebenso auch auf Landesebene. Denn ohne das unermüdliche Engagement der bürgerschaftlichen Initiativen wären Aufnahme, Unterbringung und Beginn der Integration von Geflüchteten nicht möglich gewesen. Die Neuankömmlinge wären dem oftmals überforderten Behördenhandeln und rechten Gewalttätern ausgeliefert gewesen. Es geht darum, Geflüchtete endlich in erster Linie als Menschen wahr- und ernstnehmen – wie im Übrigen auch die Marodeure von Clausnitz, anders als die Reaktion des Ministerpräsidenten nahe legtl, selbstverständlich Menschen sind. Und die für den weiteren Integrationsprozess so elementaren Initiativen brauchen gerade für die Koordinierung eine deutlich bessere – und unbürokratische – Förderung.

Dann ist ohne Verzug die Polizei zu stärken, mit ausreichend gut ausgebildetem Personal, mit interkultureller Kompetenz und mit einer angemessenen Fehlerkultur.

Ebenso gilt es, eine funktionsfähige und auf die Gefahren für Menschen, Gesellschaft und Verfassung fokussierte Justiz personell und sachlich angemessen auszustatten. Nur so kann das für eine freiheitliche demokratische Grundordnung wichtige Gewaltmonopol wiederhergestellt werden. Die Verharmlosung rechter Gewalt und Gewaltandrohung und die Relativierung mit dem reflexhaften Verweis auf „linke“ Gewalt ist gefährlich.

Des Weiteren muss eine in erster Linie den Menschen in unserem Land verpflichtete und effizient arbeitende Kernverwaltung verbessert werden – wir sehen doch alle, dass nicht nur bei der Bearbeitung von Asylverfahren noch deutliche Verbesserungen erforderlich sind. Oft leiden die Behördenmitarbeiter selbst unter den Schwächen der Mechanismen und Verfahren.

Zu viele Menschen in Sachsen standen und stehen abseits der Erfolge, die es in manchen Bereichen von Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft in Sachsen zu verzeichnen gibt. Hier ist ein Umsteuern erforderlich, denn diese Abkoppelung vom Erfolg erzeugt Abwanderung und hinterlässt. Frust und Verbitterung. Auf diesem Boden konnte ein bis in die Reihen der CDU reichender Rechtspopulismus gedeihen, der aus Gründen des Machterhalts zu lange toleriert wurde. Wenn aus den Reihen der CDU-Fraktion die wichtigen Landesprogramme zur Entwicklung demokratischer Kultur als „Alimentierung für Linksextremisten“ verhetzt werden, ist das Wasser auf die Mühlen von AfD, PEGIDA & Co. Ich erwarte von der Regierung entschlossenes Agieren gegen Hass und Gewalt, aber auch unmissverständliche Abgrenzung von rechtspopulistischer Rhetorik in den eigenen Reihen.

Viel Vertrauen in die sächsische Politik ist verloren gegangen. Aber wenn sich eine Regierung spürbar und glaubwürdig um die Umsetzung der Grundrechte der hier lebenden Menschen bemüht, dann bestehen Chancen, mittelfristig wieder Vertrauen zu gewinnen.

Erfolgreiche Politik hat viel mit Demut zu tun. Demut vor den Menschen, die einem das Vertrauen geschenkt haben, Demut vor den Herausforderungen, auch vor den politischen Konkurrenten, die sich ebenfalls um das Beste für die Menschen und das Gemeinwesen bemühen. Diese Demut ist der sächsischen CDU in den Jahrzehnten ihrer ununterbrochenen Herrschaft zunehmend verlorengegangen.
Wir GRÜNEN sind dazu bereit, unseren konstruktiven Beitrag zu leisten, wenn wir dazu ernsthaft eingeladen werden.

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