Landessehhilfengesetz − Zschocke: AfD verwechselt erneut den Landtag mit dem Bundestag

 

Gesetzentwurf der Fraktion AfD ‘Landessehhilfengesetz’

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Damen und Herren,

das vermeintliche Ziel Ihres Gesetzentwurfes ist, für hochgradig sehschwache Menschen einen Anspruch auf einen Zuschuss zu Sehhilfen zu schaffen. Sie versuchen hier, soziale Kompetenz zu inszenieren, was aber sehr unglaubwürdig ist. Denn Sie verwechseln erneut und bewusst den Landtag mit dem Bundestag. Der Landesgesetzgeber hat hier keine Regelungskompetenz. Das wissen Sie auch. Zudem besteht für den eingereichten Gesetzentwurf auch kein Regelungsbedarf. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

Die Gewährung von Sehhilfen durch die gesetzliche Krankenkasse regelt das SGB V. Bei unter 18 Jährigen werden die Kosten für eine Sehhilfe von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen, bei über 18-jährigen Versicherten nur unter bestimmten Umständen, nämlich „wenn sie auf Grund ihrer Sehschwäche oder Blindheit auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen.“

Hier jetzt eine Gesetzgebung durch das Land zu fordern, ist problematisch, denn der Bund hat von seiner Gesetzgebungsbefugnis durch die Regelungen in den Sozialgesetzbüchern Gebrauch gemacht und dort die Anspruchsvoraussetzungen für den Erhalt von Sozialleistungen, so auch von Hilfsmitteln wie Sehhilfen geregelt. Es greift auch kein Ausnahmetatbestand nach Art. 72 Abs. 3 Grundgesetz, der regelt, wann die Länder abweichende Regelungen in Bezug auf vom Bund im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung erlassene Gesetze treffen können. Der Bundesgesetzgeber hat eine abschließende Regelung getroffen, so dass für das Land keine Gesetzgebungskompetenz vorliegt. Sie möchte „eine echte Sozialleistung“ gewähren, also einen sozialrechtlichen Anspruch schaffen und damit Lücken des § 33 Abs. 2 SGB V schließen. Um aber Lücken des SGB V zu schließen, muss das SGB V geändert und keine landesrechtliche Regelungen mit neuen Anspruchsgrundlagen geschaffen werden.

Ein möglicher Regelungsort wäre das Landesblindengeldgesetz, das neben monatlichen Nachteilsausgleichszahlungen an blinde Menschen auch jetzt schon Leistungen für hochgradig sehschwache Menschen vorsieht. Die AfD behauptet in ihrem Gesetzentwurf, dass Personen mit hochgradiger Fehlsichtigkeit, die durch das Nutzen von Sehhilfen korrigierbar ist, keine Leistungen nach dem Landesblindengeld beanspruchen können. Dem ist nicht so. Die hochgradige Sehschwäche im Landesblindengeldgesetz knüpft an das Sehvermögen ohne die Nutzung von Sehhilfen an.

Zusammenfassend: Menschen, die sich eine Brille nicht leisten können, erhalten vom Jobcenter bzw. vom Sozialamt ein Darlehen. Hochgradig sehschwache Personen erhalten nach § 2 Absatz 1 Nr. 1 Landesblindengeldgesetz derzeit monatlich 52,00 € als Nachteilsausgleich.

Dass der Sächsische Landtag das von Ihnen geforderte Gesetz nicht verabschieden kann, hat Ihnen auch schon unser Sachverständiger in der Anhörung juristisch ausführlich begründet. Sie versuchen nun, mit den Punkten 5 bis 7 des Änderungsantrags nachzusteuern. Aber die grundlegende Kritik, dass das Land hierbei keine Gesetzgebungskompetenz hat, wird durch den Änderungsantrag nicht ausgeräumt.

 

Rede des Abgeordneten Volkmar Zschocke (GRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktion AfD ‘Landessehhilfengesetz’ (Drs. 6/5392) zur 43. Sitzung des Sächsischen Landtags, 09. November 2016, TOP 6

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