Doppelhaushalt 2017/2018 – Zschocke: Es reicht nicht aus, einfach nur mehr Geld ins System zu pumpen, ohne zentrale Probleme Sachsens zu lösen, ohne die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen!

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

Der Ministerpräsident hat mit dem Bezug zu Otto Scharmer einen hohen Anspruch an Zukunft, Wirtschaft und an das Verhältnis von Politik zu Bürgern formuliert.
Mit dem vorgelegte Haushaltsentwurf laufen Sie jedoch selbst
weit unter dieser Messlatte hindurch.

Sie haben auf Ihren Rekordhaushalt zwar nochmal 420 Millionen oben drauf gepackt.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, es reicht eben nicht, einfach nur mehr Geld ins System zu pumpen, ohne zentrale Probleme Sachsens zu lösen, ohne die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen!

Ihnen scheint vor allem wichtig zu sein, die Konflikte und die verschiedenen Interessengruppen im Land erst mal ruhig zu stellen.
Sie haben sich sogar dazu hinreißen lassen, zwei Anträge der Opposition zu unterstützen.

Dass die Lehrerinnen und Erzieherinnen immer noch protestieren ist nach Lesart von Bildungsministerin Kurth sicher einfach nur überzogen, wenn nicht sogar undankbar.

Es reicht auch nicht, neue Maßnahmen und Programme anzukündigen, wenn wir aus Erfahrung der letzten beiden Jahre wissen, wie viele ihrer großartigen Ankündigungen dann im Haushaltsvollzug auf der Strecke bleiben.

Doch der Haushalt ist ja noch nicht beschlossen.
Sie können Ihren Entwurf weiter qualifizieren und wichtige Weichenstellungen vornehmen. Die Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch. Sie brauchen nur zugreifen:

Entscheiden sie sich als erstes bitte für ein wirklich zukunftsfähiges Personalkonzept. Denn zu welch dramatischen Schäden ihr langes Zögern führt, müssen wir leider bei der Polizei und an den Schulen erleben.
Aber es geht inzwischen um die gesamte Landesverwaltung. Sie müssen jetzt handeln, um Sachsen zukunftsfähig aufzustellen!

Wir haben detailliert erarbeitet und berechnet, wie sie die Lücken schließen können, welche in den kommenden Jahren beim Personal entstehen. Das kostet einen Bruchteil der geplanten Personalausgaben, doch die Kostenersparnis durch rechtzeitige Vorsorge ist wirklich enorm.
Wir zeigen den Weg, wie nach Jahrzehnten des Stellenabbaus wieder ein bürgernaher, leistungsfähiger Staat aufgebaut werden kann, mit neuen, jungen, kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Mit einem gleitenden Generationenwechsel stellen wir sicher, dass das unbezahlbare Erfahrungswissen der Älteren nicht verloren geht.

Wir schlagen auch konkret vor, wie sie die Weichen in Richtung einer zukunftsorientierten Infrastruktur richtig stellen – im Verkehrsbereich, beim digitalen Wandel, bei den Hochschulen, bei der Innovationsförderung, bei der Forschungsinfrastruktur.

Der Haushalt ist doch ein Gestaltungsinstrument! Wohin wollen Sie Sachsen eigentlich entwickeln?
Wir GRÜNEN haben zum Beispiel Strategien und Perspektiven für die Zukunft der sächsischen Braunkohlereviere entwickelt – gemeinsam mit Unternehmen, Verbänden und den Kammern.
Es ist gut, dass selbst Wirtschaftsminister Dulig nun endlich erkennt, dass die Lausitz viel mehr ist als nur Braunkohle.
Auch im Landeshaushalt gibt es hier Stellschrauben für Richtungsentscheidungen: Drehen Sie diese endlich Richtung Zukunft und Klimaschutz und nicht länger Richtung Braunkohle!

Meinen Damen und Herren,

die Hauptursache des Rückgangs der biologischen Vielfalt in Sachsen ist die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlage.
Auch hier haben wir Instrumente entwickelt, um Biotope wieder großflächig zu verbinden, um Flächenfraß und Landschaftszerstückelung zu stoppen, um Hochwasserschutz auf der gesamten Fläche zur ermöglichen, um die Landwirte und Naturschützer dabei zu unterstützen, Tierwohl und Artenvielfalt voranzubringen.

Diesen Herausforderungen werden sie nicht gerecht, wenn Sie ein paar Fördermittel für Naturschutz bereitstellen. Nein, Sie müssen die Zielkonflikte zwischen Natur, Umwelt, Landwirtschaft, Verkehr und Industrie auflösen. Denn ein Haushalt, der sich nicht konsequent und übergreifend an ökologischen Linien ausrichtet, weist dann eben auch nicht in eine lebenswerte Zukunft.

Sie legen uns einen Rekordhaushalt vor, packen damit aber die Probleme noch nicht konsequent genug an:
Zum Beispiel die gegenläufigen Entwicklungen wachsender Städte und schrumpfender Regionen. Wie sind eigentlich ihre Strategien zu dieser Entwicklung?
Wenn Leipzig oder Dresden aus allen Nähten platzen, aber im ländlichen Raum Wohnungen leer stehen, Städte schrumpfen und wohnortnahe Infrastruktur nur mit enormem Aufwand aufrechterhalten werden kann?
Sie müssten jetzt ressortübergreifend damit beginnen, überall in Sachsen lebendige Siedlungskerne zu entwickeln, mit kurzen Wegen, generationengerecht, bezahlbar, mit Versorgung, Dienstleistung, Nachbarschaftshilfe und sozialen Leben in der Nähe.
Das ist eine der wichtigsten Herausforderungen in den nächsten Jahren!
Es gibt dafür in ihrem Haushaltsentwurf zwar hier mal ein Programm, da mal eine Förderrichtlinie, dort mal einen Haushaltstitel. Aber Sie haben eben keine ressortübergreifende Handlungsstrategie!

Auch bei der Demokratieförderung braucht es eben nicht nur Geld, sondern eine klare Linie.
Während Herr Tillich für ein NPD-Verbot kämpft, ist sein Bautzener Landrat und CDU-Kreisvorsitzender Michael Harig offenbar nicht davon abzubringen, sich mit dem regionalen NPD-Chef zu treffen. Das Ganze wird quasi als „Bürgergespräch“ bagatellisiert.
Sie müssen in ihren eigenen Reihen mal klären, was sie unter Demokratie-Dialog verstehen! Dialog mit Verfassungsfeinden?
Oder sprechen sie auch mal mit Menschen, die sich für Demokratie, Integration und Mitmenschlichkeit einsetzen? Allein mehr Mittel im Haushalt lösen Probleme mit der eigenen Haltung nicht!

Sie haben übrigens auch keine gemeinsame Strategie beim Thema Integration und Weltoffenheit. Hier ist der Koalitionspartner CDU – das muss ich leider so deutlich sagen – einfach unzuverlässig: All die Anstrengungen und Erfolge bei der Integration werden durch den Rechtsruck der CDU bei der Flüchtlingspolitik in Frage gestellt: Abschottung, inhumane Transitzonen, Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft – all das führt doch zum Gegenteil von Integration!
Und wer Rechtspopulisten zurückdrängen will in dem er ihre Positionen übernimmt, erreicht doch damit genau das Gegenteil!

Sie müssen Integration als gemeinsame Zukunftsaufgabe annehmen.
Unsere Haushaltsvorschläge liegen dafür auf dem Tisch:

  • Legale Einreise statt gefährlicher Fluchtrouten!
  • Vielfalt statt Leitkultur!
  • Interkulturelle Kompetenz statt Vorurteile und Ressentiments!

 

Meine Damen und Herren,

Sie wollen so viel Geld ausgeben wie noch nie. Setzen Sie diese Milliarden bitte auch zielorientiert ein:

  • für einen leistungsfähigen, bürgernahen und ökologisch handelnden Staat,
  • für Perspektiven von Kindern, Jugendlichen und Familien
  • für moderne und zukunftstaugliche Infrastruktur,
  • und vor allem für ein vielfältiges und weltoffenes Sachsen.

Vielen Dank.

 

Rede in der Debatte um den Doppelhaushalt 2017/2018 (Drs 6/5550, 6/6237, 6/6871 und 6/7150) zur 46. Sitzung des Sächsischen Landtags, 14. Dezember 2016, TOP 1

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